Chemie bekommt den Brexit zu spüren

Handel mit Großbritannien verliert an Gewicht - Geschäft wird insgesamt schwieriger

Chemie bekommt den Brexit zu spüren

swa Frankfurt – Die konjunkturellen Aussichten für die deutsche Chemieindustrie haben sich seit Monaten deutlich eingetrübt, aber auch das wirtschaftspolitische Umfeld bereitet der Branche zunehmend Sorgen. Dazu gehört der bevorstehende Austritt Großbritanniens aus der EU, der in den Handelsbeziehungen seine Schatten vorauswirft.Im Jahr 2018 ist das Vereinigte Königreich im Ranking der größten Handelspartner der deutschen Chemie- und Pharmaindustrie um eine Stufe auf Platz 7 abgerutscht. “Die sich im Kreis drehenden Verhandlungen um den Austritt haben hohen Aufwand in vielen Unternehmen verursacht, denn sie mussten Vorkehrungen für den Worst Case ,No-Deal` treffen”, erklärt Utz Tillmann, Hauptgeschäftsführer des deutschen Chemieverbands VCI. Auch wenn sich die Unternehmen intensiv auf einen ungeordneten Brexit vorbereiteten, sei die Verunsicherung nach wie vor groß.Unternehmen, die in Großbritannien produzieren, waren gezwungen, britische Produktregistrierungen auf in der EU ansässige Einheiten zu übertragen, damit sie diese Chemikalien weiterhin in der EU verkaufen können. Das Vereinigte Königreich wiederum will EU-Registrierungen akzeptieren, erläutert Tillmann. Der VCI schätzt, dass im Zuge des Brexit für die Chemie- und Pharmabranche Zölle im Volumen von 200 Mill. Euro entstehen werden.Die deutsche Chemie hat im Schlussquartal 2018 einen Rückschlag hinnehmen müssen, der allerdings von einem Sondereffekt in der Pharmaindustrie verstärkt wird. So hat ein Arzneimittelunternehmen, es soll sich um Abbvie handeln, in den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres die Produktion eines umsatzstarken Medikaments für die globale Belieferung hochgefahren. Im vierten Quartal sei die Herstellung dann gestoppt worden, weil genug produziert worden war, um am Markt erfolgreich zu sein.Das Auslaufen dieses Sondereffekts führte dazu, dass die Pharmaproduktion von Oktober bis Dezember gegenüber dem Vorquartal um 22 % einbrach. Die Pharma trägt 30 % zum Branchenumsatz bei, die Produktion von Chemie und Pharma schrumpfte im vierten Quartal um 10 %, die Chemie allein war um 3,2 % rückläufig. Im Jahresvergleich ist es in der Pharma im Quartal ein Produktionsminus um 2,1 %, in der Chemie allein um gut 8 %. Prognose revidiertTillmann räumt ein, dass der VCI den Sondereffekt in der Pharma im vierten Quartal anfangs als Rechenfehler eingestuft hat. Die im Dezember für 2019 veröffentlichte Prognose musste in Kenntnis der Hintergründe deutlich korrigiert werden. Der VCI rechnet nun im Jahr mit einem Rückgang der Produktion um 3,5 % und Umsatzeinbußen von 2,5 %. Werde der Pharma-Sondereffekt herausgerechnet, dürfte die Produktion 2019 stagnieren, heißt es. Zuletzt hatte der Verband noch ein Umsatzplus von 2,5 % in Aussicht gestellt, nachdem die Erlöse 2018 um 4,1 % auf 203,5 Mrd. Euro zulegten und erstmals die Schwelle von 200 Mrd. Euro überschritten.Die Chemie allein dürfte aus Sicht des VCI die Produktion 2019 um 1,5 % drosseln nach einem Rückgang um 2,2 % im Jahr 2018. Bei leicht höheren Preisen sollte der Chemieumsatz in laufenden Turnus um 0,5 % sinken.—– Wertberichtigt Seite 8