Celesio will im Einkauf sparen
– Frau Helmes, seit Anfang Juli sind Sie nicht nur Finanzvorstand, sondern zusätzlich Vorstandssprecherin. Nun wurde Ihr Vorstandsvertrag um fünf Jahre verlängert.Ich freue mich natürlich sehr darüber, dass mir der Aufsichtsrat für weitere fünf Jahre das Vertrauen geschenkt hat. Das ist ein klares Signal, das den Vorstand und unser gesamtes Team stärkt und gleichzeitig für eine Stabilität in der Führung von Celesio sorgt. Auch die Aufgabe als Vorstandssprecherin macht mir ausgesprochen viel Spaß. Ich habe ein sehr professionelles Team, das voll hinter der Strategie steht und begeistert bei der Sache ist. Deshalb bin ich auch fest davon überzeugt, dass wir die anstehenden Aufgaben und Herausforderungen gemeinsam sehr gut lösen werden.- Bedeutet die Doppelfunktion nicht eine große Belastung für Sie?Man kann beide Tätigkeiten zusammen sicher nicht auf Dauer ausüben, aber durchaus für eine gewisse Zeit. Und wie wir alle wissen: Wenn etwas Spaß macht, wird auch nochmal zusätzliche Energie frei.- Was ist denn neu für Sie?Ich war sicherlich schon immer eher ein strategischer Finanzvorstand. Dieser Aspekt ist in meiner neuen Rolle als Vorstandssprecherin natürlich noch expliziter vorhanden. Vor allem aber stehe ich jetzt deutlich stärker in der Öffentlichkeit, woran ich mich zugegebenermaßen erst gewöhnen muss.- Inwieweit ist es für Sie wichtig, mit Haniel einen Ankeraktionär zu haben? Es gibt anhaltende Spekulationen, Haniel wolle aussteigen oder den Anteil reduzieren. Gibt es ein Bekenntnis zu einem langfristigen Verbleib?Unser Großaktionär unterstützt vollkommen die eingeschlagene Strategie, und diesen Weg setzen wir auch fort. Unabhängig davon haben wir als Management natürlich die Aufgabe, zu jeder Zeit alle strategischen Optionen zur weiteren Entwicklungdes Unternehmens auszuloten. Da bleibt es nicht aus, dass Gerüchte entstehen.- Neben einem Verkauf der Anteile wird auch über Kooperationen spekuliert. Es wird immer wieder über eine mögliche Zusammenarbeit im Einkauf mit CVS Caremark, McKesson oder Cardinal Health spekuliert. Gibt es konkrete Gespräche?Mit dem Einstieg der US-Drogeriekette Walgreens beim Pharmagroßhändler Alliance Boots, zu dem die frühere Anzag in Deutschland gehört, ist der erste transatlantische Merger in unserer Branche vollzogen worden. Nur kurz darauf erfolgte zusätzlich die Kooperation von Walgreens/Alliance Boots mit AmerisourceBergen. Seitdem ist in unserer Branche eine deutlich spürbare Dynamik im Markt. Haupttreiber für solche Projekte ist vor allem das Thema Einkauf, insbesondere im Generika-Bereich. Es geht auch um die Erschließung weiterer Märkte durch Ressourcenbündelung. Es bieten sich weiterhin Chancen für eine vertikale Integration sowie von Best-Practice-Transfers.- Da sind Sie als europäischer Akteur mit Ihrem großen europäischen Apothekennetzwerk und Ihrer Führungsposition in Frankreich und Österreich, der Nummer-2-Position in Großbritannien und Norwegen und als Nummer 3 in Deutschland doch der ideale Partner für ein amerikanisches Unternehmen!Für uns besteht keine unmittelbare Notwendigkeit für ein solches Bündnis, auch wenn es durchaus Chancen mit sich bringen könnte. Daher will ich Ihrer Einschätzung unserer starken Marktposition auch nicht widersprechen, denn in der Tat sind wir mit unserer aktuellen Strategie sehr gut unterwegs: Unser europäisches Apothekennetzwerk ist ein absolut neues Konzept und durchläuft gerade sehr erfolgreich die Pilotphase. Auch im Einkauf sind wir schon einige Schritte vorangekommen und sehen noch erhebliche Potenziale. Das Gleiche gilt für die anstehende Optimierung der Supply Chain. Insofern: Ja, wir sind strategisch betrachtet gut positioniert und deshalb sicherlich ein attraktiver Partner.