RECHT UND KAPITALMARKT

China ändert Rahmen für Auslandsinvestitionen

Höhere Stufe der Wertschöpfungskette als erklärtes Ziel - Europa als attraktive Region für Akquisitionen

China ändert Rahmen für Auslandsinvestitionen

Von Z. Julie Gao und Matthias Horbach *)Zwar hat Staatspräsident Xi Jinping sich in seinem politischen Bericht zum kürzlich zu Ende gegangenen 19. Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas nicht explizit zu Auslandsinvestitionen geäußert. Am 18. August 2017 haben jedoch die wesentlichen zuständigen Behörden der Volksrepublik, die Nationale Entwicklungs- und Reformkommission, das Handelsministerium (Mofcom), die People’s Bank of China und das Ministerium für Außenangelegenheiten, gemeinsame Leitlinien für Auslandsinvestitionen erlassen.Diese Opinions on Further Guidance and Regulating Outbound Investment, kurz Guiding Opinions, stehen im Zusammenhang mit dem 13. Fünfjahresplan von 2016, den Ende 2016 erlassenen Devisenbeschränkungen für Auslandsinvestitionen und der chinesischen “One Belt, One Road”-Initiative, auch unter dem Namen “Neue Seidenstraße” bekannt.Einerseits beschränken oder verbieten die Guiding Opinions chinesische Auslandsinvestitionen, die als irrational, riskant oder die nationalen Interessen potenziell gefährdend gelten. Andererseits fördern sie Investitionen in Unternehmen im Ausland, denen strategische Bedeutung beigemessen wird. Die Guiding Opinions finden unmittelbar nur auf Vorhaben der Privatwirtschaft Festlandchinas Anwendung. Staatliche Unternehmen und Staatsfonds werden sie dennoch als Kriterien für ihre Investitionsentscheidungen heranziehen. Unternehmen aus Hongkong etwa sind nicht betroffen. Drei KategorienDie Guiding Opinions untergliedern Auslandsinvestitionen in drei Kategorien. Solche der ersten Kategorie werden vom Staat gefördert, diejenigen der zweiten werden beschränkt und diejenigen der dritten sind unzulässig. In die erste Gruppe fallen Infrastrukturvorhaben, welche Teil der “One Belt, One Road”-Initiative sind, sowie Investitionen in Hightech-Unternehmen, Energieprojekte, Bodenschätze oder den Dienstleistungssektor, einschließlich Banken. Derartige Transaktionen werden künftig durch Steuerbegünstigungen oder die Bereitstellung von Devisen gefördert.In die zweite Kategorie fallen Investitionen in Immobilien, Hotels, die Entertainment-Branche sowie in Unternehmen, denen kein operatives Geschäft zugrundeliegt. Derartige Investitionen sollen eingeschränkt werden. Sie erhalten keine Förderung und werden bei der Verteilung von Devisengenehmigungen nachrangig behandelt. Für diese Investitionen ist also schon auf chinesischer Seite mit einer längeren Prüfungszeit zu rechnen; hinzu kommt, dass das Ergebnis der Prüfung ungewiss ist. Verkäufer von in den genannten Branchen tätigen Unternehmen sollten dies bei Abschlüssen mit chinesischen Erwerbern berücksichtigen. Nationale InteressenDie dritte Gruppe besteht aus Investitionen, welche Auswirkungen auf nationale Interessen oder die Sicherheit Chinas haben können. Diese sind gänzlich verboten. Dazu zählen unter anderem Investitionen im Glücksspielbereich und Transaktionen, die einen Transfer militärischer oder anderer von einem Exportverbot betroffener Technologien zur Folge haben.Im Jahr 2015 verzeichnete China erstmals einen Nettokapitalabfluss, 2016 erreichten die Auslandsinvestitionen dann einen Rekordwert von 183 Mrd. Dollar. Im November 2016 begann China, die Kontrollen für Überweisungen ins Ausland erheblich zu verschärfen und den Zweck von Devisengeschäften in erheblich stärkerem Umfang zu untersuchen. Infolge dieser Verschärfung war in den ersten neun Monaten 2017 insbesondere im Hinblick auf die Anzahl von Transaktionen mit chinesischer Beteiligung ein deutlicher Rückgang zu beobachten. Trotzdem kam es weiterhin zu einigen sehr großen Akquisitionen, so dass diese Statistik möglicherweise nur die Veränderung in der Ausrichtung anzeigt. Globale AllokationChinesische Investitionen im Ausland sind heutzutage nicht mehr