China öffnet sich - der Westen macht zu

Peking erlaubt ausländische Mehrheitsanteile in immer mehr Branchen - Europa und USA verschärfen Vetorechte

China öffnet sich - der Westen macht zu

Die Coronakrise und der Druck der US-Regierung haben China dazu gebracht, größere Teile der Wirtschaft für Beteiligungen ausländischer Unternehmen an chinesischen Gesellschaften zu öffnen. Neuerdings gilt das sogar für kritische Bereiche wie Nuklearbrennstoffe, die umgekehrt in Europa abgeschottet werden.cru Frankfurt – China öffnet immer mehr Branchen für Mehrheitsbeteiligungen ausländischer Investoren. Jüngstes Beispiel dafür ist die gerade in Kraft getretene Erlaubnis, Beteiligungen von 51 % und mehr an Nutzfahrzeugherstellern einzugehen – eine Gelegenheit für Daimler, in China beim Joint Venture aufzustocken. Zuvor erfolgte die Öffnung schon für eine lange Liste anderer Branchen. Darunter sind sogar Nuklearbrennstoffe, städtische Wasserleitungen oder die Luftverkehrskontrolle – allesamt Bereiche, die in Europa einem Außenwirtschaftsrecht mit weitreichenden staatlichen Vetorechten unterliegen, die gerade in jüngster Zeit verschärft wurden und chinesische Investoren zusehends abschrecken oder sogar direkt blockieren.”Die Öffnung Chinas erfolgt auf Druck der amerikanischen Trump-Regierung – und wird ausgerechnet in einer Zeit wirksam, in der Europa und die USA aus übergeordneten politischen Gründen einen Teil der Globalisierung wieder aufheben. Profiteure der Öffnung in China sind vor allem deutsche Unternehmen”, fast Transaktionsanwalt Heiner Braun von der Kanzlei Freshfields die Entwicklung zusammen.Tatsächlich hat beispielsweise BMW als erster ausländischer Autohersteller die Mehrheit an einem Joint Venture in China übernommen. Für die Anteilsaufstockung bei Brilliance Automotive (BBA) um 25 auf 75 % zahlte der deutsche Autohersteller rund 3,6 Mrd. Euro. Der Rivale Daimler stockte beim chinesischen Partner BAIC auf, und der Motorenhersteller Deutz verfolgt ähnliche Pläne. Auch im Finanzsektor profitierte ein deutscher Konzern von der Öffnung: Im Reich der Mitte konnte die Allianz als erster ausländischer Versicherer überhaupt eine Holding gründen, an der kein einheimisches Unternehmen beteiligt ist. Wer dreimal blockiert wird …In Deutschland dagegen wurden chinesische Beteiligungen am ostdeutschen Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz sowie am Halbleitermaschinenbauer Aixtron und dem Maschinenbauer Leifeld zumindest indirekt blockiert. “Es gab zwar kein offizielles Veto des Bundeswirtschaftsministeriums. Aber es zeichnete sich bei Leifeld ab, und das führte dazu, dass sich der chinesische Investor zurückzog. Seither gibt es kaum noch Übernahmeversuche”, erklärt Anwalt Braun von Freshfields. “Die Prüfung durch das Wirtschaftsministerium dauert bis zu zwölf Monate. Allein das wirkt schon abschreckend.”Zudem ist die Liste der Sektoren mit Anmeldepflicht immer länger geworden. Nach der kritischen Infrastruktur, zu der Stromnetze, Transportwege und Wasser zählen, kamen – auch auf Basis der EU-Screening-Verordnung – künstliche Intelligenz, Robotik und Halbleiter dazu, aber auch “sensible Informationen” und “Freiheit der Medien”. Auslöser der Entwicklung war die chinesische Übernahme des deutschen Roboterherstellers Kuka. Hinzu kam in jüngster Zeit die Befürchtung, dass die Coronakrise die Preise für Unternehmen auf Schnäppchen-Niveau drücken könnte. Zwar sind chinesische Investoren nach der Übernahmewelle 2016/17 schon seit einiger Zeit zurückhaltender, aber in der Coronakrise befürchteten deutsche Politiker, sie seien “auf der Suche nach günstigen Einstiegsgelegenheiten”, wie Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier argwöhnte.Der Gesetzgeber hat mit Änderungen der Außenwirtschaftsverordnung reagiert. Neben neuen Sektoren mit Anmeldepflicht gibt es seither Untersagung des Vollzugs von Deals inklusive straf- und verwaltungsrechtlicher Sanktionen in “kritischen” Sektoren vor der Genehmigung durch die Regierung und die Untersagungsschwelle wurde abgesenkt auf 10 % der Stimmrechte.Zudem ermutigte die Entwicklung auch das Bundeskartellamt, genauer hinzuschauen: Während der chinesische Eisenbahnkonzern CRRC bei der Fusionskontrolle des von der EU untersagten Zusammenschlusses der Bahnsparten von Siemens und Alstom nicht als relevanter Wettbewerber galt, wurde die Übernahme der Lokomotivensparte von Vossloh durch CRRC vom Kartellamt streng geprüft.Im krassen Gegensatz dazu steht die beschleunigte Öffnung Chinas – vielleicht auch als Reaktion auf die Blockade des Westens: Erst kürzlich wurde die Version 2020 der “Special Administrative Measures on Access for Foreign Investment” (Negativliste für ausländische Investitionen) gemeinsam von der Nationalen Entwicklungs- und Reformkommission und dem berüchtigten und mächtigen Handelsministerium Mofcom veröffentlicht. … der öffnet sichDie Negativliste für ausländische Investitionen ist eine der Listen im System der “Negativlisten”, das die Industrien in China regelt, in denen private und ausländische Unternehmen investieren können oder nicht. Eine separate und verkürzte Negativliste für ausländische Investitionen, die für Freihandelszonen gilt, wurde ebenfalls am selben Tag veröffentlicht.”Die Regierung hat sowohl die Auswirkungen von Covid-19 auf die Wirtschaft als auch langfristige Pläne zur Reform des Geschäftsumfelds für ausländische Unternehmen als Hauptimpulse für die Aktualisierung der Liste in diesem Jahr genannt”, kommentiert Anika Patel, politische Analystin der British Chamber of Commerce in China.”Es bleibt jedoch abzuwarten, ob ausländische Unternehmen angesichts der erheblichen globalen Unsicherheit den Zeitpunkt für den Eintritt in einen neuen Markt für richtig halten.”