Brüssel plant grüne Wasserstoffrevolution
Von RWE und Uniper in Elektrolyseanlagen mit Ökostrom produzierter Wasserstoff soll die Kohle und den Diesel in den Hochöfen von Salzgitter und Thyssenkrupp und in den Lastwagen von Daimler ablösen. Für diese zweite Energiewende will die EU-Kommission laut Strategieentwurf Milliardenbeträge ausgeben.cru Frankfurt – In zwei Wochen stellt die EU-Kommission ihre Förderstrategie für Wasserstofftechnologien vor, die fossile Energieträger in der Industrie und im Verkehr verdrängen sollen. Am 8. Juli wird dazu in Brüssel die “Clean Hydrogen Alliance” gestartet – eine Allianz der Regierungen und der Unternehmen, die an der Produktion, der Verteilung und dem Verbrauch von sogenanntem grünem Wasserstoff aus Wind- und Sonnenstrom beteiligt sind. Es geht um – teilweise staatlich finanzierte – Investitionen von ungefähr 180 Mrd. Euro bis 2050, die rund eine Million Arbeitsplätze schaffen könnten.Das geht aus dem Entwurf der EU-Wasserstoffstrategie hervor, der der Börsen-Zeitung vorliegt. “Die Zahl der Länder im Hydrogen Council (Wasserstoffrat) hat sich seit 2017 von 13 auf 60 erhöht. Viele Signale deuten darauf hin, dass wir uns nahe dem Wendepunkt befinden”, beschreiben die Brüsseler Strategen die Situation vor der erwarteten zweiten Energiewende zur Verdrängung fossiler Energieträger.Dem Papier zu Folge besteht das Ziel der EU-Strategie in der ersten Phase von 2020 bis 2024 darin, die Produktion von einer Million Tonnen “grünen” Wasserstoffs aus erneuerbaren Energien zu fördern. Dafür werden bis dahin mindestens 4 Gigawatt Wasserstoff-Elektrolysekapazitäten installiert, um die bestehende “blaue” Wasserstoffproduktion aus Erdgas und Kohle zu dekarbonisieren, zum Beispiel in der Chemieindustrie, etwa bei BASF. Für Hochöfen und LastwagenErleichtert werden soll die Einführung des Wasserstoffverbrauchs in neuen Endanwendungen – etwa in Hochöfen der Stahlindustrie und im Schwerlastverkehr. Salzgitter kooperiert dazu mit Uniper und Thyssenkrupp mit RWE. “Dies wird den Ausstoß von Treibhausgasen im Hinblick auf die erhöhten Klimaziele bis 2030 kurzfristig reduzieren und die Endverbrauchssektoren auf die zukünftige Nachfrage vorbereiten”, heißt es in der Strategie der EU-Kommission, die unter anderen an den Europäischen Rat versendet wurde.In einer zweiten Phase, von 2025 bis 2030, soll Wasserstoff zu einem festen Bestandteil eines integrierten Energiesystems werden, dessen Strategie darauf abzielt, bis 2030 rund 10 Mill. Tonnen grünen Wasserstoff zu erzeugen und dazu 40 Gigawatt Elektrolysekapazitäten zu errichten.”In dieser Phase wird Wasserstoff aus erneuerbaren Energien allmählich gegenüber anderen Formen der Wasserstoffproduktion kostenmäßig wettbewerbsfähig werden, und die industrielle Nachfrage sollte allmählich neue Anwendungen einschließen, einschließlich der Stahlherstellung und im Transportsektor über Lkw hinaus bis hin zu Schifffahrtsanwendungen.” Wasserstoff soll auch für die tägliche oder saisonale Speicherung von überschüssigem Wind- und Sonnenstrom als Backup verwendet werden. So werde Wasserstoff auch Pufferfunktionen übernehmen, wodurch die Versorgungssicherheit erhöht werde.Europa plant, seine Konjunkturprogramme mit der Reduzierung von CO2 zu verknüpfen. Grüner Wasserstoff, der durch erneuerbare Energien gewonnen wird, soll dabei eine Schlüsselrolle spielen. Das gilt neben Deutschland und fast allen anderen EU-Ländern auch für China, Südkorea und Japan. Analysten schätzen dem EU-Papier zufolge, dass grüner Wasserstoff bis 2050 rund 24 % des weltweiten Energiebedarfs decken könnte, mit einem Jahresumsatz zwischen 200 Mrd. und 700 Mrd. Euro. “Allerdings ist sauberer Wasserstoff heute noch nicht kostenmäßig wettbewerbsfähig und wesentlich teurer als Wasserstoff auf fossiler Basis.” Viel Ökostrom nötigBis 2050 schätzt die EU-Kommission den Investitionsbedarf auf 50 Mrd. bis 200 Mrd. Euro – “abhängig davon, wie groß die heimische (nicht außerhalb der EU angesiedelte) Wasserstoffproduktion aus erneuerbaren Energien ausfällt”. Zu den unmittelbaren Profiteuren dieser riesigen Investitionen würde etwa der Industriegasehersteller Linde gehören, dessen Vorstandschef Steve Angel das Geschäft mit grünem Wasserstoff massiv ausbauen will.Linde macht laut Angel schon heute mehr als 2 Mrd. Dollar Umsatz mit der Produktion, dem Vertrieb, der Speicherung und der Anwendung von Wasserstoff. Angesichts der von Linde erwarteten Investitionsvorhaben von mehr als 100 Mrd. Dollar rechnet der Konzern damit, dass sich das unternehmenseigene Wasserstoffgeschäft in Zukunft vervierfachen könnte. Gerade bei großen Transportmitteln wie Lastwagen, Zügen, Fähren und Bussen werde sich Wasserstoff zuerst durchsetzen – als Alternative zur schwierigeren Elektrifizierung.