IM BLICKFELD

Chinas Automarkt steckt in der Konjunkturfalle

Von Norbert Hellmann, Schanghai Börsen-Zeitung, 13.9.2019 Auf der Automesse IAA ist der schwächelnde chinesische Automarkt ein Reizthema. Seit Juli 2018 weisen die Monatsstatistiken im weltgrößten Absatzmarkt für Pkw ununterbrochen rückläufige...

Chinas Automarkt steckt in der Konjunkturfalle

Von Norbert Hellmann, SchanghaiAuf der Automesse IAA ist der schwächelnde chinesische Automarkt ein Reizthema. Seit Juli 2018 weisen die Monatsstatistiken im weltgrößten Absatzmarkt für Pkw ununterbrochen rückläufige Werte auf. Es handelt sich um die mit Abstand längste Durststrecke in einem Markt, der gerade auch globalen Autobauern über Jahre hinweg überdurchschnittliches Wachstum brachte.Die jüngsten Daten zum Autoabsatz aus dem Reich der Mitte sind wenig geeignet, die Sorgenfalten zu glätten. Im August hat sich die Misere fortgesetzt. Laut Herstellerverband China Association of Automobile Manufacturers (CAAM) sind die Autoverkäufe insgesamt um 6,9 % zurückgefallen, die Auslieferungen von Pkw an die Händler rutschten um 7,7 % ab. Nach den ersten acht Monaten des Jahres liegt man 11 % unter Vorjahr, eine rasche Erholung ist nicht in Sicht. Wenn die Entwicklung anhält, dürften die chinesischen Autoverkäufe in der Abgrenzung von Light Vehicles auf rund 21 Millionen sinken, der niedrigste Wert seit 2014 und ein Abstieg vom bisherigen Spitzenjahr 2017 in einer Größenordnung von 15 % (siehe Grafik).Zwar dürften statistische Basiseffekte die Verkaufsrückgänge im Vorjahresvergleich in den kommenden Monaten in ein etwas milderes Licht rücken, gleichzeitig aber muss befürchtet werden, dass weitere Verschärfungen des Handelskonflikts zwischen China und den USA das Konsumklima zusätzlich belasten. Die große Bremswirkung hängt mit dem konjunkturellen Abschwung und nicht zuletzt verbraucherpsychologischen Faktoren zusammen. So machen sich das getrübte Konsumvertrauen bei einem allgemeinen Unsicherheitsgefühl und eine wieder wachsende Sparneigung vor allem bei größeren Anschaffungen bemerkbar. Steuerpaket verpufftEntgegen den Erwartungen hat sich ein zum Frühjahrsbeginn wirksam gewordenes chinesisches Steuererleichterungspaket bislang kaum bemerkbar gemacht. Die Senkung der Mehrwertsteuersätze im chinesischen Industriegewerbe von 16 auf 13 % entfaltet nur marginale Wirkung. Branchenexperten verweisen darauf, dass noch andere Faktoren zum Tragen kommen. Gerade bei jüngeren Käuferschichten spielten Fremdfinanzierungen eine wesentliche Rolle. Dabei wirkt sich eine Finanzstabilitätskampagne zur Verschuldungsdämpfung auch auf den Autosektor aus und engt die Spielräume bei der Kfz-Finanzierung ein. So sieht man eine Art Finanzklemme bei kurzfristigen Krediten an private Haushalte.Wo liegen die Hoffnungswerte für eine Erholung im Markt? Wenn es in einer chinesischen Branchenkonjunktur schlecht läuft, kann man sich in der Regel auf stützende Eingriffe des Staates verlassen. Derzeit will die Rechnung allerdings noch nicht so richtig aufgehen. Mit wachsendem Unbehagen sehen die Marktteilnehmer der immer länger anhaltenden Talfahrt zu, ohne dass sich bislang energische Gegenmaßnahmen der Zentralregierung abzeichnen. Eine Reihe von regional abgestimmten Maßnahmen für Kaufanreize etwa in ländlichen Gegenden hat bislang wenig gefruchtet. Nun werden Rufe nach offensiveren Kaufförderungsmaßnahmen laut.Tatsächlich steckt Peking hier in gewisser Weise in einem Dilemma. Anschubmaßnahmen in strukturschwächeren Regionen etwa mit Subventionshilfen verpuffen im gegenwärtig eingetrübten Konsumklima, weil minderverdienende Verbraucher in kritischen Zeiten den Sparreflex aktivieren und sich grundsätzlich zurückhalten. Dort, wo die Musik spielt, gibt es andere Hemmnisse: Mit der wachsenden Urbanisierung und einer aufstrebenden Mittelschicht wird die Dynamik des Pkw-Absatzes wesentlich vom Käuferverhalten in Megametropolen wie Peking, Schanghai, und Shenzhen sowie einem Dutzend anderer Millionenstädte bestimmt.Genau in diesen Ballungszentren aber greifen wegen der teilweise extremen verkehrs- wie auch umweltpolitischen Herausforderungen Maßnahmen lokaler Behörden zur Beschränkung des Verkehrsaufkommens für Fahrzeuge mit Benzinantrieb. Mit Quotenregelungen, Lotterieverfahren oder exorbitanten Preisen für Neuzulassungen wird Verteilung von neuen Nummernschildern extrem klein gehalten. Die Regierung hat zwar Leitlinien erlassen, mit denen die regionalen Behörden zu einer partiellen Lockerung der Beschränkungen ermuntert werden sollen. Ein echter Durchbruch ist aber nicht in Sicht.Anders als in früheren Schwächephasen zeigt die Regierung kein Interesse an Steuervergünstigungen für Benzinfahrzeuge mehr. Zwar haben Senkungen der chinesischen Verkaufssteuer für kleinmotorige Fahrzeuge in den Jahren 2015 und 2017 für eine rasche Belebung gesorgt, letztlich aber brachte dies nur Vorzieheffekte mit einem anschließend kräftigeren Nachlassen der Verkaufsdynamik. Diesen Weg wollen Chinas Wirtschaftsplaner nicht mehr gehen. Bei der CAAM wirkt man entsprechend defätistisch. Ein überraschender Durchbruch im Handelsstreit könnte temporär Entlastung schaffen, die Chancen auf eine überzeugende Dynamikwende aber werden eher gering eingeschätzt. In den kommenden drei Jahren könnten niedrige einstellige Wachstumsraten bereits das höchste der Gefühle sein.