SHANGHAI MOTOR SHOW

Chinesische Autoschmieden kämpfen mit ihrem schwachen Image

Die heimische Klientel lässt sich schwer erobern - Regierung drängt "Ausländer" zur Entwicklung von chinesischen Eigenmarken - Elektroautos als Blitzableiter

Chinesische Autoschmieden kämpfen mit ihrem schwachen Image

Von Norbert Hellmann, SchanghaiDie chinesische Autoindustrie scheint sich auf der heimischen Branchenmesse in Schanghai wacker zu schlagen. Die oft belächelten Pkw-Bauer aus dem Reich der Mitte haben gewaltige technologische Fortschritte und Qualitätssprünge vorzuweisen. Neue Modelle, wie sie in Schanghai von Adressen wie Geely, BYD, SAIC und Great Wall sowie dem Newcomer Qoros gezeigt werden, zeugen von einer gewissen optischen Gefälligkeit. Und das alles zu “vernünftigen” Preisen. Reparaturbedarf Chinesische Automanager üben sich auf der Messe denn auch in Zuversicht, dass es ihnen gelingen wird, den dominanten ausländischen Branchengiganten Marktanteile abzujagen. Unabhängige Branchenexperten hingegen betonen, der technologische Rückstand in der gehobeneren Fahrzeugklasse sei auf Jahre hinaus kaum zu überbrücken. Gleichzeitig fällte es schwer, den von den unablässigen Qualitätsproblemen der Vergangenheit überlagerten Imageschaden zu reparieren.Zweifelsohne will es den chinesischen Herstellern noch immer nicht gelingen, aus ihrer eigenen Markenidentität heraus einen Begeisterungsfunken bei der chinesischen Klientel zu wecken. Die Liebe der besser verdienenden Mittelschicht zum gehobenen Automobil in eine Bindung zu heimischen Marken umzumünzen gilt als eine beschwerliche bis hoffnungslose Angelegenheit. In den Absatzstatistiken finden sich seit 2010 praktisch nie mehr chinesische Modelle auf den ersten zehn Rängen, gleichzeitig sind sie auf Ebene der Marktanteile von den globalen Branchenriesen eher weiter marginalisiert worden.Abgesehen davon haben die chinesischen Branchengrößen ein schwieriges Jahr hinter sich gebracht und die Konjunkturabkühlung wesentlich deutlicher zu spüren bekommen als die ausländischen Anbieter. Zahlreiche Adressen beklagen schwere Gewinneinbrüche und stehen unter wachsendem finanziellen Druck. Insbesondere Autobauer, die in Joint-Venture-Gesellschaften mit japanischen Adressen eingebunden sind, leiden unter dem Absatzknick für japanische Modelle, der aus den Niederungen eines bilateralen Territorialstreits um eine Inselgruppe erwachsen ist.Seitens der chinesischen Regierung beäugt man die Entwicklung mit wachsendem Unbehangen, denn die industriepolitischen Ziele, die im Miteinander zwischen westlichen und chinesischen Autobauern verfolgt werden, kommen nicht so recht voran. Fast dreißig Jahre ist es her, dass die ersten westlichen Automobilhersteller ins Reich der Mitte eingeladen wurden. Sie sollten in Partnerschaft mit heimischen Adressen einen Markt mit unglaublichem Kundenpotenzial aufrollen dürfen, um im Gegenzug auf dem Wege eines sukzessiven Technologietransfers der chinesischen Industrie auf die Beine zu helfen. Zähe VerhaltensmusterEs gibt Dutzende von Joint Ventures, die verhältnismäßig reibungslos miteinander auskommen. An den Verhaltensmustern, die eine tiefere Partnerschaft verhindern, hat sich freilich wenig geändert. Das Gros der Produktionsstätten dient noch immer eher dem Zusammenbau von Schlüsselkomponenten, die im Ausland gefertigt werden, sodass technologische Entwicklungen beziehungsweise das Know-how-Sharing an den chinesischen Adressen vorbeiläuft. Andererseits nutzen diese oft jede Gelegenheit, technologische Errungenschaften aus dem gemeinsamen Betrieb für Eigenentwicklungen und auch offensichtliche