Cevian beißt bei Thyssenkrupp auf Granit

Konzern weist Zerschlagungspläne des Großaktionärs zurück - Gather, Lehner und Tischendorf auf Hauptversammlung in der Kritik

Cevian beißt bei Thyssenkrupp auf Granit

Die Konzernführung von Thyssenkrupp hat auf der Hauptversammlung in Bochum geschlossen Front gemacht gegen die Zerschlagungspläne des Großaktionärs Cevian. Gleichzeitig gerieten mit Ursula Gather, Ulrich Lehner und Jens Tischendorf gleich drei Aufsichtsräte in die Kritik.cru Bochum – Aufsichtsrat und Vorstand von Thyssenkrupp weisen die Forderungen des schwedischen Finanzinvestors und Großaktionärs Cevian nach einer beschleunigten Zerschlagung des Konzerns entschieden zurück. “Ein so umfassender Veränderungsprozess geht nicht von heute auf morgen und muss – wie im richtigen Leben – hart erarbeitet werden”, verteidigte Aufsichtsratschef Ulrich Lehner auf der Hauptversammlung am Freitag in Bochum die Strategie eines behutsamen Umbaus.Auch Vorstandschef Heinrich Hiesinger betonte die Vorteile eines Zusammenhalts des Essener Konglomerats: “Wir führen Thyssenkrupp integriert, weil das zu messbaren Vorteilen führt.” Einen Umbau schließe das nicht aus. “Ganz im Gegenteil: Vor sechs Jahren hatte Thyssenkrupp acht Geschäftsbereiche, heute sind es fünf, mit Gründung des (Stahl-) Joint Venture werden es vier sein. Wir reden also nicht nur über den Umbau, wir tun es”, sagte Hiesinger. Tatsächlich hat Thyssenkrupp in den sieben Jahren unter Hiesinger den zivilen Schiffbau mit der Werft Nordseewerke sowie die Edelstahlsparte und das Amerika-Stahlgeschäft abgestoßen.Hiesinger reagierte damit indirekt auf die jüngsten Zerschlagungsfantasien, ausgelöst durch Forderungen des Finanzinvestors Cevian, der etwa 17 % der Anteile hält. Cevian-Chef Lars Förberg hatte zuvor mehrfach eine Zerschlagung des Konzerns gefordert: “Ob das am besten durch Gemeinschaftsunternehmen, Abspaltungen oder den Börsengang einer Tochter zu erreichen ist, müssen Aufsichtsrat und Vorstand gemeinsam entscheiden”, sagte Förberg der Börsen-Zeitung. Kleinere ZugeständnisseAllerdings ging Hiesinger auch einen kleinen Schritt auf seine Kritiker zu und versprach eine Nachschärfung der finanziellen Ziele. Die Aktionäre sollen zwar wie im Vorjahr eine Dividende von 15 Cent je Anteilschein erhalten, entsprechend einer Ausschüttung von 93 Mill. Euro. Klar sei aber, dass der Vorstand einen höheren Anspruch habe. Hiesinger kündigte an, im Frühsommer die Ziele des Konzerns zu konkretisieren. “Wie genau wir das angehen, wird Teil unseres jährlichen Strategiedialogs von Vorstand und Aufsichtsrat im Mai sein.”Der Kurs der Thyssenkrupp-Aktie reagierte am Freitag mit einem Plus von zeitweise 4,5 % auf 26,32 Euro. Der Börsenwert des Konzerns hat sich damit binnen zweier Jahre verdoppelt auf 16,4 Mrd. Euro – allerdings erst nach einer sehr langen Durststrecke: Laut Fondsgesellschaft Union Investment konnte Thyssenkrupp am Kapitalmarkt in den letzten Jahren nicht überzeugen. “Seit Herr Hiesinger am 21. Januar 2011 den Vorstandsvorsitz übernahm, lieferte die Aktie von Thyssenkrupp einen negativen Aktionärsertrag von – 12 %, der sich aus der Kursentwicklung und den Dividendenzahlungen zusammensetzt. Das ist desaströs”, sagte Portfoliomanager Ingo