CEOs mit schlechtem Benehmen am Pranger

In der MeToo-Ära häufen sich verhaltensbedingte Rauswürfe in den USA - Unternehmen nennen Probleme jetzt beim Namen - Öffentlicher Druck steigt

CEOs mit schlechtem Benehmen am Pranger

Der öffentliche Druck auf Top-manager, die unangemessenes Verhalten zeigen, steigt. Immer mehr CEOs stehen in den USA wegen schlechten Benehmens am Pranger. Wer sich mangelhaft beträgt, hat es schwerer denn je, den Posten zu halten. Das gilt auch für Les Moonves, CEO von CBS, der zunächst im Amt blieb, während der Board Vorwürfe untersucht, dass er im Laufe seiner Karriere mehrere Frauen sexuell belästigt haben soll.Boards müssen in der MeToo-Ära sensibler auf unangemessenes Verhalten an der Unternehmensspitze reagieren. Darüber hinaus zeigen Unternehmen inzwischen mehr Offenheit, wenn es darum geht zu erklären, dass ein CEO verhaltensbedingt ausscheidet, wie eine Analyse des Forschungsdienstleisters Exechange * ergeben hat. Von 147 CEOs, die Unternehmen aus dem marktbreiten US-Index Russell 3000 in diesem Jahr bislang verlassen haben, wurden acht mit einem ausdrücklichen Hinweis auf Fehlverhalten verdrängt, verglichen mit nur einem einzigen derartigen Fall von insgesamt 244 CEO-Abgängen im Jahr 2017. Verhalten: UngenügendSo trat Texas-Instruments-CEO Brian Crutcher im Juli, wie es hieß, wegen “Verstößen gegen den Verhaltenskodex” bei dem Chiphersteller zurück. Barnes-&-Noble-CEO Demos Parneros wurde im Juli wegen “Verstößen gegen die Unternehmensrichtlinien” aus dem Amt bei dem Buchhändler entfernt. Rambus-CEO Ron Black wurde im Juni entlassen, weil sein “Verhalten nicht den Standards des Unternehmens entsprach”, wie der Computerchipspezialist meldete.Intel-CEO Brian Krzanich trat bereits im Juni wegen eines “Verstoßes gegen Intels Nicht-Fraternisierungsrichtlinie” und nach einer “vergangenen einvernehmlichen Beziehung” mit einer Person aus dem Konzern zurück, wie der Chiphersteller unverblümt preisgab. Avid-CEO Louis Hernandez wurde im Februar wegen “Verstößen gegen die Unternehmensrichtlinien im Zusammenhang mit dem Verhalten am Arbeitsplatz” von dem Softwarehersteller entlassen. Wynn-Resorts-CEO Steve Wynn trat im Februar von seinem Posten bei dem Spielkasinobetreiber zurück, weil er sich nach öffentlichen Vorwürfen sexuellen Fehlverhaltens laut Unternehmensmitteilung “im Fokus einer Lawine negativer Publicity” sah.Lululemon-CEO Laurent Potdevin nahm im Februar seinen Hut, weil der Sportbekleidungshersteller “erwartet, dass alle Mitarbeiter ein Höchstmaß an Integrität und Respekt füreinander zeigen, und Herr Potdevin hat diese Verhaltensstandards nicht eingehalten”. Und Equinix-CEO Steve Smith trat im Januar laut Mitteilung des Rechenzentrumsspezialisten wegen “schlechtem Urteilsvermögen in Bezug auf eine Mitarbeiterangelegenheit” zurück. Mit goldenem FallschirmDer einzige direkt vergleichbare Fall im gesamten Jahr 2017 betraf Farmer-Mac-CEO Tim Buzby, dem im Dezember “ausschließlich aufgrund von Verstößen gegen die Unternehmenspolitik, die nichts mit der finanziellen und geschäftlichen Leistung des Unternehmens zu tun haben”, gekündigt wurde.Die Art, in der die CEO-Austritte vonstattengingen, ist allerdings sehr unterschiedlich. Die Tatsache, dass Unternehmen auf unterschiedliche Weise mit ihren gefallenen CEOs umgehen, kann mit den spezifischen Merkmalen ihres angeblichen Fehlverhaltens zusammenhängen. Sie kann aber auch Unterschiede in der Corporate Governance aufzeigen und Fragen zur Unabhängigkeit des jeweiligen Boards aufwerfen.Nach angeblichen oder tatsächlichen Verstößen gegen Verhaltenskodizes traten CEOs “freiwillig” zurück oder wurden von den Boards aus ihren Ämtern entfernt. In einigen Fällen verließen die Führungskräfte die Unternehmen mit einem goldenen Fallschirm, in anderen nicht.Der CEO von Lululemon erhielt im Rahmen einer Trennungsvereinbarung die Zusage auf Zahlungen von 5 Mill. Dollar. Der CEO von Barnes & Noble bekam kein Trennungsgeld. Auch Wynn-Resorts-CEO Steve Wynn hatte keinen Anspruch auf eine Abfindung oder sonstige Entschädigungszahlung. In diesem spektakulären Fall hatte der Board zunächst “widerwillig” angekündigt, dass er den Rücktritt des