Hauptversammlung

China-Geschäft treibt VW-Aktionäre um

Auf der erneut von Protesten begleiteten Hauptversammlung des Autobauers Volkswagen haben Aktionäre insbesondere das China-Geschäft ins Visier genommen.

China-Geschäft treibt VW-Aktionäre um

China-Geschäft treibt die Volkswagen-Aktionäre um

Sorgen vor zunehmender Konkurrenz auch auf dem Heimatmarkt – Vorstand beschwichtigt – Proteste und Tortenwurf auf der Hauptversammlung

ahe Berlin

Marktanteilsverluste des Volkswagen-Konzerns in China und steigende Taiwan-Risiken treiben den institutionellen Investoren des Wolfsburger Autobauers zunehmend Sorgenfalten auf die Stirn. Auf der Hauptversammlung in Berlin verwiesen Aktionäre am Mittwoch darauf, dass VW im Bereich der Elektromobilität in China gerade einmal auf einen Marktanteil von 2,7% kommt und vom chinesischen Marktführer BYD abgehängt wurde. „Für VW geht es nun darum, auf dem größten Automarkt der Welt relevant zu bleiben – oder sich mit einem Dasein als Nischenanbieter zufriedenzugeben“, warnte Janne Werning von der Fondsgesellschaft Union Investment. In nicht allzu ferner Zukunft werde VW auch auf dem Heimatmarkt seine Stellung gegen chinesische Anbieter verteidigen müssen.

Ingo Speich von Deka Investment ist ebenfalls überzeugt, dass der chinesische Markt in atemberaubender Geschwindigkeit zeige, wo die Reise hingehen könnte. „VW wird bei der Elektromobilität von Tesla aus dem Westen und BYD aus dem Osten in die Zange genommen, die jetzt auch den europäischen Markt zunehmend unter Druck setzen“, warnte er. Tesla komme dabei aus dem hochpreisigem Segment in den Massenmarkt, BYD aus dem sehr preiswerten Segment von unten nach oben, so Speich.

Nach Einschätzung von Hendrik Schmidt, Corporate-Governance-Experte der Fondsgesellschaft DWS, rücken die chinesischen Anbieter auch dank umfangreicherer Infotainment-Ausstattungen und besserer technischer Daten mehr und mehr an die Premiummarken heran. Darüber hinaus hätten Tesla und die chinesischen Hersteller im Preis- und Kostenwettbewerb die Nase vorn, betonte er und äußerte ebenfalls die Befürchtung, dass Volkswagen seine Zukunft auf dem chinesischen Markt verspiele.

„Tektonische Verschiebung“

Dass eine „tektonische Verschiebung“ bei den Marktanteilen in China anstehe, habe sich bereits über viele Quartale abgezeichnet, analysierte Schmidt. Unter den zehn meistverkauften Elektroautos in China befinde sich heute kein Modell des Volkswagen-Konzerns. Tesla habe es als einziger ausländischer Autobauer in diese Liste geschafft.

Vorstandschef Oliver Blume räumte ein, dass das Tempo, das der Markt in China bei Elektrifizierung und Digitalisierung vorlege, „beeindruckend“ sei. Er betonte aber zugleich, dass Volkswagen in China „als Nummer 1 im Markt aus einer Position der Stärke“ agiere. Blume verwies auf das „China-Zielbild 2030“, dessen Eckpfeiler kürzlich auf der Shanghai Auto Show vorgestellt wurden. Im Kern gehe es darum, die Produkte noch stärker auf chinesische Kunden auszurichten, die Entwicklung neuer Technologien zu beschleunigen und mehr Synergien zu nutzen, sagte er. Dabei setze VW auf lokale Partnerschaften und wolle die Entwicklungszeit eines neuen Modells in China um etwa ein Drittel verkürzen. Blume verwies außerdem darauf, dass Cariad China gezielt weiter ausgebaut werde und außerdem ja noch in diesem Jahr mit der Produktion im neuen Elektro-Joint-Venture Anhui gestartet werde.

Der Präsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), Ulrich Hocker, verwies auf ein weiteres politisches Risiko im Zusammenhang mit dem China-Geschäft: Was sei, wenn der Taiwan-Konflikt weiter eskaliere und die USA Sanktionen beschlössen, fragte er. China-Vorstand Ralf Brandstätter bezeichnete mögliche Sanktionen als „spekulativ“. Mögliche Konsequenzen für das Geschäftsmodell könnten dann nur „situativ gesamtunternehmerisch“ abgewogen werden, sagte Brandstätter nur.

Die Hauptversammlung, an der rund 700 Aktionäre teilnahmen und auf der eine Präsenz von 56,05% aller Aktien und 94,26% der Stammaktien verzeichnet wurde, wurde von zahlreichen Protesten begleitet. Klimaaktivisten hatten schon im Vorfeld versucht, mit Klebeaktionen auf umliegenden Straßen und Plätzen die Versammlung zu stören. Menschenrechtsgruppen forderten auf Transparenten ein Ende der „Zwangsarbeit“ von Uiguren in China. Mehrfach wurde Blumes Rede unterbrochen.

Ein Aktivist warf eine Torte in Richtung von Aufsichtsrat Wolfgang Porsche, der an dem Tag seinen 80. Geburtstag feierte, verfehlte ihn aber. Auch Farbbeutel sollen geflogen sein. Porsche sollte ein neues Mandat erhalten, was auch institutionelle Aktionären kritisierten. „Wieder einmal wurde die Chance vertan, den Aufsichtsrat fachlich weiterzuentwickeln und zu verjüngen“, so Deka-Sprecher Speich.

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