Bund prüft milliardenschweren Einstieg bei Tennet
cru Frankfurt – Deutschland und die Niederlande streben für ihre Stromnetze eine stärkere Zusammenarbeit an. Die Bundesregierung prüft eine potenziell milliardenschwere Beteiligung am Stromnetzbetreiber Tennet. Dazu unterzeichneten beide Länder am Dienstag eine Absichtserklärung. Darin wird die Absicht zum Ausdruck gebracht, “die Optionen bezüglich Investitionen und Beteiligungen seitens Deutschlands und der Niederlande (als Tennet-Mehrheitseigentümer) bei Tennet zu prüfen und ein gemeinsames Vorgehen zur Stärkung der Kapitalbasis von Tennet zu entwickeln”. Von einer Kapitalspritze über 2 Mrd. bis 3 Mrd. Euro ist in der Branche die Rede.Die Erklärung bedeutet noch nicht, dass Deutschland tatsächlich Anteile der Tennet Deutschland erwirbt. Doch eine Schlüsselposition nimmt das Unternehmen ein. Tennet ist der größte deutsche Übertragungsnetzbetreiber und hat eine wichtige Rolle beim Ausbau der Stromnetze im Zuge der Energiewende. “Tennet, derzeit im Eigentum des niederländischen Staates, ist sowohl in den Niederlanden als auch in Deutschland tätig und spielt als wichtiger Übertragungsnetzbetreiber bei der Erreichung der Ziele im Rahmen der Energiewendekonzepte der beiden Länder eine wesentliche Rolle”, hieß es in der Mitteilung des Bundeswirtschaftsministeriums. Der niederländische Staat will sich von Tennet-Anteilen in Deutschland trennen, weil in den nächsten Jahren hohe Milliardenkosten für den Netzausbau anstehen. Erhebliche zusätzliche MittelIn der Erklärung wird es als wahrscheinlich bezeichnet, dass für die geplanten Investitionen von Tennet in das deutsch-niederländische Netz erhebliche zusätzliche Mittel bis 2029 erforderlich seien. In Deutschland gibt es insgesamt vier Netzbetreiber. Neben Tennet sind dies die Elia-Tochter 50Hertz in Berlin, die Ex-RWE-Tochter Amprion in Dortmund und die EnBW-Tochter Transnet BW in Stuttgart.Der Ausbau der Netze von Tennet in Deutschland spielt eine wichtige Rolle bei der Energiewende. Es sollen Tausende Kilometer neuer Stromleitungen gebaut werden, damit der vor allem im Norden produzierte Windstrom zu großen Industriezentren im Süden und Südwesten transportiert werden kann. Die Zusammenarbeit mit den Niederlanden sollte hier einen positiven Impuls bringen, sagte Bundesfinanzminister Olaf Scholz.Deutschland ist bereits am Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz über die Staatsbank KfW beteiligt. Damit wurde der Einstieg eines chinesischen Investors verhindert.Eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums sagte, die Absichtserklärung sei der Anfang eines Prozesses. “Im laufenden Prozess sollen die verschiedenen Optionen bezüglich Investitionen und Beteiligung erörtert werden. Eine abschließende Entscheidung ist mit der Absichtserklärung noch nicht getroffen.”Tennet hatte 2010 das deutsche Übertragungsnetz von Eon übernommen – das größte hierzulande. Für die Energiewende mit deutlich mehr Ökostrom müssen die Trassen modernisiert und ausgebaut werden. Allein in Deutschland geht Tennet bis 2030 von Investitionen von insgesamt 23 Mrd. Euro aus, in den Niederlanden von 12 Mrd. Euro. Hinter den Kulissen hat ein Ringen in Politik und Wirtschaft darum eingesetzt, wer die großen Netzbetreiber mit Geld versorgt. Immerhin handelt es sich um “kritische Infrastruktur”. Einen ersten Eindruck davon, wie brisant die Bundesregierung das Thema einschätzt, erhielt die Öffentlichkeit, als der staatliche chinesische Netzkonzern State Grid of China bei 50Hertz einsteigen und dazu das Aktienpaket eines australischen Infrastrukturfonds erwerben wollte. Kritische InfrastrukturDie Bundesregierung schob der Transaktion einen Riegel vor. Erst musste der belgische Mutterkonzern Elia einen 50Hertz-Anteil übernehmen, dann erhielt die KfW die Anweisung, ein weiteres zum Verkauf stehendes Paket zu erwerben, das die Staatsbank noch immer hält.Ein erstes öffentliches Eigentum an den Netzen gibt es also schon – und der Anteil oder zumindest der Einfluss des Staates könnte größer werden. Ähnlich hoch wie bei Tennet sieht der Kapitalbedarf bei Amprion aus, die rund 2 Mrd. Euro braucht. – Wertberichtigt Seite 8