RECHT UND KAPITALMARKT

Bundesgerichtshof bleibt streng beim Thema Vorstandsverantwortung

Erstattung von Strafzahlungen nur mit Zustimmung der Hauptversammlung

Bundesgerichtshof bleibt streng beim Thema Vorstandsverantwortung

Von Ferdinand Fromholzer *)Vor kurzem hat das Urteil des LG München I zur Haftung des ehemaligen Siemens-Vorstands Neubürger hohe Wellen geschlagen. Jetzt zeigt sich der Bundesgerichtshof (BGH) in einer aktuellen Entscheidung ebenfalls streng: Will eine Gesellschaft einem Vorstandsmitglied eine Strafzahlung erstatten, die in Zusammenhang mit seinem Vorstandshandeln steht, muss grundsätzlich die Hauptversammlung zustimmen. Während derzeit vielfach Ansätze zu einer Entschärfung und Flexibilisierung der Vorstandshaftung diskutiert werden, lässt das BGH-Urteil keine entsprechenden Tendenzen erkennen.Im aktuellen Fall ermittelte die Staatsanwaltschaft gegen ein Vorstandsmitglied wegen Betruges, Untreue, Bilanzfälschung und Insolvenzverschleppung. Der Aufsichtsrat hielt die Vorwürfe für unberechtigt. Im Rahmen des Aufhebungsvertrages vereinbarte er daher mit dem Vorstandsmitglied, dass aus dem Ermittlungsverfahren eventuell entstehende Geldsanktionen von der Gesellschaft übernommen würden. Damit sollte ein Anreiz für den Vorstand geschaffen werden, einer Einstellung des Strafverfahrens gegen Bezahlung einer Geldauflage zuzustimmen. Als dies so erfolgte, verlangte das ehemalige Vorstandsmitglied Ersatz der Auflage.Die Richter entschieden, dass der Aufsichtsrat eine solche Zusage nicht wirksam abgeben kann, wenn die geahndete Handlung möglicherweise auch eine Pflichtverletzung gegenüber der Gesellschaft darstellt. In diesem Fall sei die Zusage nur mit Zustimmung der Hauptversammlung und erst nach einer Dreijahresfrist wirksam möglich. Das Gericht wendet damit auf Erstattungszusagen die Grundsätze entsprechend an, die nach dem Aktiengesetz für einen Verzicht auf Schadenersatzansprüche gegen Vorstandsmitglieder gelten: In beiden Fällen, sowohl beim Verzicht auf Ansprüche als auch bei einer Erstattung von Strafzahlungen, werde ein Schaden, der eigentlich von dem Vorstandsmitglied zu tragen ist, wirtschaftlich von der Gesellschaft übernommen. Daher müssten beide Fälle gleich behandelt werden.Dabei wird jedoch nicht berücksichtigt, dass bei der Verfolgung von Schadenersatzansprüchen gegenüber Vorstandsmitgliedern tatsächlich größere Spielräume für den Aufsichtsrat bestehen, selbst im Interesse der Gesellschaft zu entscheiden. GestaltungsspielraumIn der Praxis spielt nämlich der endgültige formale Verzicht auf Ansprüche häufig nicht die zentrale Rolle. Vielmehr entscheidet der Aufsichtsrat regelmäßig bereits im Vorfeld, ob es im Interesse der Gesellschaft ist, Ansprüche gegen den Vorstand geltend zu machen oder nicht. Dabei ist er nach dem strengen Maßstab der sogenannten Arag/Garmenbeck-Rechtsprechung des BGH zwar grundsätzlich zur Geltendmachung verpflichtet, darf jedoch, wenn besondere Interessen der Gesellschaft dagegensprechen, ausdrücklich auch davon absehen. Gerade dieser Gestaltungsspielraum wurde in der aktuellen Diskussion wiederholt als mögliches Instrument für eine Flexibilisierung der Vorstandshaftung ins Spiel gebracht.Bei der Zusage, Strafzahlungen zu erstatten, will der BGH dem Aufsichtsrat diesen Spielraum nicht zugestehen. Dafür gibt es gute dogmatische Argumente, insbesondere dass eine Erstattungszusage – anders als das Absehen von der Verfolgung von Ansprüchen – so endgültig ist wie ein Verzicht. Zwingend aber ist dieses Argument nicht, denn die Endgültigkeit der Regelung ist in der Praxis regelmäßig nicht die entscheidende Frage. Auch bei Erstattungszusagen sind Situationen denkbar, in denen eine geräuschlose Beilegung durch Übernahme der Strafzahlung und Einstellung des Verfahrens den Interessen der Gesellschaft besser dient als eine öffentliche Untersuchung der Vorwürfe mit ungewissem Ausgang. Dann kann der wirtschaftliche Schaden durch Reputationsverlust, etwa in Form von Umsatzeinbußen, schnell über den Betrag einer Geldauflage hinausgehen.Freilich darf sich der Aufsichtsrat diese Entscheidung nicht leichtmachen, und es wird in vielen Fällen auch umgekehrt ein Interesse an lückenloser Aufklärung von Fehlverhalten geben, etwa um ein nachhaltiges Compliance-System zu gewährleisten. Bei der Erstattung von Strafzahlungen gibt der BGH dem Aufsichtsrat aber – anders als beim Verfolgen von Schadenersatzansprüchen – erst gar keine Gelegenheit, diese Abwägung zu treffen.Der BGH hat die Entscheidung nicht genutzt, um einen Impuls zugunsten der Flexibilisierung und eigenverantwortlichen Abwägung des Aufsichtsrats bei Fragen der Vorstandsverantwortung zu setzen. Vielmehr hat er streng dogmatisch entschieden. Nach dieser Entscheidung wird für Erstattungszusagen nur ein enger Anwendungsbereich bleiben. Sie entmutigt außerdem Aufsichtsräte, bei Fragen der Vorstandshaftung eine Abwägung im Interesse der Gesellschaft vorzunehmen. Das aber wäre hilfreich gewesen, um einer Tendenz entgegenzuwirken, dass Aufsichtsräte aus Sorge vor eigener Haftung jegliche Ansprüche gegen den Vorstand im Zweifel “ohne Rücksicht auf Verluste” verfolgen.—-*) Dr. Ferdinand Fromholzer ist Partner im Münchener Büro von Freshfields Bruckhaus Deringer.