Chinas Autoindustrie drängt auf den Weltmarkt

Ernst & Young: Pkw-Hersteller und Zulieferer aus der Volksrepublik sehen vor allem Chancen in Schwellenländern - Weitere Zukäufe geplant

Chinas Autoindustrie drängt auf den Weltmarkt

Für viele deutsche Autokonzerne ist China der wichtigste Absatzmarkt. Aber auch als Produktionsstandort wird das Reich der Mitte an Bedeutung gewinnen. Chinas Autobauer rüsten sich, um den Weltmarkt zu erobern.ds Frankfurt – An Selbstbewusstsein fehlt es chinesischen Autoherstellern nicht, auch wenn ihre Erzeugnisse in Crashtests im Westen nicht immer gerade Bestnoten erhalten. Fast neun von zehn Autoherstellern und -zulieferern in China (87 %) erwarten, dass die Bedeutung chinesischer Unternehmen auf dem Weltmarkt steigen wird. Zu diesem Ergebnis kommt die Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst & Young (EY) in einer Studie. Investieren im AuslandDiese Einschätzung ist mehr als reines Wunschdenken und ernst zu nehmen. Denn an China kommt schon lange kein globales Automobilunternehmen mehr vorbei. Schließlich ist das Reich der Mitte längst der größte Pkw-Markt der Welt. Noch sind in der Volksrepublik zwar vor allem Marken deutscher, japanischer, koreanischer und amerikanischer Autobauer gefragt. Die deutschen Autohersteller verkaufen inzwischen fast so viele Autos in China wie in der EU. Für Volkswagen, BMW oder Audi ist China der größte Markt der Welt.Doch die chinesischen Konkurrenten wollen der Studie zufolge aufholen und peilen auch den Weltmarkt an. Während in den vergangenen drei Jahren lediglich jeder sechste chinesische Hersteller oder Zulieferer außerhalb Chinas investiert habe, wolle in den kommenden drei Jahren fast die Hälfte der Zulieferer und knapp ein Drittel der Hersteller im Ausland zukaufen, Kooperationen eingehen oder auf eigene Faust den Markteintritt wagen, so EY. Schon viel akquiriertChinesische Unternehmen haben sich hierzulande schon viele Autozulieferer geschnappt, darunter im vergangenen Jahr den Stahlblechhersteller ThyssenKrupp Tailored Blanks (für 300 Mill. Euro), den Türschlösserspezialisten Kiekert (für geschätzt 250 bis 300 Mill. Euro) und im Jahr 2011 den Leichtmetall-Gussteilebauer KSM Castings (300 Mill. Euro), den Dichtungshersteller Saargummi (64 Mill. Euro) sowie den Innenraum-Oberflächenspezialisten Sellner (19 Mill. Euro). Deutschland stehe bei chinesischen Automanagern besonders hoch im Kurs, hat EY ermittelt: Ein Fünftel bezeichne die Bundesrepublik als Top-Investitionsstandort. Deutschland platziere sich im Ranking damit auf dem dritten Platz hinter Nordamerika (26 %) und China selbst (78 %).Dass die Chinesen mit ihren Produkten schnell in die Triade-Märkte drängen, ist indes weniger zu befürchten. Absatzerfolge würden sich nach Einschätzung der chinesischen Automanager eher in anderen Weltregionen einstellen. Vor allem Schwellenländer in Südostasien und Afrika böten chinesischen Autobauern demnach gute Absatzchancen.Derweil steht Europa als Produktionsstandort hoch im Kurs. Der Alte Kontinent dürfte bei den Investitionsplänen der expandierenden chinesischen Autounternehmen eine wichtige Rolle spielen, heißt es in der Studie, für die im August Führungskräfte von 150 chinesischen Automobilherstellern und -zulieferern befragt wurden. Von ihnen planten 31 % Investitionen in Westeuropa, mehr als in Südostasien (29 %), Afrika (26 %) und Nordamerika (21 %).”Die europäische Autoindustrie verfügt über erhebliches technologisches Know-how und eine lange Automobiltradition und ist derzeit der chinesischen Konkurrenz noch weit überlegen”, erklärt Peter Fuß, Senior Advisory Partner Automotive bei EY.Für expansionswillige Unternehmen, die schnell Know-how und den Zugang zum Weltmarkt suchten, sei Europas Autoindustrie trotz Absatzkrise sehr attraktiv. Die Zeit für einen Einstieg sei günstig. Vor allem in Südeuropa gehe es bei vielen Automobilunternehmen und Zulieferern ans Eingemachte. “Da könnten schon bald Investoren aus Fernost ihre Chance nutzen: Mit ihren üppigen Finanzmitteln können sie ohnehin Zukäufe in erheblichem Ausmaß stemmen.” Auch Inder sehr aktivAllerdings konkurrieren sie dabei mit den Indern, die stark im Autozuliefergeschäft aktiv sind und auch in Deutschland schon viel gekauft haben – darunter im laufenden Jahr den Umformspezialisten Neumayer Tekfor, 2011 den Kunststoffteile-Hersteller Peguform, 2010 den Gummi-Spezialisten Gumasol Werke oder 2008 die ThyssenKrupp-Präzisionsschmiede. Zuvor gingen schon das Schmiedeunternehmen Jeco Holding, Amann Druckguss oder der Nockenwellen- und Kolbenproduzent Carl Dan. Peddinghaus aus Deutschland an indische Investoren.Beim Sprung auf den Weltmarkt setzten die chinesischen Automotive-Unternehmen vor allem auf Kooperation: Gut jeder zweite chinesische Automanager hält der Erhebung von EY zufolge Joint Ventures für besonders erfolgversprechend. Jeder Vierte rechne damit, dass chinesische Unternehmen vermehrt ausländische Autokonzerne übernehmen werden. Von den Unternehmen, die derzeit konkrete Investitionspläne schmieden, setze immerhin jedes zehnte auf einen Unternehmenskauf. Schwache QualitätVorteile bei den Auslandsengagements seien aus chinesischer Sicht vor allem die Erschließung neuer Absatzmärkte, die stärkere Kundennähe und der Know-how-Transfer. Es bleibt noch einiges zu tun, damit chinesische Automobilunternehmen auf dem Weltmarkt erfolgreich sein können: 92 % der Befragten aus China sehen noch Nachholbedarf bei der Qualität, 89 % bei der Stärkung der Marken, so EY. Und nach Ansicht von 87 % der chinesischen Automanager benötige Chinas Autoindustrie mehr technologisches Know-how. Blick nach EuropaBislang sind die chinesischen Marken in Europa meist nur Experten bekannt, doch das dürfte sich ändern. Knapp acht von zehn Unternehmen rechnen laut EY damit, dass chinesische Automarken in Europa und Amerika Fuß fassen werden. Und immerhin jeder Vierte prognostiziere, dass die Pkw aus dem Reich der Mitte bereits in den nächsten fünf Jahren in größerem Umfang auf den Straßen Europas und Nordamerikas fahren werden.