nur auf die globale Expansion ausgerichtet, sondern auch auf die Ausdehnung des Geschäfts auf eine höhere Stufe der Wertschöpfungskette. Das Interesse verlagerte sich bereits im vergangenen Jahr von der Produktivitätssteigerung hin zur Verbesserung der industriellen Strukturen und der globalen Allokation von Ressourcen. Mit den Guiding Opinions wurde nun ein regulatorischer Rahmen geschaffen, der diese Entwicklung verstärken dürfte.Der europäische Markt erweist sich als attraktives Ziel für Unternehmenskäufe durch chinesische Investoren. So stieg der Umfang der Unternehmenstransaktionen mit chinesischer Beteiligung bis 2016 stetig, als er schließlich ein Volumen von 93,6 Mrd. Dollar erreichte. Die 231 Transaktionen des vergangenen Jahres mit chinesischer Beteiligung konzentrierten sich dabei insbesondere auf TMT, Industrieprodukte und Landwirtschaft und nutzten die technische Stärke und Erholung des europäischen Marktes. Mehr Befugnisse für BerlinIm gleichen Zeitraum gab es in Deutschland und der EU verschiedene Gesetzgebungsbemühungen mit dem Ziel der Verhinderung von Wissensabfluss ins Ausland, insbesondere nach China. So beschloss die Bundesregierung am 12. Juli 2017 Änderungen der deutschen Außenwirtschaftsverordnung. Die neue Rechtslage weitet die Befugnis des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie aus, die Übernahme inländischer Unternehmen zu untersagen.Diese Ausweitung betrifft vor allem Unternehmen, die – insbesondere durch Bereitstellung von für diese Industriezweige konzipierter Software – in kritischer Infrastruktur wie Telekommunikationsüberwachung, Telematik-Infrastruktur, Cloud-Computing-Dienste, Technologie im Zusammenhang mit der Erzeugung und Lieferung von Elektrizität, Wasserversorgung und Kanalisationssystem und Einrichtungen für den Betrieb von Sprach- und Datenkommunikationssystemen tätig sind. Darüber hinaus verlängert sich durch die neuen Bestimmungen der Zeitraum für die Überprüfung möglicher Akquisitionen.Am 13. September 2017 schlug die EU eine Verordnung vor, mit der ein Rahmen für die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen in der EU geschaffen werden soll. Dem Vorschlag zufolge können die Mitgliedstaaten und die Kommission ausländische Direktinvestitionen überprüfen (Screening). Sie sind zwar nicht verpflichtet, einen Screening-Mechanismus einzuführen oder beizubehalten, würden jedoch dann gewissen Mindestanforderungen unterliegen, wenn sie ein Screening vorsehen, was derzeit in zwölf von 28 Mitgliedstaaten der Fall ist.Im Rahmen des Verordnungsvorschlags wurden folgende Kriterien für die Bewertung durch Mitgliedstaaten und die Kommission genannt: Auswirkungen auf kritische Infrastruktur wie Energie, Verkehr, Kommunikation, Datenspeicherung, Raumfahrt, Finanzinfrastruktur oder sensible Einrichtungen, auf kritische Technologien wie künstliche Intelligenz, Robotik, Halbleiter, potenzielle Dual-Use-Anwendungen, Cybersicherheit, Weltraum- oder Nukleartechnologie, auf die Versorgungssicherheit in Bezug auf kritische Güter sowie auf den Zugriff auf bzw. die Kontrolle über sensible Informationen. Darüber hinaus würde das Screening im Rahmen der vorgeschlagenen Verordnung berücksichtigen, ob der Investor “von der Regierung eines Drittlandes kontrolliert wird, was auch durch die Bereitstellung erheblicher Finanzmittel erfolgen kann”. InteressenkonfliktDie erwähnten regulatorischen Schritte in China und Europa legen nunmehr den Interessengegensatz zwischen beiden offen: Während der deutsche und europäische Fokus auf dem Schutz von Know-how und kritischer Infrastruktur liegt, fördern die chinesischen Regeln unter anderem gerade Investitionen in Unternehmen, die der Hightech-Industrie zuzuordnen sind, so dass Konflikte mit der fortschreitenden Regulierung von Investments in Deutschland und der EU sowie eine erhöhte Unsicherheit und Komplexität diesbezüglicher Transaktionen zu erwarten sind.—-*) Z. Julie Gao ist Partnerin von Skadden in Hongkong, Dr. Matthias Horbach Partner in Frankfurt.