DIE FOLGEN DES BREXIT

Brexit sorgt bei Unternehmen für trübe Mienen

RWE-Chef Terium: "Ich bin schockiert" - Eon hält Folgen für "beherrschbar" - Verfall des britischen Pfund führt zu Unsicherheit

Brexit sorgt bei Unternehmen für trübe Mienen

Für die exportorientierten deutschen Unternehmen ist der Brexit ein schwerer Schlag. In ersten Reaktionen zeigten sich die Top-Manager im Dax um Schadensbegrenzung bemüht.BZ Frankfurt – Der Austritt Großbritanniens aus der EU ist eine bittere Pille für Deutschlands Unternehmen. Am Freitag sackten alle Dax-Papiere bis auf Henkel in den roten Bereich, der gesamte Index ging um knapp 7 % in die Knie. Dramatische Kursrückgänge um jeweils rund 10 % verzeichneten unter anderem VW, RWE und Lufthansa. Mit Kursrückgängen unter 3 % kamen vergleichsweise glimpflich Henkel, Vonovia, Beiersdorf, Merck, FMC und Adidas davon.Bei der Eröffnung der neuen Zentrale von Siemens (Aktie – 7 %) in München sagte Vorstandschef Joe Kaeser vor Hunderten Festgästen: “Europa wird sich durch dieses Votum verändern, und auch Großbritannien.”Kurt Bock, Vorsitzender des Vorstands der BASF (-7 %), legte ein klares Bekenntnis zum Großbritannien-Geschäft ab: “Das Vereinigte Königreich ist und bleibt für BASF ein wichtiger Markt.” Der Ludwigshafener Chemiekonzern beschäftigt im Vereinigten Königreich rund 1 300 Menschen und betreibt dort zehn Produktionsstandorte. Der Umsatz mit dortigen Kunden lag 2015 bei 2,6 Mrd. Euro. Bock erklärte weiter, es liege nun im Interesse beider Seiten, “möglichst schnell zu klären, in welcher Form die Europäische Union und das Vereinigte Königreich in Zukunft zusammenarbeiten werden”.Für Bayer (-6%) ist das Großbritannien-Geschäft deutlich weniger bedeutsam als für BASF. Die Leverkusener beschäftigen 900 Menschen in UK, der Umsatz dort betrug 2015 rund 900 Mill. Euro (beides ohne Irland und ohne Covestro). Bayer erwarte keine unmittelbaren Auswirkungen auf das eigene Geschäft, hieß es bei dem Life-Science-Konzern. Mögliche Veränderungen, die für Bayer wichtig sein könnten – zum Beispiel im Arbeitsrecht oder bei der Zulassung von Arzneimitteln – würden intensiv verfolgt.Deutliche Worte zum Brexit fand Peter Terium, CEO von RWE (-9 %): “Ich bin schockiert, dass sich die Briten entschieden haben, die EU zu verlassen”, sagte er und erklärte mit Blick auf die eigenen Aktivitäten: “Ich bin sehr zuversichtlich, was unser Geschäft mit Energie und Energiedienstleistungen in Großbritannien betrifft. Denn hier gilt in ganz besonderem Maße der Spruch: All business is local.” Sollte es zu Handelshürden kommen, würden diese RWE “wohl nur am Rande treffen”. Die nationale Regulierung sowie die Akzeptanz vor Ort seien für den Geschäftserfolg von RWE viel entscheidender. RWE ist seit 2002 in Großbritannien unter anderem mit eigenem Vertriebsgeschäft unter der Marke Npower vertreten. Npower belieferte Stand Ende 2015 rund 3,2 Millionen Strom- und 2 Millionen Gaskunden und beschäftigte 9 220 Menschen.Auch Konkurrent Eon (-9 %) ist in Großbritannien stark. Eon ist mit rund 5 Millionen Strom- und Gaskunden und knapp 10 000 Mitarbeitern eines der führenden Energieunternehmen auf der Insel. Darüber hinaus betreibt Eon in Großbritannien 16 Onshore- und 5 Offshore-Windparks. Das Ebit für UK lag 2015 (inklusive Uniper) bei 278 Mill. Euro. Die Konsequenzen des Brexit fürs eigene Geschäft stuft Eon gleichwohl als “beherrschbar” ein. “Unser Geschäft in Großbritannien ist ein regionales”, hieß es weiter. “Natürlich ist die Entwicklung des Pfundes ein Risiko. Anderseits haben wir Schulden in Pfund. Das wirkt ausgleichend.”Heidelberg Cement (-5 %) ist seit Übernahme der britischen Hanson im Jahr 2007 ein großer Player in England. “Das Baustoffgeschäft von Heidelberg Cement ist ein sehr lokales Geschäft, d.h. die Produkte wie Zement, Sand und Kies, Transportbeton und Asphalt werden in der Regel vor Ort in einem Land produziert und auch verkauft”, hieß es bei dem Kurpfälzer Konzern. Der Anteil von Großbritannien am Konzernumsatz belief sich 2015 auf 11 % und beim operativen Ergebnis auf etwas über 8 %. Heidelberg Cement rechne in erster Linie mit negativen Auswirkungen auf Konzernumsatz und -ergebnis durch Währungseffekte aufgrund der erwarteten Abwertung des britischen Pfund. Über die Währungseffekte hinaus könne es zu einer Abschwächung des Wirtschaftswachstums in Großbritannien kommen, warnt das Heidelberg-Management. Auf die Übernahme von Italcementi habe der Brexit keine Auswirkungen, da die Refinanzierung der Übernahme schon zuvor abgeschlossen wurde.Weit geringer ist das UK-Exposure für Thyssenkrupp (-12 %), die mit 1,2 Mrd. Euro (2014/15) nicht einmal 3 % des Konzernumsatzes von 43 Mrd. Euro in Großbritannien erwirtschaftet und am Freitag an der Börse nicht wegen des Brexit, sondern aufgrund einer Razzia im Zusammenhang mit möglichen Schmiergeldzahlungen im Fokus stand (siehe Bericht Seite 9).Ziemlich gelassen kann man den Brexit bei Henkel (-0,3 %) sehen, die am Tag nach dem Votum mit einer Großakquisition in den USA auftrumpfte (siehe Bericht Seite 9). Bei dem Konsumgüterriesen steht Großbritannien lediglich für einen Umsatz von etwa 400 Mill. Euro, das ist ein Anteil am Konzernumsatz von gut 2 %. Auf der Insel beschäftigt Henkel 600 Personen. Henkel-Chef Hans Van Bylen erklärte: “Welche langfristigen Folgen ein Austritt Großbritanniens allerdings auf den gesamten Euroraum haben wird, ist heute noch nicht abzusehen.”