Chemie im Jagdfieber

M & A-Aktivität auf hohem Niveau - Dealvolumen rückläufig - Auch Digitalisierung treibt Übernahmen

Chemie im Jagdfieber

Das M & A-Volumen in der Chemieindustrie hat global 2017 zwar nicht die Rekordwerte der beiden Vorjahre erreicht, doch das Transaktionsgeschehen ist lebhaft geblieben. Nicht nur Konsolidierung und Synergien treiben, sondern zunehmend steht die Digitalisierung in Zukäufen im Vordergrund.swa Frankfurt – Die Chemieindustrie hat sich 2017 weltweit aktiv ins M & A-Geschehen eingeklinkt. Zwar ist das Dealvolumen gegenüber den vorangegangenen Rekordjahren deutlich gesunken, doch die Anzahl der Zukäufe ist stabil. Das stolze Volumen 2015 und 2016 war geprägt von der Ankündigung der beiden bislang größten Transaktionen: der Zusammenschluss der US-Chemieriesen DuPont und Dow, der im Herbst 2017 abgeschlossen wurde, sowie die Übernahme von Monsanto durch Bayer, die ihrer Vollendung harrt. 2016 war auch die Fusion von Linde und Praxair auf die Schiene gesetzt worden.Mit diesen Superlativen kann der Jahrgang 2017 nicht mithalten. Nach einer Aufstellung von LBBW Research hat sich das M&A-Volumen in der Chemie weltweit von zuvor 341 Mrd. Dollar auf 177 Mrd. Dollar fast halbiert. Dabei ist die Anzahl angekündigter Transaktionen mit 1 143 (i.V. 1154) nahezu unverändert (siehe Grafik). Wenn man die Pharma-/Life-Sciences-Industrie hinzunimmt, zeigt sich ein ähnliches Bild von rückläufigen Volumina bei anhaltend hoher Aktivität. Nach einer Analyse der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft KPMG ist die Zahl der angekündigten Fusionen und Übernahmen 2017 von 3 681 auf 3 738 geklettert, während das Dealvolumen um 35 % von 498 Mrd. auf 322 Mrd. Dollar schrumpfte. Umtriebige US-AdressenIm Pharmamarkt führen US-Käufer das Ranking an, und US-Adressen sind an allen Top-10-Deals beteiligt, hebt KPMG hervor. US-Käufer machten die Hälfte des Volumens in Life Sciences aus. Größte Transaktion mit 30 Mrd. Dollar ist die Übernahme des Schweizer Biotechunternehmens Actelion durch den US-Konzern Johnson & Johnson, die im Juni bereits abgeschlossen wurde. Der Deal gilt als größter in der europäischen Pharma seit 13 Jahren.Auch in der Chemie sind US-Adressen neben chinesischen Investoren die aktivsten im M&A-Geschäft. Allerdings ließen sich die beiden größten angekündigten Transaktionen nicht realisieren. So blieb der feindliche Griff des US-Farbenkonzerns PPG nach dem Wettbewerber Akzo Nobel erfolglos, und die Schweizer Clariant musste ihr Objekt der Begierde, den US-Spezialchemiekonzern Huntsman, nach Hineingrätschen von Aktivisten ziehen lassen.Das finanzielle Umfeld hat Transaktionen begünstigt, unterstreicht Matthias Schell, Analyst im “Credit Outlook” der LBBW. Die Ratings, die in den letzten Jahren durch schuldenfinanzierte Übernahmen unter Druck geraten waren, hätten sich zuletzt stabil gezeigt. Teilweise gab es sogar positive Ratingaktionen, Abstufungen drohten nur noch vereinzelt. Durch eine konservative Finanzpolitik und die gute Positionierung am Kapitalmarkt verfügten viele Chemieanbieter über eine starke Liquiditätsausstattung und einen guten Zugang zu Neuemissionen, erklärt Schell, der mit einer anhaltend regen Emissionstätigkeit in dem Sektor rechnet.Getrieben wird der M&A-Trend in Pharma und Chemie auch durch Bemühungen zur digitalen Transformation. So zählt KPMG 85 Software-Deals in Life Sciences 2017 und 14 in der Chemie. Beispiele sind der Kauf von Surgical Process Institute durch Johnson & Johnson oder der Erwerb von Viewics durch Roche. Gesucht sind auch Kooperationen. So arbeitet Bayer mit Bosch zusammen, um digitale Lösungen im Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu finden.