Folge der Wirtschaftskrise

In wirtschaftlich schwierigen Zeiten gerät der CFO-Sessel zum Schleudersitz

Die Wechselhäufigkeit auf CFO-Posten ist enorm. Im Dax beläuft sich die durchschnittliche Verweildauer nur noch auf 4,6 Jahre, hat Russell Reynolds ermittelt. CEOs sind deutlich länger im Amt.

In wirtschaftlich schwierigen Zeiten gerät der CFO-Sessel zum Schleudersitz

Finanzvorstände – stark gefragt, aber auch hoch gefährdet

Russell Reynolds: Fluktuation höher als bei CEOs – Nachfrage auf Rekordniveau – CFOs werden stärker als früher in die Verantwortung genommen

ab Köln

Mit Kristin Neumann von Brenntag und Dagmar Steinert von Rheinmetall haben in den vergangenen beiden Wochen gleich zwei Finanzchefinnen von Dax-Unternehmen ihre Demission angekündigt. Unabhängig vom Geschlecht spiegelt die Entwicklung einen weltweiten Trend: Die „Nachfrage“ nach CFOs befindet sich 2024 das zweite Jahr in Folge auf Rekordniveau, wie aus einer Auswertung der Personalberatung Russell Reynolds hervorgeht. Oder anders ausgedrückt: In wirtschaftlich schwierigen Zeiten gerät der CFO-Sessel zum Schleudersitz.

Die steigende Nachfrage spiegelt sich auch in der durchschnittlichen Verweildauer der Finanzvorstände, die weltweit mit 5,6 Jahren den niedrigsten Wert seit Beginn der Erhebung vor fünf Jahren darstellt. Im Dax fällt der Wert nach den Angaben mit 4,6 Jahren sogar noch niedriger aus. Im vorigen Jahr waren es noch 7,5 Jahre. Doch auch im Vergleich mit dem Posten des Vorstandschefs sind CFOs im Schnitt deutlich kürzer im Amt. Die CEOs aus dem Dax40, die 2024 ausschieden, hatten ihren Posten durchschnittlich 7,7 Jahre inne.

Druck im Kessel

Insgesamt wurden nach der Auswertung in den ersten drei Quartalen in den zwölf global führenden Börsenindizes 224 CFOs neu bestellt, nach 223 im Vorjahr. Zeitgleich gab es nur 161 neue CEOs – fast ein Drittel weniger als im Jahr davor. „Wir erleben das zweite Jahr in Folge eine nie dagewesene Nachfrage nach CFOs. Der Markt läuft heiß“, sagt Daniela Nienstedt, Partnerin bei Russel Reynolds. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten drehe sich alles um die Finanzkennzahlen, dadurch bekämen CFOs so viel Aufmerksamkeit wie nie zuvor.

„Läuft es wirtschaftlich nicht rund und müssen Prognosen kassiert werden, werden sie (Finanzvorstände) stärker als in der Vergangenheit in die Verantwortung genommen“, weiß Nienstedt. Im bisherigen Jahresverlauf schieden im Dax fünf CFOs aus, aber nur zwei CEOs.

Wachsender Frauenanteil

Wenngleich die jüngsten Beispiele aus dem Dax zwei Frauen betrafen, registriert Russel Reynolds Fortschritte bei der Geschlechterparität. Von den 224 neu ernannten Finanzchefs in den ersten drei Quartalen waren 60 Frauen. Damit kletterte der Frauenanteil unter den neu ernannten Finanzchefs mit 37% erstmals über die 30%-Marke. Zum Vergleich: 2020 lag der vergleichbare Anteil bei lediglich 19%. Allen voran in Technologie- und Finanzdienstleistungsbranchen machen Frauen Boden gut. In Technologiefirmen belief sich der Frauenanteil bei Neuzugängen auf 38%, bei Finanzdienstleistern waren es sogar 48%.

„Endlich sind Vorstandsfrauen nicht mehr nur vorwiegend für HR zuständig“, freut sich Nienstedt. Bei den fünf CFOs, die in diesem Jahr aus dem Dax ausschieden, handelte es sich um vier Männer und eine Frau. Sie wurden von drei Frauen und zwei Männern ersetzt. Aus Sicht von Russell Reynolds ist das ein klares Zeichen, dass sich die verbesserte Nachfolgeplanung in den Unternehmen auszahlt und Frauen dabei häufiger zum Zug kommen. 55% der weiblichen CFO-Bestellungen waren interne Besetzungen.

Neue Chancen

Die wachsende Nachfrage nach Finanzvorständen eröffnet vielfach Chancen. So ist in Europa das Gros (65%) der neu berufenen Finanzchefs erstmals in diese Rolle geschlüpft. Zugleich hat sich Zahl der Finanzchefs, die sich in den Ruhestand verabschieden, drastisch erhöht. Das durchschnittliche Ruhestandsalter für CFOs beläuft sich in Europa auf lediglich 55 Jahre. Dabei dürfte nach Einschätzung der Studienautoren auch das Thema Burnout eine Rolle spielen.

Zugleich nutzen viele CFOs ihr Fachwissen für Boardtätigkeiten. In Großbritannien ist das nach den Angaben besonders häufig der Fall, sei es in Prüfungs- oder Vergütungsgremien. Aktuell verfügen im FTSE 350 mehr als ein Fünftel der Chairmen über CFO-Erfahrung.

Erfahrenen Finanzchefs eröffnen sich aber insgesamt vielfältige Möglichkeiten. So ergab die Auswertung, dass in Europa von 67% der CFOs, die ein Unternehmen verließen, drei Viertel bei einem anderen Unternehmen die gleiche Rolle übernahmen. CFOs, die im Unternehmen blieben, wechselten hingegen auf Führungspositionen jenseits des Finanzressorts, sei es als CEO (50%), COO oder Bereichs-CEO.

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