Bundesfinanzhof kippt Sanierungserlass auch für Altfälle
Von Tino Duttiné *)Der sogenannte Sanierungserlass, mit dem in die Krise geratene Unternehmen bei einem Forderungsverzicht der Gläubiger steuerlich entlastet werden, darf auch auf Altfälle nicht angewendet werden. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) gerade entschieden (Az.: I R 52/14 und X R 38/15).Das Urteil hat gravierende Auswirkungen für Unternehmen, finanzierende Banken und Investoren. Für laufende wie auch für abgeschlossene Sanierungen entsteht große Rechtsunsicherheit. Fraglich ist, ob sich ursprünglich Begünstigte zumindest noch auf erteilte verbindliche Auskünfte der Finanzverwaltung zum Sanierungserlass stützen können. KernbestandteilDer Forderungsverzicht ist ein Kernbestandteil vieler Sanierungen. Erlässt ein Gläubiger einen Teil der Forderung, mindern sich beim Schuldner die Verbindlichkeiten. Hierdurch steigt das Reinvermögen, es entsteht ein grundsätzlich steuerpflichtiger Sanierungsgewinn. Müsste der Schuldner die Steuer tatsächlich bezahlen, würde das seine Liquidität massiv belasten und die sanierende Wirkung des Forderungsverzichts untergraben.Bislang sah das auch die Finanzverwaltung so. Mit Hilfe des Sanierungserlasses konnten die Finanzämter auf Antrag die Steuern für die Sanierungsgewinne zunächst stunden und letztlich ganz erlassen. Eine zusätzliche Belastung des Unternehmens wurde vermieden. Der Fiskus trug damit zur Rettung des Unternehmens bei.Vor 20 Jahren wurde die gesetzliche Regelung abgeschafft, die Sanierungsgewinne privilegierte. Mittels einer Verwaltungsanweisung wurde im Jahr 2003 die alte Rechtslage im Wesentlichen wiederhergestellt. Früh gab es Kritik, dass die Finanzverwaltung sich außerhalb ihrer Kompetenzen befinde, sich als Ersatzgesetzgeber aufspiele. Inhaltlich waren die Altregelung und der Sanierungserlass stets sinnvolle und notwendige Instrumente der Unternehmenssanierung. Schnelle Lösung gesuchtIm Februar 2017 stufte der Große Senat des BFH aber den Sanierungserlass als Verstoß gegen die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung ein. Die Richter betonten, dass es dem Gesetzgeber vorbehalten sei, pauschale Kriterien zur steuerlichen Begünstigung von Sanierungsgewinnen zu definieren. Die Wirtschaft appellierte in der Folge an die Bundesregierung, schnell eine gesetzliche Regelung zu treffen.Für Altfälle, also Sanierungen, welche auf Wertung der Aussagen des Sanierungserlasses durchgeführt wurden, entstand Unsicherheit. Das Bundesfinanzministerium (BMF) ordnete entsprechend mit Erlass vom 27. April 2017 an, in den Fällen, in denen der Forderungsverzicht bis zum 8. Februar 2017 endgültig vollzogen worden sei, den Sanierungserlass weiterhin uneingeschränkt anzuwenden.Nun hat der BFH auch diese Brücke zum Einstürzen gebracht. Es nutzt nichts, dem Gesetzgeber Untätigkeit vorzuwerfen; auch wenn sowohl die unsichere Rechtslage als auch die drohenden Konsequenzen hinlänglich bekannt waren.Welches Unheil droht nun durchgeführten Forderungsverzichten? Wurde die Sanierungsmaßnahme mit einer verbindlichen Auskunft abgesichert, sollte der Fiskus daran gebunden sein. Auch ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann nur für die Zukunft zurückgenommen werden. Ausnahmen, welche Unredlichkeit oder Kenntnis der Rechtslage beim Steuerpflichtigen voraussetzen, liegen zumindest bis zur Veröffentlichung der Entscheidungen kaum vor.Wurde keine verbindliche Auskunft erteilt, wird es schwieriger. Die Finanzverwaltung ist nicht durch eine vorherige Aussage gebunden. Gleichzeitig verlangt der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit und Gleichheit des Steuervollzugs die Beachtung des Rechts. Dem BFH ist also zu folgen.Betroffene müssen jedoch fragen, ob die allgemeinen Voraussetzungen für Stundung bzw. Verzicht von Steuern nicht erfüllt sind. Kommt man zum gleichen steuerlichen Ergebnis, wenn man den Sanierungserlass nicht anwenden würde, sollte man auf der sicheren Seite sein. Bei einem negativen Ergebnis sieht es nicht so gut aus. Es stellt sich die Frage nach einer Rückstellung. Dies schlägt aber auf die Finanzkennzahlen durch und kann etwa Kreditbedingungen und Ratings negativ beeinflussen. Auch die Frage nach hinreichender Liquidität stellt sich. LichtblickEinen Lichtblick bildet die Tatsache, dass der Gesetzgeber bereits eine Neuregelung für künftige Fälle beschlossen hat. Sie wird jedoch erst wirksam, wenn die EU-Kommission bestätigt hat, dass es sich nicht um eine unzulässige Beihilfe handelt. So möchte man neue Unsicherheiten vermeiden. Das ist begrüßenswert. Hätte man früher reagiert, wäre das Problem geringer. Der Erfolg von Sanierungen ist im gesamtwirtschaftlichen Interesse. Die Europäische Kommission sollte schnell dazu beitragen, die Rechtssicherheit wiederherzustellen.—-*) Tino Duttiné ist Partner in der Steuerrechtspraxis von Norton Rose Fulbright in Frankfurt.