RECHT UND KAPITALMARKT

China verschärft Sicherheitsgesetze

Neue Restriktionen für westliche Unternehmen - Verschärfte Kontrolle von Datennetzen und Infrastruktureinrichtungen

China verschärft Sicherheitsgesetze

Von Nils Krause und Dan Li *)Seit einiger Zeit arbeitet die Volksrepublik China an einer weiteren Marktöffnung und Liberalisierung des Rechtssystems für ausländische Unternehmen. Diesbezüglich sollen beispielsweise künftig die Beteiligungsbeschränkungen an Joint Ventures im Bereich der sogenannten kritischen Industrie entfallen. Des Weiteren ist ein einheitliches Gesetz über Auslandsinvestitionen, das Rechte von ausländischen Investoren stärker schützt, in der Vorbereitung.Trotz dieser zunächst als positiv zu bewertenden Schritte bleiben Zweifel an einer generellen Marktöffnung und insbesondere am Schutz von Geschäftsgeheimnissen wie jüngst im Rahmen des Netzausbaus in Deutschland diskutiert wurde.In der Praxis fällt auf, dass viele westliche Unternehmen häufig gerade die Auswirkungen der chinesischen Sicherheitsgesetze auf die grenzüberschreitende Transaktionspraxis falsch einschätzen bzw. übersehen. Dabei sollte der Schutz der eigenen Geschäftsgeheimnisse stärker an Bedeutung gewinnen, da die jüngsten chinesischen Sicherheitsgesetze auch Privatunternehmen verpflichten, mit dem chinesischen Geheimdienst zusammenzuarbeiten. Dies betrifft sowohl grenzüberschreitende Joint-Venture-Projekte wie auch internationale M&A-Deals mit China. Breite VerpflichtungenDas im Jahr 2017 in Kraft getretenen Gesetz über den nationalen Geheimdienst gewährt dem chinesischen Geheimdienst weitreichende Kompetenzen. Neben dem Recht, Unternehmenseinrichtungen zu betreten und betriebliche Unterlagen einzusehen sowie Arbeitnehmer und Unternehmensvertreter zu befragen, können auch E-Mails ausgelesen werden. Wirtschaftsunternehmen sind hiernach verpflichtet, Beamte der öffentlichen Sicherheit bei der Durchführung einer Vielzahl von Geheimdienstarbeiten zu unterstützen. Dabei gelten diese Verpflichtungen für jedes in China tätige Unternehmen, unabhängig davon, ob es sich um ein chinesisches oder internationales Unternehmen handelt. Geheimdienst tief verankert Die chinesische Sicherheitsbehörde ist zudem ermächtigt, jeden festzunehmen, der die zuvor beschriebenen Geheimdienstarbeiten behindert. Das Gesetz enthält dabei keine nähere Definition für eine Behinderung. Insoweit besteht für Unternehmen in China das Risiko, dass eine Nichteinhaltung der Verpflichtung zur Unterstützung oder Zusammenarbeit durch bloßes Schweigen ebenfalls als eine Behinderung angesehen wird. An dieser Stelle ist anzumerken, dass das chinesische Strafrecht Beschuldigten kein eindeutiges Aussageverweigerungsrecht einräumt. Dies spricht eher dafür, dass in der künftigen Behördenpraxis bei der Anwendung dieses Sicherheitsgesetzes ein fehlendes Unterstützungsverhalten als eben eine Behinderung der chinesischen Sicherheitsbehörden angesehen wird.Ebenfalls ist kritisch an diesem Sicherheitsgesetz zu sehen, dass die chinesische Geheimdienstarbeit grundsätzlich weit verstanden wird. Sie wird als Sammlung öffentlicher oder geheimer Informationen im In- und Ausland zur Entscheidungshilfe des Staates sowie zum Schutz der nationalen Sicherheit und Interessen verstanden. Der Begriff nationales Interesse umfasst nach dem Gesetz neben der Souveränität Chinas, der Einheit und der territorialen Integrität auch wirtschaftlichen Wohlstand sowie die nachhaltige Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft. Ausländische Industrie- und Technologiegeheimnisse können als bedeutsam für den chinesischen Wohlstand angesehen werden. Gerade dieser Punkt wird häufig von Unternehmen falsch eingeschätzt. Nationale Sicherheit meint in China weit mehr als Schutz der chinesischen