- Mit Martin Fisher haben Sie seit kurzem einen zweiten Vorstandskollegen. Wo wird der Fokus von Herrn Fisher liegen?Zunächst einmal freue ich mich sehr, dass Martin Fisher an Bord ist. Er ist zuständig für den Einkauf, die Supply Chain sowie die IT, wobei der Schwerpunkt kurzfristig betrachtet auf den ersten beiden Punkten liegt. Im Einkauf liegen sicher die größten Möglichkeiten für Celesio. Wenn wir die Besten in der Beschaffung sein wollen, dann brauchen wir einen exzellenten Einkauf, der alle Potenziale hebt. Für all diese Aufgaben bringt Martin Fisher wertvolle Erfahrungen mit.- Wo sehen Sie da die größten Potenziale?Vor allem beim Einkauf von Generika. In Deutschland haben wir bereits eine Marktdurchdringung von 80 %, in Großbritannien von 70 %. In anderen Ländern gibt es allerdings noch erhebliches Potenzial. Da liegt der Generika-Anteil erst bei rund 50 %. Der Markt wird unserer Einschätzung nach in den nächsten Jahren ein deutliches Wachstum aufweisen.- Wie groß ist denn das Einsparpotenzial im Einkauf?In diesem Jahr werden es rund 15 Mill. bis 20 Mill. Euro sein, aber mittelfristig, also in etwa fünf Jahren, könnten wir ein Volumen im dreistelligen Millionenbereich einsparen.- Warum haben Sie das nicht schon früher gehoben?Wir waren in der Vergangenheit komplett dezentral aufgestellt. Jede Geschäftseinheit hat eigenständig verhandelt und eingekauft. Wir können nun aber erhebliches Potenzial heben, da wir im Rahmen unserer Strategie begonnen haben, den Einkauf konzernweit zu bündeln. Darüber hinaus weiten wir unser europäisches Apothekennetzwerk aus und bauen den Bereich der freiverkäuflichen Produkte aus.- Sie haben erklärt, die Strategie Ihres Vorgängers, an deren Ausarbeitung sie ja beteiligt waren, fortsetzen zu wollen. Muss es auch Korrekturen geben?Wir werden die Strategie mit ihren zentralen Feldern weiter umsetzen, es wird aber kleinere Anpassungen geben, zum Beispiel im Hinblick auf länderspezifische Anforderungen. In erster Linie werden wir kleinere Korrekturen bei der Konzernorganisation umsetzen. Hier haben wir im vergangenen Jahr begonnen, den Konzern auf eine funktionale Führung umzustellen, um die beschriebenen Synergien zu heben. Entscheidend ist, dass wir dabei auf lokale Gegebenheiten Rücksicht nehmen, um so einen optimalen Prozessablauf zu sichern.- Gilt das auch für Ihre deutsche Großhandelsgesellschaft Gehe, wo Sie ja einen personellen Aderlass verkraften mussten?Ja, wir sind in Gesprächen mit der Geschäftsführung, um insgesamt schneller im Markt agieren zu können. Dazu haben wir die Strukturen verschlankt. Die Ebene der Direktoren fällt weg. In diesem jetzt angestoßenen organisatorischen wie auch inhaltlichen Veränderungsprozess bei der Gehe konnten wir auch Mitarbeiter zurückgewinnen, die uns Anfang des Jahres verlassen hatten. Wir freuen uns natürlich darüber, dass diese Mitarbeiter weiterhin ihre berufliche Zukunft in unserem Konzern sehen.- Sehen Sie denn ein Ende des Preiskriegs, der Sie zu einer Gewinnwarnung zwang?Die Rabattschlacht geht leider weiter. Die Rabatthöhe hat sich aber erstmals stabilisiert. Die Frage ist nun, wie es weitergeht. Vergangene Woche hat auch unser größter Wettbewerber im deutschen Markt Halbjahreszahlen vorgelegt – und die zeigen deutlich, dass offenbar im deutschen Markt kein Großhändler mehr Geld verdient. Wir erwarten daher für 2014 wieder einen vernünftigen Wettbewerb.- Sie werden also Ihre bisherigen Ertragsziele für 2013 erreichen?Ja, das werden wir aus heutiger Sicht schaffen.- Und daran ändert auch nichts, dass mit dem Ableger der österreichischen Post, der AEP, ein neuer Wettbewerber da ist?Das ändert ganz sicher nichts daran. Es wird sich zeigen, inwieweit es für Apotheker attraktiv ist, einmal am Tag aus einem zentralen Lager und mit einem begrenzten Angebot beliefert zu werden und dafür sehr zeitnah zahlen zu müssen. Außerdem ist die Frage zu stellen, wie man angesichts des aktuell hohen Rabattniveaus als Neueinsteiger erfolgreich sein will.