CEO, Chairman und damaligen Hauptaktionärs, der Vorwürfe sexuellen Fehlverhaltens zurückgewiesen hatte, “akzeptiert” habe. Abschreckendes BeispielAndererseits nutzen Boards inzwischen häufig die unrühmlichen Vorfälle an der Spitze als abschreckende Beispiele. Als der Texas-Instruments-CEO nach weniger als sieben Wochen auf dem Posten zurücktrat, distanzierte sich der Board deutlich von dem in Ungnade gefallenen Chef und statuierte ein Exempel an ihm. Mark Blinn, Lead Director des TI-Boards, erklärte unmissverständlich: “Seit Jahrzehnten sind die Grundwerte und der Verhaltenskodex unseres Unternehmens grundlegend für unser Handeln und Verhalten, und wir tolerieren keine Verstöße gegen unseren Verhaltenskodex.”Auch bei Intel ging das Unternehmen deutlich auf Abstand von dem gefallenen Anführer und erklärte: “Angesichts der Erwartung, dass alle Mitarbeiter die Werte von Intel respektieren und sich an den Verhaltenskodex des Unternehmens halten, hat der Board den Rücktritt von Herrn Krzanich akzeptiert.”Ähnlich war es auch bei Lululemon. Hier erklärte Executive Chairman Glenn Murphy: “Kultur ist das Herzstück von Lululemon, und es liegt in der Verantwortung der Führungskräfte, den richtigen Ton in unserer Organisation zu setzen.” Der Schutz der Unternehmenskultur sei schließlich eine der wichtigsten Aufgaben des Boards.”Es ist nicht verwunderlich, dass Boards die CEOs stärker für persönliches Fehlverhalten verantwortlich machen”, sagt Brian Tayan, ein Corporate-Governance-Forscher an der Stanford Graduate School of Business und Mitautor des Forschungspapiers “Scoundrels in the C-Suite: How Should the Board Respond When a CEO’s Bad Behavior Makes the News?” Tayan fügte hinzu: “Die Öffentlichkeit, einschließlich der Aktionäre, steht CEOs, die unmoralisch oder unethisch handeln, sehr kritisch gegenüber, insbesondere wenn sie dabei hohe finanzielle Auszeichnungen erhalten. Boards haben eindeutig ein Ohr für die öffentliche Meinung, und wir sehen, dass sie die Führungsteams stärker in die Pflicht nehmen.” “Zeit mit der Familie”In den vergangenen zwölf Monaten haben rund 35,4 % der CEOs in den USA ihren Posten ohne Angabe von konkreten Gründen verlassen. Rund 6,7 % gingen, “um andere Möglichkeiten zu verfolgen”, und rund 2,1 %, “um Zeit mit ihrer Familie zu verbringen” – Statements, die zuweilen als Codes für Rauswürfe gelten. Rund 2,1 % der CEOs in den USA verließen ihren Posten aus “persönlichen Gründen”, und rund 3,8 % mussten mit explizitem Verweis auf schlechtes Verhalten gehen.Der Forschungsdienstleister Exechange bewertet CEO-Wechsel mit dem Analysemodell Push-out Score auf einer Skala von 0 bis 10, wobei 0 für einen offenbar völlig freiwilligen und 10 für einen offensichtlich erzwungenen Abtritt steht. Der durchschnittliche Push-out Score für alle CEO-Abgänge in den USA lag in den vergangenen zwölf Monaten bei 5,5. CEOs, die gingen, um “andere Möglichkeiten zu verfolgen”, erhielten einen durchschnittlichen Score von 7,1. CEOs, die abtraten, um “Zeit mit ihrer Familie zu verbringen”, erhielten im Schnitt einen Push-out Score von 6.Die Welle an CEO-Wechseln in den USA, bei der schlechtes Benehmen von den Unternehmen offen als Grund genannt wird, ist bislang noch nicht im gleichen Maße über Europa hereingebrochen. Der spektakulärste Fall auf dem Alten Kontinent der jüngeren Vergangenheit betraf Martin Sorrell, CEO des britischen Werberiesen WPP, der im April dieses Jahres nach einer Untersuchung über Vorwürfe von Fehlverhalten zurückgetreten war. WPP-Chef Sorrell war unter anderem die Zweckentfremdung von Geldern vorgeworfen worden. Der Topmanager hatte Berichte vehement zurückgewiesen, in denen behauptet wurde, er habe eine Prostituierte mit Firmengeldern bezahlt.Zusammen mit der Rücktrittsmitteilung hatte WPP lakonisch erklärt, die Untersuchung des Vorwurfs eines Fehlverhaltens sei abgeschlossen, und betont: “Der Vorwurf betraf keine wesentlichen Beträge.”—-*) Der vorstehende Text ist die deutsche Kurzfassung einer Studie des Forschungsdienstleisters Exechange. Inhaber von Exechange ist Daniel Schauber, der auch Redakteur bei der Börsen-Zeitung ist. Exechange und Börsen-Zeitung sind voneinander unabhängig.