Halbleiter

China versetzt Micron eine Breitseite

China teilt im Technologiestreit mit den USA erstmals gegen einen US-Chiphersteller aus. Pekings Datenschützer stempeln Speicherchips von Micron als Sicherheitsrisiko ab und warnen heimische Datencenter-Betreiber vor ihrer Verwendung.

China versetzt Micron eine Breitseite

China versetzt Micron eine Breitseite

Speicherchips des US-Konzerns werden zum Sicherheitsrisiko deklariert – Politische Retourkutsche im Streit mit den USA

China teilt im Technologiestreit mit den USA erstmals gegen einen US-Chiphersteller aus. Pekings Datenschützer stempeln die Speicherchips von Micron Technology als Sicherheitsrisiko ab und warnen ihre heimischen Datencenterbetreiber vor der Verwendung dieser Halbleiter.

Von Norbert Hellmann, Schanghai

Im industrie- und sicherheitspolitischen Streit zwischen China und den USA zieht die Pekinger Regierung ein neues Register. In einer Erklärung der chinesischen Cybersicherheitsbehörde vom Sonntag wurden Speicherchip-Produkte des US-Herstellers Micron Technology bei der Verwendung in „kritischer informationstechnologischer Infrastruktur“  zu einem potenziellen Sicherheitsrisiko erklärt. Entsprechend erging eine Warnung an chinesische Betreiber von kritischer Infrastruktur im Bereich der Informationstechnologie, zu der vor allem auch Datenzentren gerechnet werden, künftig nicht mehr auf Produkte der Firma zurückzugreifen.

In der Notifizierung der Behörde wird von „relativ ernsten“, aber nicht näher erläuterten Sicherheitsproblemen von Micron-Produkten gesprochen, die im Rahmen der Lieferkette für die kritische Dateninfrastruktur als nationales Sicherheitsrisiko angesehen würden. In einer ersten Reaktionen des Washingtoner Handelsministerium heißt es, die Entscheidung entbehre jeglicher Grundlage. Die USA würden weiterhin zusammen mit verbündeten Ländern darauf hinwirken, von China ausgehende Störungen der Halbleiterindustrie zu begrenzen. Bei Micron hieß es, man werde die Details des Untersuchungsverfahrens und der Entscheidung evaluieren und in der Diskussion mit der chinesischen Obrigkeit bleiben.

Die Entscheidung der Cybersecurity Administration of China (CAC) kommt nicht völlig überraschend, nachdem die in den vergangenen Jahren mit immer weitreichenderen Kompetenzen versehene Behörde Anfang April ein Untersuchungsverfahren über Sicherheitsaspekte der nach China importierten Produkte des führenden US-Speicherchip-Produzenten angekündigt hatte. Bereits zu diesem Zeitpunkt war absehbar, dass das Verfahren nicht nur als Drohgebärde dienen dürfte, sondern auch Maßnahmen gegen Micron nach sich ziehen würde. Zuvor hatte Peking beim Volkskongress im März mit Blick auf den US-Streit eine neue sicherheitspolitische Offensive angekündigt. Dabei wurden auch Vergeltungsmaßnahmen wegen Washingtoner Restriktionen bei der Belieferung Chinas mit hochleistungsfähigen und militärisch verwendbaren Halbleiterprodukten angedeutet.

Über die Konsequenzen des Vorgehens gegen Micron gibt es geteilte Meinungen. Einerseits betonen Analysten, dass sich China als ersten Warnschuss einen US-Hersteller herausgesucht hat, dessen Chipverkäufe nach China mit 11% nur einen relativ begrenzten Anteil am Gesamtumsatz des Konzerns ausmachen. Andere US-Branchenadressen wie Qualcomm, Broadcom oder Intel hängen mit China-Anteilen am Umsatzvolumen von 64%, 33% und 27% noch wesentlich stärker vom Reich der Mitte als Absatzterritorium ab.

Auch wird darauf verwiesen, dass Micron-Speicherchips nur in geringem Maße von chinesischen Datenzentren und Cloud-Computing-Anbietern verwendet werden und das Gros der nach China gelieferten Produkte in Smartphones und anderen elektronischen Konsumgeräten verbaut wird. Nach der jetzigen Lesart der CAA-Ankündigung sind diese Chips nicht Gegenstand der Sicherheitswarnung.

Andere Experten verweisen darauf, dass das Vorgehen der CAA Micron grundsätzlich im chinesischen Markt in ein schlechtes Licht rücken könnte und indirekter Druck auf chinesische Gerätebauer ausgeübt wird, künftig auf andere Chipzulieferer auszuweichen. Dabei dürften vor allem die koreanischen Hersteller Samsung und Hynix als Anbieter von vergleichbaren Chipelementen von Ausweichreaktionen profitieren. Derartige Überlegungen spiegeln sich an der Börse. Die Micron-Aktie büßte im vorbörslichen Handel in New York bis zu 7% ein und lag am Nachmittag noch knapp 4% im Minus.  

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