Speich. “Der Konzern braucht eine klare strategische Vision, die an Margen- und Umsatzziele gekoppelt ist und den Investoren Meilensteine an die Hand gibt. Anders als bei Siemens gibt es bei Thyssenkrupp bislang nur vage Versprechen, dass irgendwann alles besser werden soll, aber keinen klaren Zeitplan.”In die Kritik geriet auch Aufsichtsratschef Lehner wegen seiner Tätigkeit in zu vielen verschiedenen Aufsichtsräten und wegen seiner schon seit zehn Jahren andauernden Zugehörigkeit zum Thyssenkrupp-Aufsichtsrat. “Wir (…) hegen keinerlei Zweifel an Ihren Fähigkeiten, die für uns bei Thyssenkrupp bislang schon viel Gutes bewirkt haben. Allerdings ist uns auch bewusst, dass von Ihrer Expertise nicht nur Thyssenkrupp, sondern auch die Deutsche Telekom, Eon, die Porsche SE und Henkel profitieren. Wir hoffen, dass diese Vielzahl an Mandaten – nach unserer Zählung kommen wir durch Doppelzählung der Vorsitze auf sieben – genügend Raum und gedankliche Freiheit zur strategischen Weiterentwicklung und angemessenen Kontrolle lässt”, sagte Corporate-Governance-Analyst Hendrik Schmidt von Deutschlands größter Fondsgesellschaft Deutsche Asset Management. Krupp-Stiftung “treuwidrig”Der anerkannte Corporate-Governance-Experte Christian Strenger nahm darüber hinaus die beiden Aufsichtsratsmitglieder Ursula Gather, die als Krupp-Stiftungschefin für die größte Aktionärin des Konzerns in das Gremium ohne Wahl entsendet wird, sowie den Cevian-Vertreter Jens Tischendorf ins Visier. “Frau Gather erfüllt (…) kaum die für Thyssenkrupp relevanten und selbstverpflichtend aufgestellten Kriterien zur Zusammensetzung des Aufsichtsrats: Das sind die (…) im Geschäftsbericht genannten Kompetenzen (wie internationale Erfahrung in den Thyssenkrupp-Wachstumsmärkten)”, sagte Strenger. Die so wichtigen Voraussetzungen seien aus Gathers Profil “leider nicht abzuleiten”. Sollte die Krupp-Stiftung dennoch auf der Entsendung von Gather in den Aufsichtsrat bestehen, könnte dies möglicherweise sogar als “treuwidrig” angesehen werden – ein juristisch relevanter Tatbestand.Zu Tischendorf sagte Strenger: “Unverändert ist wenig hilfreich, wenn ein im Aufsichtsrat vertretener Großaktionär immer wieder das Management durch seinen CEO öffentlich angreift. (…) Aufsichtsräte sind schon aktiengesetzlich allein dem Interesse des Unternehmens, nicht dem Wohl einzelner Aktionäre verpflichtet.” Der Aufsichtsrat sei vornehmlich Kontrollorgan und habe – anders als angloamerikanische Boards – nur eingeschränkte Gestaltungsmöglichkeiten durch das Zustimmungserfordernis zu wesentlichen Transaktionen.”Cevian (sollte) überdenken, ob es wirklich sinnvoll ist, einen Vertreter im Aufsichtsrat zu haben. Die dadurch gegebene Insiderproblematik ist schon bei Zu- und Verkäufen von Thyssenkrupp-Aktien ein Hemmschuh. Noch relevanter ist aber, dass die öffentliche Kritik des Cevian-Chefs Förberg zu Interpretationen führen kann, dass Cevian interne Kenntnisse des Aufsichtsrats für seine öffentlichen Einflussnahmen nutzt. Es ist also die Frage zu beantworten, ob der Cevian-Vertreter Tischendorf die ,Spielregeln` für Verschwiegenheit der Aufsichtsräte wirklich beachten kann oder er als Mitglied der Cevian-Führung zu pflichtwidrigem Verhalten gezwungen ist”, so Strenger.