Chaos in Cuxhaven
Nach einer tubulenten, ergebnislos verlaufenen Hauptversammlung stehen beim Windkraftprojektierer PNE Wind die Zeichen weiterhin auf Sturm. Vorstand und die Hälfte des Aufsichtsrats einerseits sowie der größte Einzelaktionär andererseits stehen sich unversöhnlich gegenüber.Von Carsten Steevens, CuxhavenSichtlich entnervt und erschöpft gab Peter Fischer, stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender des Windparkprojektierers PNE Wind, nach fast 14 Stunden die Leitung der Hauptversammlung in Cuxhaven kurz vor Mitternacht auf. Zwar hatte der 73-Jährige, der seit 2009 dem Aufsichtsrat des im Prime Standard der Frankfurter Börse gelisteten Unternehmens angehört, zuvor eine kurzfristig beantragte Abwahl überstanden. Doch zermürbt von permanenten Beschimpfungen einiger Kleinanleger und Aktionärsvertreter, die Fischers Versammlungsleitung kritisierten und einen angeblichen Interessenkonflikt im eskalierten Machtkampf bei PNE Wind monierten, resignierte der ehemalige Wirtschaftsminister von Niedersachsen.Ein neuer Versammlungsleiter wurde bis Mitternacht nicht mehr rechtzeitig gefunden. Das Aktionärstreffen, bei dem die Aktionäre über die Abwahl der sechs Aufsichtsratsmitglieder entscheiden sollten, endete im Chaos und wurde wegen der sogenannten Mitternachtsklausel ergebnislos vertagt. Gemäß Aktiengesetz wären nach Mitternacht verkündete Beschlüsse nichtig gewesen. Konfliktlösung scheitertEine Flut von Fragen und Anträgen, für die nach dem Bruch im Aufsichtsrat Vertreter und Anhänger beider Lager sorgten, hatte die von mehreren Pausen unterbrochene Hauptversammlung in die Länge gezogen. Ein zwischenzeitlicher Versuch, in den Kulissen den Konflikt vor der Abstimmung zu lösen, scheiterte. Dem offenbar vom Großaktionär Volker Friedrichsen unterstützten Vorschlag der mit rund 2 % an PNE Wind beteiligten Deutschen Balaton, den gesamten Aufsichtsrat neu zu wählen, begegnete der seit 2005 amtierende Aufsichtsratsvorsitzende Dieter Kuprian mit dem Angebot, gemeinsam mit Fischer und dem Aufsichtsratsmitglied Reza Abhari zurückzutreten, sofern sich Friedrichsen von seinen Aktien trenne. Der Großaktionär wies diese Bedingung jedoch umgehend zurück.Nach einer achtstündigen Generaldebatte, in deren Mittelpunkt die auch von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) geäußerte Kritik an der Vergütung von Aufsichtsrat und Vorstand im Verlustjahr 2014 stand, dauerte die Stimmenauszählung länger als von der Verwaltung in Aussicht gestellt. Das Unternehmen begründete am Mittwoch in einer Mitteilung die Vertagung der Hauptversammlung, für die “so schnell wie möglich” ein neuer Termin gefunden werden soll, damit, dass die Ergebnisse der Abstimmung bis Mitternacht nicht vorgelegen hätten. Dem trat der mit einem Anteil von gut 15 % größte Einzelaktionär Friedrichsen, den Vorstand und Verwaltung zusammen mit zwei ihm nahestehenden Aufsichtsratsmitgliedern aus dem Kontrollgremium abberufen lassen wollen, entgegen. Polizei rückt anDie Aussage entspreche nicht der Wahrheit, ließ der erst vor Jahresfrist in den Aufsichtsrat gewählte Friedrichsen über die PR-Agentur Brunswick verlauten. Zahlreiche Anwesende könnten bezeugen, dass die Ergebnisse der Abstimmung gegen 22.30 Uhr vorgelegen hätten und diese von der Verwaltung lediglich nicht bekannt gegeben worden seien. Wegen des Verdachts einer Wahlmanipulation oder Urkundenfälschung stellte die alarmierte Polizei am frühen Mittwochmorgen in der Versammlungshalle Beweismaterial sicher, um zu prüfen, ob eine Straftat vorliegt. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Stade bestätigte die Ermittlungen.Friedrichsen, der eine umgehende Veröffentlichung der Ergebnisse und die schnellstmögliche Wiederholung der Hauptversammlung fordert, ließ ankündigen, zivil- und strafrechtliche Schritte gegen den Vorstand, den Aufsichtsratschef, dessen Vertreter und deren Berater zu prüfen. Wegen “eklatanter Leitungsmängel” würden vor allem Regressansprüche gegen Versammlungsleiter Fischer und den Rechtsberater von PNE Wind erwogen.Vorstand und Verwaltung hatten Ende 2014 eine Schiedsklage gegen Friedrichsen angekündigt, bei der es um die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen bis zu 6,2 Mill. Euro geht. Die Unternehmensführung geht davon aus, wegen einer angeblichen Überbewertung einiger Projekte des 2013 mehrheitlich übernommenen Husumer Windparkentwicklers WKN einen überhöhten Kaufpreis gezahlt zu haben. Im Zuge der Transaktion war Friedrichsen, der auf die Abwahl von Kuprian, Fischer und Abhari dringt, größter Aktionär von PNE Wind geworden.Die PNE-Wind-Aktie gab am Mittwoch in der Spitze um 6 % nach und beendete den Xetra-Handel mit einem Abschlag von 3,7 % bei 2,22 Euro. Das an der Börse aktuell mit knapp 160 Mill. Euro bewertete Unternehmen, das im vergangenen Jahr einen negativen operativen Cash-flow verbuchte und für 2014 keine Dividende zahlt, stellt für das laufende Jahr eine Ausschüttung in Aussicht. Vorstandschef Martin Billhardt verwies auf erhebliche positive Ergebniseffekte nach dem vor wenigen Tagen verkündeten Verkauf der gesamten Projektpipeline in Großbritannien.