Konkurrenzprojekte einzusetzen, was sich mit westlichen Vorstellungen vom Schutz des geistigen Eigentums nur schwer decken lässt.Aus Sicht der chinesischen Regierung liegt das Interesse nun vor allem in einer Förderung von chinesischen Eigenmarken, die von Joint-Venture-Partnern nicht nur zusammengebaut, sondern von Grund auf neu entwickelt werden – mit dem entsprechenden Einsatz von westlichem Design, Engineering und Forschungskapazitäten.Tatsächlich aber hat man seit 2010 kaum neue Marken gesehen, die von Joint Ventures gemeinschaftlich neu entwickelt wurden. Lediglich eine Baureihe namens Baojun, die von SAIC und General Motors auf die Beine gestellt wurde, hat so etwas wie Markenresonanz beim Kunden und massenproduktionsfähige Absatzzahlen hervorgebracht.Von chinesischer Seite wird dabei kritisiert, dass die gemeinschaftliche Entwicklung chinesischer Marken von den ausländischen Adressen mehr als lästige Pflichtübung angesehen wird und im Prinzip auf ein Recycling von bereits ausrangierten Produktionsplattformen hinausläuft, die dann mit frischen Logos versehen werden.Bisweilen wird das Exerzitium für die Ausländer als eine Chance gesehen, mit chinesischen Einstiegsmodellen die Nachfrage in entlegeneren Gegenden und den kleineren Ballungsgebieten zu bedienen, ohne dabei ihr gehobenes Markenimage zu kannibalisieren. Von einer offensiven Multi-Marken-Strategie kann allerdings kaum die Rede sein, da die nur für China gedachten Modellreihen nicht mit eigenen Händlernetzen versehen werden.Angesichts des sanften, aber bestimmten Drucks der chinesischen Regierung, die Genehmigung für Ausweitungen der Produktionskapazitäten von ausländischen Autobauern mit der Zusage für Gemeinschaftsprojekte in Sachen chinesischer Eigenmarken zu koppeln, sehen sich auch die deutschen Hersteller genötigt, hier Offensivgeist zu zeigen. Als eine Kompromisslösung bietet sich dabei das wachsende Interesse der Regierung an einer umweltpolitisch orientierten Branchenoffensive für die Entwicklung von elektrischen Fahrzeugen an.Bei Daimler hat man als Erster die Chance, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen, erkannt und bereits 2010 den Aufbau einer chinesischen Eigenmarke als E-Fahrzeugprojekt aufgezogen. Der jetzt in Schanghai als seriennahe Studie vorgestellte Denza wurde aber nicht mit dem langjährigen Joint-Venture-Partner BAIC, sondern mit der im chinesischen Markt bereits mit Elektrofahrzeugen etablierten BYD in Shenzhen entwickelt. Der für ein reines Batteriefahrzeug durchaus üppig dimensionierte Denza soll in diesem Jahr in Produktion und ab 2014 in die Verkaufsräume gehen. BMW zaubert Zinoro hervorIn die gleiche Bresche springt auch BMW mit einer kürzlich präsentierten neuen China-Marke namens Zinoro. Sie soll für gehobene Ansprüche eines chinesischen Premiumgefährts stehen, dabei aber die Elektroauto-Nische abdecken. In der Branche zeigt man sich etwas verwundert, dass BMW und der chinesische Partner Brilliance nach rekordverdächtig kurzer Entwicklungszeit bis zum nächsten Jahr ein chinesische Premium-Elektroauto lancieren können. Der Chef des Gemeinschaftsunternehmens BMW Brilliance in Shenyang, Olaf Kastner, aber betont, dass es bereits getestete Prototypen gibt, die nicht nur eine Menge Fahrspaß versprechen, sondern auch Schwung in den Aufbau von Forschungs- und Entwicklungskapzitäten vor Ort gebracht haben.Das Zinoro-Projekt ist für BMW freilich nicht nur ein Ticket für den Einstieg in den chinesischen Elektroautomarkt, sondern vor allem auch die geforderte Geste, um für eine dringend benötigte Aufstockung von Produktionskapazitäten das Plazet zu bekommen.