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Chinas Automarkt bekommt einen Stromstoß verpasst

Von Norbert Hellmann, Schanghai Börsen-Zeitung, 27.4.2017 Chinas Industrieministerium hat mit einer Blaupause für den Automobilmarkt ein deutliches Zeichen gesetzt, wohin die Reise in Sachen Elektromobilität geht. Es soll geklotzt und nicht...

Chinas Automarkt bekommt einen Stromstoß verpasst

Von Norbert Hellmann, SchanghaiChinas Industrieministerium hat mit einer Blaupause für den Automobilmarkt ein deutliches Zeichen gesetzt, wohin die Reise in Sachen Elektromobilität geht. Es soll geklotzt und nicht gekleckert werden. Insgesamt peilen Chinas Wirtschaftsplaner bis zum Jahr 2025 einen Zuwachs der jährlichen Neuwagenkäufe um weitere 25 % auf dann rund 35 Millionen Wagen an. Dabei soll aber dann jedes fünfte verkaufte Auto ein batteriebetriebenes Fahrzeug oder zumindest ein sogenanntes Hybridmodell mit Verbrennungsmotor und begleitendem elektrischen Antrieb sein. Globale FührungsrolleWenn diese Planziele realisiert werden, was durchaus im Rahmen des Machbaren erscheint (siehe Grafik), wird der chinesische Pkw-Markt sich nicht nur bei den Verkaufszahlen insgesamt weiter von den USA und Europa abheben, sondern auch im Bereich der Elektromobilität das globale Epizentrum abgeben. Die westlichen Autobauer werden das mit einem lachenden und einem weinenden Auge sehen. Die große Frage ist nämlich, ob es ihnen auch künftig gelingen wird, ihre Überlegenheit im äußerst lukrativen chinesischen Markt auszudehnen und dabei die Kosten im Griff zu halten, oder ob sie im Geschäft mit Batteriefahrzeugen gegenüber umtriebigen chinesischen Herstellern ins Hintertreffen geraten. In den westlichen Ländern geht man das heikle Thema Elektromobilität so lange noch relativ zurückhaltend an, bis sich deutlicher abzeichnet, welches Potenzial bestimmte Segmente des Marktes für Elektromobilität tatsächlich haben, um nicht blind Entwicklungskosten zu versenken. Demgegenüber baut sich im viel stärker regulierungsgeprägten chinesischen Markt jedoch ein gewisser Druck auf, das Thema Elektromobilität rascher voranzutreiben, um bestimmte Umweltauflagen und Produktionsquotenvorgaben der chinesischen Regierung zu erfüllen. Dabei droht die Gefahr, an tatsächlichen Markterfordernissen “vorbeizuproduzieren” beziehungsweise im schlimmsten Fall sogar zu müssen. ZweckoptimismusAuf der gerade laufenden großen chinesischen Automesse in Schanghai legen die deutschen Autobauer verhaltenen Optimismus an den Tag, wie das Problem angegangen werden kann. Schließlich gilt es derzeit noch abzuwarten, wie die Pläne des Industrieministeriums bezüglich eines geplanten Produktionsquoten- und Kreditpunktesystems genau ausformuliert werden und ob diese – wie in einem Entwurf vom vergangenen September “angedroht” – schon ab 2018 greifen. Dann müssten die Autobauer bereits im kommenden Jahr in der Lage sein, einen Anteil des Verkaufs von New Energy Vehicles (NEV) am gesamten Aufkommen von 8 % darzustellen. Die Quotenvorgabe ist allerdings weniger drastisch, als sie auf den ersten Blick erscheint. So würden rein batteriebetriebene Fahrzeuge mit einem hohen und Hybridautos mit einem geringen Aufschlagfaktor mehrfach angerechnet, so dass die tatsächlich geforderte Auslieferung von NEV zur Erfüllung der Vorgabe am Ende nur bei etwa 2 % liegen dürfte. Dennoch gelten die sich abzeichnenden Auflagen vor allem für Autobauer, die hohe technologische Entwicklungsstandards ansetzen, als ein Ärgernis, weil sie zu überhasteten Produktionsschritten ohne Abgleich mit einer echten Marktnachfrage treiben.Immerhin gibt es Anzeichen dafür, dass die chinesischen Industrieplaner die Vorgaben etwas zurückschrauben und vor allem den Zeitfaktor entschärfen. Auf der Schanghai-Messe haben sich die deutschen Autobauer denn auch zuversichtlich gezeigt, dass es zu einem tragfähigen Kompromiss kommen wird und die Auflagen erfüllt werden können. Dabei kommt es ihnen zugute, dass sie bereits zuvor Partnerschaften mit chinesischen Adressen zum Bau von kostengünstigen Batteriefahrzeugen eingegangen sind. BMW und Mercedes etwa sind hier bereits mit den chinesischen Marken Denza und Zinoro unterwegs. VW geht in die VollenVolkswagen wiederum hat sich mit Jianghuai Automobile Corporation (JAC) einen neuen Partner geangelt, mit dem man im Schnellverfahren neue Batteriefahrzeuge für den chinesischen Markt entwickelt. Diese werden dann ebenfalls nicht unter einer VW-Marke laufen, aber in jedem Fall zu den Quotenvorgaben mit eingerechnet werden können. VWs China-Chef Jochem Heizmann hat mit Blick auf das Datum 2025 eine Zielmarke von 1,5 Millionen NEV des Konzerns in China gesetzt. Wenn das hinhaut, könnten die Wolfsburger – ihrer jetzigen Stellung angemessen – mit einem Marktanteil von über 10 % im chinesischen NEV-Markt der Zukunft rechnen. Bei allen Diskussionen über einen unabhängigeren Auftritt der ausländischen Autobauer in China werden sie im noch jungen chinesischen NEV-Markt darauf angewiesen sein, mit alten und neuen chinesischen Partnern zu kooperieren. Anders ist das Geschäft der Zukunft im weltgrößten Fahrzeugmarkt zumindest kostenseitig kaum zu bewältigen.