RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: NILS MEYER-SANDBERG

Bundesfinanzhof akzeptiert "Goldfinger-Modelle"

Zwei Urteile billigen Steuergestaltung gegen den Willen der Finanzverwaltung

Bundesfinanzhof akzeptiert "Goldfinger-Modelle"

– Herr Meyer-Sandberg, der Bundesfinanzhof (BFH) hat in zwei Urteilen die von der Finanzverwaltung bis zuletzt vehement bekämpften “Goldfinger-Modelle” akzeptiert. Was ist der Hintergrund?Bei Steuergestaltung war es möglich, durch einen in einer ausländischen (z.B. britischen) Gesellschaft kurzfristig um den Jahreswechsel betriebenen Goldhandel die deutsche Steuerbelastung auf das gesamte zu versteuernde Einkommen eines Veranlagungsjahres dauerhaft bis auf “null” zu reduzieren.- Das hört sich nach Alchemie an.Die Steuerpflichtigen machen sich zunutze, dass im Rahmen einer Einnahmen-Überschuss-Rechnung die Anschaffung von Gegenständen des Umlaufvermögens wie z.B. Gold im Fall eines gewerblich betriebenen Goldhandels als Betriebsausgabe sofort abzugsfähig war, so dass im Anschaffungsjahr ein entsprechend hoher Verlust entstand. Erst im nächsten Jahr, in dem das Gold wieder verkauft wurde, führten die entsprechenden Betriebseinnahmen zu einem Gewinn. Beide Vorgänge hatten, wenn der An- und Verkauf in einer ausländischen Personengesellschaft betrieben wurde, nur mittelbar Auswirkungen auf die Besteuerungssituation in Deutschland, da die erzielten ausländischen Einkünfte nach dem mit dem Ansässigkeitsstaat der ausländischen Gesellschaft bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen in Deutschland von der Besteuerung freigestellt waren. Das deutsche Einkommensteuergesetz bezieht die freigestellten Einkünfte, gleich ob sie positiv oder negativ sind, jedoch bei der Ermittlung des anzuwendenden Steuersatzes ein (sog. Freistellung unter Progressionsvorbehalt).- In welchen Situationen wurde diese Gestaltung eingesetzt?Hatte zum Beispiel ein Unternehmer in Deutschland sein Unternehmen mangels geeignetem familieninternen Nachfolger veräußert, konnte er die hohe Steuerlast auf den Veräußerungsgewinn vermeiden, indem er noch im selben Jahr in Höhe des steuerpflichtigen Veräußerungsgewinns Gold in einer von ihm gehaltenen britischen General Partnership erwarb und im nachfolgenden Wirtschaftsjahr wieder veräußerte. Im ersten Jahr hatte er aus der Unternehmensveräußerung einen hohen steuerpflichtigen Gewinn erzielt, dem jedoch ein entsprechend hoher Verlust aus der britischen General Partnership gegenüberstand. Für die Bestimmung des anzuwendenden Steuersatzes auf den Veräußerungsgewinn ergab sich damit nach Saldierung ein Steuersatz von “null Prozent” (negativer Progressionsvorbehalt). Dieser Effekt kehrte sich im Folgejahr, als das Gold verkauft wurde, jedoch nicht um.- Warum nicht?Die Einnahmen aus dem Goldverkauf hatten auf die Ermittlung des deutschen Steuersatzes keine Auswirkungen, da der Steuerpflichtige in dem Jahr entweder keine steuerpflichtigen Einkünfte, nur der Abgeltungsteuer unterliegende Einkünfte hatte oder Einkünfte, auf die bereits der Spitzensteuersatz Anwendung fand, so dass die Berücksichtigung der ausländischen Einnahmen insoweit keine steuersatzerhöhende Wirkung (positiver Progressionsvorbehalt) entfalten konnte.- Funktionieren solche Goldfinger-Modelle noch immer?Der Gesetzgeber hat bereits 2013 reagiert. Die Goldfingermodelle funktionieren seitdem nicht mehr. Seither sind im Rahmen der Einnahmen-Überschuss-Rechnung u.a. die Anschaffungs- und Herstellungskosten für Umlaufvermögen nicht mehr sofort, sondern erst im Zeitpunkt des Zuflusses des Veräußerungserlöses abziehbar.- Was bedeuten die Urteile für bisher umgesetzte Goldfinger-Modelle und andere, künftige Steuergestaltungen?Steuerpflichtige, die die GoldfingerModelle vor der Gesetzesänderung umgesetzt haben, können vor dem Hintergrund der beiden BFH-Urteile zuversichtlich sein, dass der beabsichtigte Steuereffekt, notfalls gerichtlich, durchgesetzt werden kann. Auch wenn der Gesetzgeber durch die Gesetzesänderung erneut eine unerwünschte Steuergestaltung unterbunden hat, wird der Steuerpflichtige auch weiterhin nach Wegen suchen, seine Steuerlast zu minimieren. Dass dies im Rahmen der Gesetze legitim ist, hat der BFH stets betont und durch seine Entscheidung, die Goldfinger-Modelle zu akzeptieren, bestätigt.—-Dr. Nils Meyer-Sandberg ist Partner von BRL Boege Rohde Luebbehuesen in Hamburg. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.