Souveränität. Es ist zu befürchten, dass der chinesische Geheimdienst diesen Aspekt der nationalen Interessen stärker in den Fokus der Arbeit rückt.Neben dem Gesetz über den nationalen Geheimdienst hat die chinesische Regierung zum Schutz der nationalen Sicherheit eine Vielzahl unterschiedlicher Gesetze erlassen, die dem chinesischen Staat erhebliche Kontrollrechte einräumen. Dazu gehören vor allem das Gesetz über Cybersicherheit, das Gesetz zur nationalen Sicherheit, das Gesetz zum Anti-Terror sowie das Gesetz zur Spionageabwehr.Diese Gesetze ermöglichen dem chinesischen Staat und seinen Sicherheitsorganen umfangreiche Zugriffsrechte auf Datennetze und Infrastruktureinrichtungen. Auch hier gilt der Grundsatz, dass betroffene Unternehmen bestraft werden, soweit sie nicht entsprechend kooperieren. Dies kann neben hohen Bußgeldern auch den Entzug der Geschäftslizenz für China zur Folge haben.Zudem regeln diese Gesetze den Datentransfer aus China in ausländische Jurisdiktionen. Sämtliche als sensibel eingestuften personen- und unternehmensbezogene Daten müssen nach chinesischem Recht grundsätzlich in China gespeichert werden und dürfen nicht außer Landes geschaffen werden. Nur nach einer behördlichen Prüfung und Genehmigung ist die Datenübermittlung ins Ausland möglich. Für ausländische Unternehmen gibt es keine Ausnahme von dieser Regelung. In der Praxis erhält damit der chinesische Staat noch stärkeren Zugriff auf Unternehmensdaten, da diese vor dem Transfer gesichtet werden. Risiko steigtDie strengeren Sicherheitsgesetze können in der Behördenpraxis dazu führen, dass gerade in Joint Ventures der chinesische Joint-Venture-Partner sich bemüßigt fühlt, eine Vielzahl von Daten, einschließlich Unternehmensgeheimnisse, an die chinesischen Sicherheitsbehörden weiterzugeben.Ausländische Betreiber kritischer Infrastruktureinrichtungen, wie etwa im Kommunikationswesen, Energiesektor, Transportwesen, in der Wasserversorgung, im Finanzwesen oder im Rahmen öffentlicher Versorgungsanlagen und E-Government-Dienstleistungen haben so gut wie keine Rechte, eine Datenherausgabe an chinesische Sicherheitsbehörden zu verweigern. Damit erhält die chinesische Regierung Zugang zu einer Vielzahl hochsensibler Unternehmensdaten, einschließlich Erfindungen und weiteres geistiges Eigentum. Der chinesische Staat kann diese Information nutzen, um chinesische Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Politisch geprägtes UmfeldWegen seines großen Marktpotenzials ist China für ausländische Unternehmen weiterhin besonders attraktiv. Mit den neuen Maßnahmen zur Marktöffnung versucht China, ausländische Investitionen für die Volksrepublik zu gewinnen. Diese positive Entwicklung darf jedoch ausländische Unternehmen nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie in einem stark politisch geprägten Geschäftsumfeld agieren. Insbesondere hat der chinesische Staat mit den jüngst erlassenen nationalen Sicherheitsgesetzen seinen Zugriff auf sensible Unternehmensdaten weiter ausgebaut, was das geistige Eigentum und die Geschäftsgeheimnisse der ausländischen Unternehmen besonders gefährdet.China wird zwar vordergründig liberaler, jedoch stellen die verschärften Sicherheitskontrollen nun neue Risiken für ausländische Unternehmen dar. Diese sollten bei Joint-Venture-Projekten mit chinesischen Unternehmen oder bei dem Erwerb von chinesischen Unternehmen bedacht werden. Auch bei Minderheitsbeteiligungen von chinesischen Unternehmen an ausländischen Unternehmen steigt das Risiko, dass der chinesische Geschäftspartner aufgrund der jüngsten Sicherheitsgesetze geheime Unternehmensdaten nach China weiterreicht.—-*) Dr. Nils Krause ist Partner, Dan Li Transaction Lawyer von DLA Piper in Hamburg. Beide gehören dem deutschen China Desk der Sozietät an.