Chinesen kaufen Luxusgüter verstärkt im Ausland
Von Martin Dunzendorfer,FrankfurtOhne die Chinesen als Abnehmer ihrer Luxusgüter sähen Konzerne wie LVMH, Kering (ehemals PPR) und Richemont alt aus. Die drei Branchenriesen beherrschen zusammen mehr als die Hälfte des Weltmarktes. Daher hat bei ihnen und den anderen Luxusgüterherstellern wie Swatch, Prada, Hermès und Burberry China höchste Priorität. Marktforscher rechnen damit, dass die Unternehmen ihre Präsenz in der asiatisch-pazifischen Region – und insbesondere im Reich der Mitte – in den nächsten Jahren ausweiten werden.Umso größer muss die Verunsicherung sein, die die bereits Ende 2012 ein- und sich im abgelaufenen Jahr fortsetzende Verlangsamung des Absatzwachstums in China bei westlichen Luxusgüterkonzernen ausgelöst hat. Noch gibt man sich in Paris, Genf und London gelassen. Das Wachstum in der Volksrepublik ist schließlich immer noch auf einem Niveau, von dem man in anderen Ländern nur träumen kann, heißt es. Doch man kann sicher sein, dass hinter verschlossenen Türen fleißig Ursachenforschung betrieben wird.Ein wichtiger Grund für die Wachstumsdelle im Reich der Mitte ist, dass Chinesen immer mehr verreisen und bei Einkäufen in Europa oder Nordamerika die hohe Luxussteuer im Heimatland von bis zu 30 % teilweise umgehen können. Das schönt nebenbei die Geschäftszahlen der Luxusanbieter in Ländern außerhalb Chinas. Als Konsumenten gereiftDarüber hinaus stellt eine Studie fest, dass Chinas Verbraucher beim Konsum von Luxuswaren reifer geworden seien. Ihnen gehe es nicht mehr nur um Markennamen, auch ein professioneller Service sei ihnen mittlerweile wichtig. Tatsächlich seien aber 92 % unzufrieden mit dem Service beim Kauf von Luxuswaren auf dem chinesischen Festland. Mangelndes Produktwissen und unfreundliches Verkaufspersonal seien die häufigsten Klagen. Deshalb kaufen laut dem Bericht Reiche lieber im Ausland: in Europa etwa Uhren und Weine, in Hongkong – das viele Unternehmen und Marktforscher separiert von Festland-China betrachten – Schmuck und Taschen. Als Folge halten Luxusboutiquen außerhalb von “Greater China” verstärkt Ausschau nach Verkäufern, die Chinesisch sprechen.Entscheidend zur Absatzschwäche von Luxusgütern in China hat auch die vor Jahresfrist von Staatspräsident Xi Jinping initiierte Antikorruptionskampagne beigetragen. Schon seit Sommer 2012 sind Regierungsangehörige dazu angehalten, auf den Kauf kostspieliger Produkte zu verzichten – dann wurde der verbreiteten Selbstbedienungsmentalität in der Bürokratie der Kampf angesagt, denn je weiter Beamte in der Hierarchie oben standen, desto mehr gaben sie für Luxus aus.Dieser für Gesellschaft und Wirtschaft abträgliche, für die Luxusgüterkonzerne freilich positive Zustand verändert sich, und das trifft kein Segment so hart wie das der Luxusuhrenhersteller. Der Chronometer für 5 000 Euro oder mehr hatte sich in China zum Inbegriff für Bestechung entwickelt. Wer etwa einen Geschäftsabschluss plante, für den die Zustimmung des örtlichen Parteisekretärs nötig war, lud diesen zum Essen ein – und schob ihm dabei diskret auch eine unauffällige Schachtel mit einer IWC, Omega oder Jaeger-LeCoultre zu.Es ist natürlich eine Illusion zu glauben, dass es nun mit der Korruption vorbei wäre, auch wenn auf Provinzebene inzwischen rund ein Dutzend hoher Funktionäre über entsprechende Delikte stürzten. Doch die forcierte Strafverfolgung nahmen viele Beamte zum Anlass, ihr Vermögen nicht mehr offen zur Schau zu stellen. Sie neigen nun dazu, Luxusprodukte heimlich und individuell zu bestellen, statt damit zu protzen. Das könnte für die großen Markenanbieter zu einem ernsten Problem werden, denn nach Ansicht des Fortune Character Institute verlieren Produkte von Louis Vuitton oder Gucci langsam ihre Individualität, während sich für kleine und mittlere Anbieter überdurchschnittlich gute Chancen ergäben.Das zeigt, dass für die Luxusgüterkonzerne der Höhepunkt des Goldrausches in China überschritten ist. Trübe sind die Aussichten dort aber noch lange nicht. Schätzungen zufolge ist der Luxusgüterkonsum in China 2013 um rund 20 %, weltweit dagegen nur um knapp 10 % gewachsen. Und global haben Chinesen zwischen einem Viertel und der Hälfte aller Nobelwaren gekauft – je nach Quelle und der zugrunde liegenden Definition von Luxusgut.