- Sie sind in fast allen Ländern mit Kosteneinsparungen in den Gesundheitssystemen konfrontiert. Erwarten Sie da noch weitere Schritte?Aufgrund der hohen Staatsverschuldung wird es weiter Druck auf die Gesundheitsausgaben geben. Angesichts der Tatsache, dass der überwiegende Teil der Gesundheitsausgaben auf chronisch und langfristig Kranke entfällt, gibt es vor allem zwei Möglichkeiten zu sparen: einerseits durch den Einsatz von mehr Generika und andererseits durch die Verlagerung von Leistungen in die Apotheken, wie wir das in vielen Ländern erleben. Wir profitieren davon besonders, denn wir sind sehr effizient und mit unserem neuen europäischen Apothekennetzwerk, das wir gerade umsetzen, gut positioniert.- Wie sind Ihre ersten Erfahrungen bei der Umsetzung des neuen europäischen Apothekennetzwerkes? Dass etwa die Rolle der Apotheken bei der Beratung gestärkt werden soll, ist ja nicht in jedem Land neu!Das Konzept kommt sehr gut an. Es gibt viele Anfragen auch von unabhängigen Apotheken. Wir haben die Pilotierung des Apothekennetzwerkes deshalb beschleunigt und planen bis Ende dieses Jahres europaweit rund hundert Apotheken mit diesem Konzept, und zwar überall dort, wo wir eigene Apotheken haben. Wir haben darüber hinaus bereits erste Franchise-Nehmer in Italien und Irland und werden bis zum Jahresende auch in Deutschland zwei unabhängige Pilot-Apotheken haben. Bei allen Unterschieden durch die verschiedenen Gesetzgebungen – das Gesamtkonzept ist einheitlich.- Bedeutet die beschleunigte Umsetzung auch, dass Sie daraus, wie früher angekündigt, 2014 einen signifikanten Umsatz- und Ergebnisbeitrag erlösen können?Ja. Wir sind fest davon überzeugt, dass wir daraus einen nennenswerten Umsatz- und Ergebnisbeitrag erzielen können. Es ist unser Anspruch, im nächsten Jahr deutliche Ergebnisverbesserungen zu erreichen. Diese werden wir aus dem verbesserten Einkauf, dem neuen Apothekennetzwerk und durch Kostenoptimierung realisieren.- Müssen Sie auch Bereinigungen vornehmen? Es gibt immer wieder Gerüchte über Schließungen von Standorten.Die Optimierung unseres Logistik-Netzwerkes sowie das Thema Prozess- und Kosteneffizienz dürfen wir natürlich nie aus den Augen verlieren. Das war aber auch in der Vergangenheit schon so. In diesem Zusammenhang anfallende Einmalaufwendungen werden wir konsequenterweise bereinigen.- Sind umgekehrt auch Akquisitionen geplant?Akquisitionen sind grundsätzlich schwer planbar. Wir schauen uns aber intensiv die sich bietenden Möglichkeiten an. Wenn es Sinn macht und dann noch die Preisvorstellungen passend sind, dann könnten wir 2014 durchaus aktiv werden.- Welche Märkte haben Sie dabei im Visier? Brasilien beispielsweise könnte ja ein Sprungbrett in andere südamerikanische Länder sein.In Brasilien sammeln wir derzeit viele wertvolle Erfahrungen, die anderen noch fehlen. Den brasilianischen Markt schauen wir uns dabei auch im Hinblick auf mögliche Akquisitionen an, hier stellt sich eher die Frage nach dem geeigneten Zeitpunkt. Generell liegt unser Fokus aktuell ganz eindeutig auf Märkten, in denen wir bereits aktiv sind. Kurzfristig planen wir keine Expansion in Länder, in denen wir noch nicht vertreten sind.- Wie sieht Ihre finanzielle Situation aus? Wollen oder müssen Sie demnächst an den Kapitalmarkt gehen?Nein, das haben wir kurzfristig nicht vor. Wir befinden uns in einer sehr komfortablen Finanzierungssituation und haben im Moment keinen Bedarf an weiteren Kapitalmaßnahmen. Einzelne Fälligkeiten in 2014 haben wir, wo es möglich war, bereits in diesem Jahr frühzeitig refinanziert.—-Das Interview führte Gerhard Bläske.