Chinas Automarkt lenkt von Branchentrübsal ab

Zweistelliges Wachstum ist nur noch im Reich der Mitte zu haben - Internationale Automesse in Schanghai

Chinas Automarkt lenkt von Branchentrübsal ab

Von Norbert Hellmann, SchanghaiDie neuesten Absatzzahlen für europäische Automobilhersteller in heimischen Gefilden sind ernüchternd. Europa und auch Deutschland steuern in diesem Jahr auf die schwächsten Verkaufszahlen seit 20 Jahren zu. Für leidgeprüfte Spitzenmanager der Branche mag die am Wochenende startende Messe Auto Shanghai 2013 daher eine willkommene Abwechslung bieten.Automessen gibt es in China in Hülle und Fülle. Aber die jährlich im Wechsel zwischen Peking und Schanghai abgehaltene Auto China ist zum führenden Branchenstelldichein auf dem asiatischen Kontinent avanciert. Für gute Stimmung vor Ort dürfte gesorgt sein, denn man geht auf Tuchfühlung mit einem Markt, dem das Wachstumsmoment noch nicht abhandengekommen ist und der auf Jahre noch sattes Potenzial bieten dürfte (siehe Grafik). Globale LokomotiveAngesichts des mittlerweile wenig berauschend wirkenden Verkaufstrends in anderen wichtigen Schwellenländermärkten wie Brasilien, Indien und Russland ist der chinesische Markt erst recht als Rettungsanker für die Branche in den Fokus gerückt. Beim deutschen Verband der Automobilindustrie (VDA) wird China als Wachstumslokomotive der globalen Pkw-Nachfrage gewürdigt, die in diesem Jahr trotz einiger Fragezeichen über der Robustheit der chinesischen Konjunkturentwicklung wieder kräftig an Tempo aufzunehmen scheint.Nach der Erfassungssystematik des VDA kletterten die Pkw-Neuzulassungen im Reich der Mitte im ersten Quartal um 25,4 % gegenüber Vorjahr auf 3,92 Millionen. Im krassen Gegensatz dazu knickten die Verkäufe im westeuropäischen Markt um knapp 10 % auf 2,9 Millionen Neufahrzeuge ein. Auch auf bislang vielversprechenden Schwellenländermärkten stellt sich Ernüchterung ein. In Brasilien etwa sieht man nur noch ein geringfügiges Plus um 2 % auf 789 000 Neufahrzeuge, Russland stagniert bei 617 000 Einheiten und in Indien rutschten die Verkäufe gar um 12 % auf 726 000 ab. Nach dem überdurchschnittlichen Schub in den ersten drei Monaten dieses Jahres liegt China bei den Neuzulassungen auch wieder vor den Vereinigten Staaten, wo sich 3,67 Millionen Neufahrzeuge, ein Plus von 6 %, absetzen ließen.In die Freude über die Lebhaftigkeit des China-Marktes, in dem die ausländischen Marken mit einem Marktanteil von gut zwei Dritteln eindeutig tonangebend sind, mischt sich allerdings auch Skepsis. Zuletzt hatte der März im Vergleich mit den beiden ersten Monaten des Jahres einen auffälligen Dynamikrückgang bei den Verkaufszahlen gebracht, der die Experten ein wenig stutzig macht. Gleichzeitig verzeichnete die chinesische Wirtschaft zur Überraschung der Konjunkturbeobachter einen leichten Wachstumsknick im ersten Quartal. Bislang haben sich die ausländischen Autobauer dank ihrer starken Marktstellung im Segment der Premiumfahrzeuge und Luxuslimousinen von der im vergangenen Jahr recht prononcierten Wachstumsabkühlung der chinesischen Wirtschaft jedoch gut isolieren können. Das ungebrochen hohe Lohnwachstum in China führt zur immer reichlicheren Unterfütterung einer gehobenen urbanen Mittelschicht mit einem Konsumprofil, das den Anbietern von Limousinen in die Hände spielt.Bremseffekte sind dennoch nicht auszuschließen, weil eine von der neuen chinesischen politischen Führung losgetretene Kampagne zur Eindämmung des Verschwendungsdrangs auf zentraler und vor allem lokaler Regierungsebene zu erheblichen Restriktionen im Fuhrparkmanagement führt, die sich auf den Neuabsatz von Dienstwagen auswirken dürften. Hinzu kommen neue Leitlinien für das Beschaffungswesen im öffentlichen Dienst, wonach man sich bei neu anzuschaffenden Regierungsfahrzeugen künftig auf lupenrein chinesische Modelle beschränken will.Bei den wenigen heimischen Herstellern, die gehobene Limousinen im Angebot haben oder nun auf der Messe lancieren, darunter vor allem SAIC und FAW, wittert man Morgenluft. Es bietet sich eine kleine Chance, den qualitativ haushoch überlegenen westlichen Autobauern in einem nicht ganz unwichtigen Ausschnitt des Premiumsegments Marktanteile streitig zu machen.