WENN KAPITAL WIEDER KOSTET

Chinas Firmenjäger blasen Hatz ab

Finanzstabilitätskampagne dämpft Akquisitionswelle - Neuer Anlauf 2018

Chinas Firmenjäger blasen Hatz ab

Von Norbert Hellmann, SchanghaiSie waren die großen Jäger im globalen Revier der Mergers & Acquisitions (M & A), doch nun sind sie selber zu Gejagten geworden. Das Jahr 2017 hat eine Wende im Verhalten chinesischer Firmenkäufer mit sich gebracht, für die es lange scheinbar keine Leverage-Grenzen zu geben schien. Die aufsehenerregende Welle von Auslandsakquisitionen seitens notorisch kauffreudiger Konglomerate wie HNA Group, Dalian Wanda, Fosun International oder Anbang Insurance ist nach harten Eingriffen der Pekinger Regierung praktisch völlig abgeebbt, während andere chinesische Unternehmen und Private-Equity-Gesellschaften hochtrabende Pläne für eine globale Shoppingtour wieder abblasen mussten. SchlagwortwechselChinas Kaufrausch war das beherrschende Schlagwort für die M-&-A-Szene, als im Jahr 2016 eine Rekordflut von grenzüberschreitenden M-&-A-Transaktionen losgetreten wurde. Nun aber dreht sich alles um das Unwort Deleveraging und sogenannte irrationale Investments.Unter dem Banner einer von Peking lange mit Wohlwollen betrachteten und von Chinas Bankensystem sowie auch dealhungrigen ausländischen Investmentbanken bereitwillig finanzierten Globalisierungsoffensive waren vor allem private Konglomerate und Beteiligungsgesellschaften losgezogen, um sich quer über den Erdball hinweg prestigereiche Unternehmenskäufe zu leisten.Dann aber hat in Peking ein dramatischer Perspektivenwechsel stattgefunden. Vor dem Hintergrund einer zeitweiligen Schwäche des chinesischen Yuan, der kräftige Kapitalabflüsse sowie ein Abschmelzen der Währungsreserven bedingte, wurden milliardenschwere Auslandsakquisitionen, die von China aus finanziert mit einem Devisentransfer einhergehen als volkswirtschaftliche Belastung empfunden.Wichtiger aber noch sind die Auswirkungen einer im vergangenen Jahr immer stärker forcierten chinesischen Finanzstabilitätskampagne, bei der es um die Rückführung des Verschuldungsgrades gerade auch im Unternehmenssektor geht. Bei den genannten Konglomeraten, die gerade im Ausland für ihre wenig durchsichtigen Eigentümer- und Finanzstrukturen mit zunehmendem Misstrauen betrachtet werden, hat Peking die Reißleine gezogen – wohl auch um der Gefahr eines für Corporate China extrem rufschädigenden Zusammenbruchs eines notorischen Auslandsakquisiteurs zu begegnen. Mittlerweile können Chinas Akquisiteure erforderliche Genehmigungen für Devisentransfers oder Finanzierungen durch das quasi durchweg staatskontrollierte Bankensystem nur dann erhalten, wenn sie zu einer von Peking genehmen Linie passen. Industriepolitische LinieDie Regierung hat nach wie vor ein geradezu brennendes industriepolitisches Interesse an chinesischen Auslandsakquisitionen im Hightech-Bereich, im Rohstoffsektor sowie bei Logistik, Infrastruktur und Energie. Damit dürfte sich nach einer Delle im Jahr 2017 eine nun wieder progressiv ansteigende internationale M-&-A-Aktivität abzeichnen, sind sich die Experten einig.Im vergangenen Jahr ist das Aktivitätsniveau um 35 % auf ein Volumen angekündigter Deals von 142 Mrd. Dollar zurückgefallen (siehe Grafik). Für das neue Jahr aber wird wieder mit einer Belebung und einem Anstieg auf bis zu 180 Mrd. Dollar gerechnet. Seidenstraße geht immerAls politisch unbedenklich gelten insbesondere Transaktionen, die in einem Zusammenhang stehen mit dem sogenannten Seidenstraßenprojekt zur Erschließung von Handelsrouten und zum Infrastrukturausbau im asiatischen Raum und darüber hinaus. Ein Blick auf die größten Transaktionen 2017 macht dies deutlich, allen voran die 12 Mrd. Euro schwere Übernahme der europäischen Logistikimmobilien von Blackstone durch den Staatsfonds CIC oder der fast 11 Mrd. Euro schwere Griff einer Reihe chinesischer Private-Equity-Gesellschaften nach dem weltweit zweitgrößten Lagerhausverwalter GLP in Singapur.Was die von Peking als irrational gebrandmarkten Investments angeht, sind vor allem Immobilientransaktionen im Hotel- und Tourismusgewerbe, oder Übernahmen von Hollywood-Firmen sowie allem, was mit Sport und Unterhaltung zu tun hat, auf der schwarzen Liste. Sie wird in einem förmlichen Verhaltenskodex mit genaueren Spielregeln von künftig noch gestatteten Transaktionen münden. Dann aber können Chinas Akquisiteure mit Pekings Segen wieder munter loslegen.