RECHT UND KAPITALMARKT

Bundesgerichtshof verunsichert im Transaktionsgeschäft

Begründet Mitverkauf von Gesellschafterdarlehen Haftung im Insolvenzfall?

Bundesgerichtshof verunsichert im Transaktionsgeschäft

Von Julian Lemor *)Bei Unternehmenstransaktionen ist es üblich, Forderungen aus Gesellschafterdarlehen gegen die Zielgesellschaft zusammen mit den Geschäftsanteilen an den Erwerber zu verkaufen. Diese Praxis erweist sich als für alle Beteiligten interessengerecht: Der Erwerber möchte die liquiden Mittel der Gesellschaft nicht durch Darlehensrückzahlungen an Dritte aufzehren und dadurch die Handlungsfähigkeit einschränken. Der Verkäufer will seine Gesellschafterstellung vollständig aufgeben und nicht länger Kreditgeber sein. Daneben möchte er sich des Haftungsrisikos entledigen, denn das Insolvenzrecht ermöglicht eine Anfechtung von Darlehensrückzahlungen, falls binnen eines Jahres danach das Insolvenzverfahren eröffnet wird.Bislang ging die Transaktionsbranche davon aus, dass Mitverkauf und -abtretung von Gesellschafterdarlehen die volle Entlastung des Veräußerers von der insolvenzrechtlichen Nachhaftung bewirken. Anders könnte dies der Bundesgerichtshof (BGH) sehen. In seiner Grundsatzentscheidung (Urteil vom 21.02.2013, Az.: IX ZR 32/12) hat der BGH eine selbstständige, insolvenzrechtliche Haftung des Veräußerers einer Gesellschafterdarlehensforderung ausdrücklich zugelassen. Veräußerer und Erwerber hafteten als Gesamtschuldner. Erstattungsanspruch bejahtDie Brisanz liegt darin, dass der BGH den Erstattungsanspruch des Insolvenzverwalters gegen den Veräußerer bejaht hat, obwohl die Zielgesellschaft das Gesellschafterdarlehen nicht an ihn, sondern an den Erwerber zurückführte. Der Verkäufer wurde so zur Rückzahlung verurteilt, obwohl er weder Inhaber der Forderung war noch die Darlehensvaluta erhalten hatte.Es ist fraglich, ob das Urteils auf Transaktionen übertragbar ist. Bei einem Unternehmenskauf wären neben der Forderung auch die Geschäftsanteile übertragen worden, so dass der Gläubiger des Gesellschafterdarlehens neuer Gesellschafter geworden wäre. Der vom BGH entschiedene Fall war anders gelagert: Da das Gesellschafterdarlehen isoliert verkauft wurde, war dessen Gläubiger ein gesellschaftsfremder Dritter geworden, während die Eigentumsverhältnisse der Gesellschaft unverändert blieben. Der BGH hat die Abtretung des Darlehens in diesem Fall als eine nicht hinzunehmende Umgehung der besonderen Insolvenzanfechtungsregeln für Gesellschafterdarlehen gewertet, da den Gesellschafter eine ‘Finanzierungsfolgenverantwortung’ treffe. Eine wirtschaftliche Betrachtungsweise rechtfertige es zudem, die an den Dritten vorgenommene Rückzahlung als Leistung der Gesellschaft an den Gesellschafter zu behandeln. Entscheidung steht ausBeim Unternehmenskauf stellt sich das vom BGH erkannte Problem einer Umgehung des insolvenzrechtlichen Anfechtungsrisikos jedoch nicht in dieser Form. Zudem kommt eine Finanzierungsfolgenverantwortung des Verkäufers infolge des Ausscheidens als Gesellschafter nicht in Betracht. Gleiches gilt für die wirtschaftliche Zurechnung der Rückzahlung, da der Verkäufer über keinerlei Weisungsmacht mehr gegenüber der Gesellschaft verfügt. Eine Übertragung des Urteils auf M&A-Transaktionen liegt damit eher fern.Trotzdem hat das Urteil für Verunsicherung gesorgt. Im schlechtesten Fall könnte eine entsprechende Weiterentwicklung der Rechtsprechung die gängige Handhabung von Gesellschafterdarlehen bei Verkäufen obsolet machen. Solange keine einschlägige BGH-Entscheidung hierzu vorhanden ist, bestehen deshalb insolvenzanfechtungsrechtliche Risiken.Alternativ wäre Folgendes denkbar: Verkäufer und Käufer vereinbaren, dass Gesellschafterdarlehen nicht im ersten Jahr nach dem Erwerb zurückgeführt werden. Andernfalls erhält der Verkäufer einen Schadensersatzanspruch oder wird von jeglicher Inanspruchnahme durch Dritte, beispielsweise den Insolvenzverwalter, freigestellt. Möglich ist, dass aufgrund der Struktur der Transaktion – wie häufig bei Private Equity – die zur Absicherung des Schadensersatzes oder der Freistellung notwendige Solvenz auf Käuferseite nicht zur Verfügung steht, sprich die Käuferseite könnte solche Ansprüche nicht erfüllen.Für diesen Fall käme die Einbringung der Forderung unter Verzicht auf Rückzahlung durch den Veräußerer in die Kapitalrücklage der Zielgesellschaft vor Vollzug in Betracht. Den Wert für die eingebrachte Forderung erhielte der Verkäufer über eine Erhöhung des Eigenkapitalwerts und damit des Kaufpreises. Dies gelingt aus steuerlicher Sicht aber nur, soweit die eingebrachte Forderung werthaltig ist, da es ansonsten zu einem steuerbaren, außerordentlichen Ertrag auf der Ebene der Zielgesellschaft kommt. Dies dürfte bei der Vielzahl von Transaktionen kein Problem sein, solange der für die Anteile gezahlte Kaufpreis mindestens den Nominalwert der Darlehensforderungen ausmacht bzw. übersteigt oder der gezahlte Eigenkapitalwert daneben sogar stille Reserven enthält. Bei Restrukturierungsfällen mit geringen Kaufpreisen jedoch kann die für die Werthaltigkeit erforderliche Prognose schwierig sein.—-*) Dr. Julian Lemor ist Partner bei King & Wood Mallesons SJ Berwin.