Britische Batterieproduktion kommt nur schleppend voran
Elektroauto-Batterieproduktion verzweifelt gesucht
Britishvolt steht auf der Kippe – Wachsende Abhängigkeit von China befürchtet – Cornish Lithium sichert sich Finanzierung
hip London
Von Andreas Hippin, London
Großbritannien hat ein Problem mit dem Umstieg auf Batterieautos. Es fehlt an Batterien aus heimischer Produktion. Immerhin, das Bergbauunternehmen Cornish Lithium hat sich einen zweistelligen Millionenbetrag gesichert und könnte für mehr Unabhängigkeit von importierten Batterierohstoffen sorgen.
Der britische Premierminister Rishi Sunak hat zwar mit der Ansiedlung der europäischen Gigafactory für Elektroauto-Batterien der indischen Tata Group in Somerset einen Überraschungscoup gelandet. Doch fehlt es weiterhin an Produktionskapazitäten, um den erwarteten Bedarf der heimischen Autohersteller zu decken. Ab 2030 dürfen im Vereinigten Königreich keine Pkw mit Verbrennungsmotor mehr verkauft werden. Es gibt bislang nur ein Werk von AESC, einer Tochter der chinesischen Envision Energy, in der Nähe des Nissan-Werks im nordenglischen Sunderland. Die Gruppe aus der Volksrepublik hatte AESC 2018 von Nissan erworben. Nun spielt sie offenbar auch beim Projekt von Tata in Großbritannien, das von der britischen Regierung mit 500 Mill. Pfund gefördert wird, eine wesentliche Rolle. Es soll ausreichend Batterien produzieren, um nicht nur die Tata-Tochter Jaguar Land Rover zu beliefern, sondern die Hälfte der bis 2030 benötigten Elektrofahrzeuge damit auszustatten. „Autocar Professional“ zufolge dürfte sich AESC als weltweiter Zulieferer für Tata gegen Wettbewerber wie LG Chem und CATL durchsetzen. Wie die „Financial Times“ berichtete, wird das Unternehmen die Technologie für die erste Generation von Batterien zur Verfügung stellen, die in Somerset produziert werden sollen. Zudem werde AESC ab 2025 Batterien für elektrische Modelle von Jaguar liefern – vermutlich aus dem Werk in Sunderland. Damit deutet sich eine gefährliche Abhängigkeit von China bei der Elektrifizierung des Straßenverkehrs an, die in den Reihen der regierenden Konservativen auf Widerstand stoßen dürfte.
“Grüne” Wachstumsstrategie
Ende Juni legte der britische Autoverband SMMT eine „grüne“ Wachstumsstrategie vor, mit deren Hilfe die Batterieautoproduktion bis 2030 auf mehr als 750.000 Fahrzeuge verzehnfacht werden könnte. Dafür müsste die Regierung richtig Geld in die Hand nehmen. Dazu zeigte sie sich bislang aber wenig bereit. Sunaks Vorgänger Boris Johnson hatte das Start-up Britishvolt zum Beleg dafür hochgejazzt, dass Großbritannien der Platz an der Spitze der weltweiten grünen industriellen Revolution zukomme. Angestrebt wurde eine Produktion von 300.000 Einheiten – genug, um jedes vierte in Großbritannien verkaufte Auto damit auszustatten. Grüne Elektrizität aus Norwegen, über das längste Unterseestromkabel der Welt geliefert, sollte die Fabrik im nordenglischen Blyth antreiben. Dort sollten 3.000 Menschen Arbeit finden, weitere 5.000 Jobs erhoffte man sich bei Zulieferern und Dienstleistern. Von der britischen Regierung versprochene 100 Mill. Pfund flossen jedoch nie, weil dafür festgelegte Meilensteine nicht erreicht wurden. Das Unternehmen verabschiedete sich im Januar in die Zahlungsunfähigkeit.
Das australische Start-up Recharge Industries stieg zum Schnäppchenpreis von 8,57 Mill. Pfund ein, hat aber den Britishvolt-Verwaltern von EY zufolge die letzte Zahlung, die am 5. April fällig gewesen wäre, noch nicht geleistet. Ende Juni stattete die australische Polizei Scale Facilitation, dem New Yorker Investmentfonds hinter Recharge Industries, einen Besuch ab. Bei der Razzia ging es um den Vorwurf der Steuerhinterziehung, angeblich ein Missverständnis, das sich aus dem Zusammenspiel von australischen und US-Steuererklärungen ergeben habe. Recharge sieht sich nicht im Zahlungsverzug und geht davon aus, die Britishvolt-Übernahme noch in diesem Monat abschließen zu können. Wenn es dazu kommen sollte, wird das nicht zu einer Schließung der Produktionslücke bei Elektroauto-Batterien führen. Denn Recharge will in Blyth Batterien für die Energiespeicherung herstellen, später dann für Sportwagen.
Immerhin, Cornish Lithium hat bei einer von der UK Infrastructure Bank geführten Finanzierungsrunde mehr als 53 Mill. Pfund eingesammelt. Das Bergbauunternehmen will dazu beitragen, die Abhängigkeit von importiertem Lithium zu reduzieren. Unter anderem beteiligten sich die Private-Equity-Gesellschaft EMG (Energy & Minerals Group) und Techmet, das Investmentvehikel des Südafrikaners Brian Menell, dessen Großvater zu den Gründern des Bergbaukonzerns Anglovaal gehörte. Ein bis zu 6,9 Mill. Pfund schweres Angebot für Kleinanleger via Crowdcube soll folgen. Cornish Lithium will jährlich 8.000 Tonnen Lithiumhydroxid produzieren. Wie im tschechischen Erzgebirge ist das Lithium in Cornwall in Granit eingelagert. Der Lithiumgehalt ist weit niedriger als der des in Westaustralien geförderten Erzes, das in China bei hohen Temperaturen mit Kohle geröstet wird. Einfacher könnte die Verarbeitung lithiumhaltiger Solen sein. Abgesehen davon, dass Lithium aus Cornwall nicht um die Welt verschifft werden müsste, könnte eine effizientere Extraktion dazu beitragen, dass sich der CO2-Fußabdruck des Batterierohstoffs verkleinert.