RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: STEPHAN MÜLLER

Brexit verschärft Exportkontrolle für kritische Produkte

Sowohl zivil als auch militärisch nutzbare Güter nicht mehr genehmigungsfrei

Brexit verschärft Exportkontrolle für kritische Produkte

Herr Müller, nach einem harten Brexit wären Dual-Use-Güter nicht mehr genehmigungsfrei. Welche Waren wären betroffen?Nach dem Ausscheiden aus der EU erhält Großbritannien den Status eines Drittlandes im exportkontrollrechtlichen Sinne. Dies bedeutet, dass alle nach Maßgabe von Anhang I der EU-Dual-Use-Güterverordnung erfassten Waren (Hardware, Software und Technologie) eine Ausfuhrgenehmigung für den Export nach Großbritannien benötigen. Anhang I umfasst Tausende von unterschiedlichsten Waren: von bestimmten Chemikalien oder Werkstoffen über Halbleiter bis hin zu Kugellagern oder Drehbänken. Ist das in der Politik noch nicht aufgegriffen worden?Die Bundesregierung hat aber Vorsorge getroffen und eine Allgemeine Genehmigung geschaffen: Für den Fall des harten Brexit können deutsche Exporteure diese Allgemeine Genehmigung nutzen, die speziell auf den Export von Dual-Use-Gütern nach Großbritannien abstellt (die sog. AGG 15). Diese verlangt lediglich, dass Unternehmen über den Umfang der Nutzung der Genehmigung halbjährlich rückwirkend an das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle berichten. Zunächst müssen Exporteure aber wissen, welche ihrer Güter unter die Dual-Use-Verordnung fallen. Insbesondere solche Unternehmen, die ausschließlich Kundenbeziehungen in der EU unterhalten, werden hier vor eine Herausforderung gestellt, da die Klassifizierung der Waren für reines EU-Geschäft bislang nicht erforderlich war. Diese Klassifizierung ist alles andere als banal und sollte rechtzeitig in Angriff genommen werden. Wie läuft bislang die Exportkontrolle für diese Produkte?Sämtliche Exporte von Dual-Use-Gütern in andere als EU-Mitgliedstaaten bedürfen einer Ausfuhrgenehmigung. Innerhalb der EU gilt aber der Grundsatz des freien Austauschs von Gütern, auch Dual-Use-Gütern. Das heißt, bislang ist der Warenverkehr – mit ganz wenigen Ausnahmen – genehmigungsfrei. Das wird sich auf jeden Fall ändern – sowohl im Fall eines harten Brexit, aber auch bei Einigung auf ein Austrittsabkommen. Welche Regimes könnten nach dem Brexit greifen?Nach dem Brexit gelten die internationalen Exportkontrollregimes weiter. Diese Regimes sind etwa das Wassenaar Arrangement, das vor allem der Feststellung von zu kontrollierenden (Dual-Use)-Gütern dient. An diesen Regimes nehmen die Mitgliedstaaten als Einzelstaaten teil. Der Austritt Großbritanniens aus der EU ändert daran also nichts. Im Rahmen dieser Regimes werden dann die nationalen Kontrollen geschaffen – im Fall der EU auf EU-weiter Basis durch die Dual-Use-Verordnung. Diese gilt dann für Großbritannien nicht mehr, und Großbritannien muss sich überlegen, auf welche Weise es den Regimes Rechnung tragen möchte. Das Einfachste wäre, diese eins zu eins in das nationale Recht Großbritanniens zu übernehmen. Und selbstverständlich hat auch Großbritannien die Möglichkeit, mit Allgemeinen Genehmigungen die Exporte in die EU zu privilegieren. Auf welche Beschränkungen stellen sich die Unternehmen ein?Mit Hilfe der Allgemeinen Genehmigungen wird der Handel mit Großbritannien in Bezug auf Dual-Use-Güter weitergehen. Die Hauptthemen werden sein, die Nutzung der Allgemeinen Genehmigungen so zu organisieren, dass nicht gegen deren Nutzungsbedingungen verstoßen wird. So gilt die Allgemeine Genehmigung nicht, wenn die Güter für Herstellung oder Betrieb von Kernwaffen oder Kernsprengkörpern bestimmt sein können. Außerdem müssen die Dual-Use-Güter zuverlässig klassifiziert werden, damit klar ist, für welche Exporte die Allgemeine Genehmigung in Anspruch genommen werden muss. Kann es auch in Zukunft ein einheitliches Sanktionsregime geben?Davon ist absolut auszugehen. Die Sanktionsregimes haben ihre Rechtsquelle in internationalen Abkommen mit den einzelnen EU-Mitgliedsländern als Signatarstaaten. Dabei bleibt es im Grundsatz. Die Umsetzung in national verbindliches Recht obliegt dann nach dem Brexit Großbritannien als Signatarstaat allein. Stephan Müller ist Partner im Kölner Büro von Oppenhoff & Partner. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.