RECHT UND KAPITALMARKT

Chinesische Investoren in Deutschland aktiv

Regulierung verändert Dynamik von Verkaufsprozessen - Rahmenbedingungen in USA verschlechtert - Auch Berlin zieht die Zügel an

Chinesische Investoren in Deutschland aktiv

Von Rainer Traugott *)Nie zuvor haben chinesische Investoren mehr Geld in europäische Unternehmen investiert als im Jahr 2016. Dabei war Deutschland mit 68 Transaktionen das Land mit den meisten Übernahmen durch chinesische Käufer. Die Transaktionstätigkeit nimmt allerdings seit der zweiten Hälfte des Jahres 2016 ab.Grund hierfür ist das veränderte regulatorische Umfeld in Deutschland, den USA und China. Dabei ist die Entwicklung weiterhin im Fluss, wie die soeben vom Bundeskabinett beschlossenen Änderungen der Außenwirtschaftsverordnung zeigen.In Deutschland wurden Regelungen zur Prüfung von Firmenübernahmen durch Investoren aus Staaten außerhalb der Europäischen Union 2009 eingeführt, und zwar unabhängig vom Geschäftsbereich des Zielunternehmens. Bis dahin bestanden nur weiterhin geltende Regelungen in den Bereichen Rüstung und Kryptologie. Das Bundeswirtschaftsministerium kann danach Transaktionen aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung untersagen, bei denen mindestens 25 % der Stimmrechte erworben werden. Dabei wurde keine Meldepflicht eingeführt und auch kein Vollzugsverbot. Das Ministerium kann aber die Transaktion nach Kenntniserlangung innerhalb bestimmter Fristen untersagen und gegebenenfalls die Rückabwicklung verlangen. StimmungswandelAuf Initiative des Bundesverbandes deutscher Kapitalgesellschaften BVK wurde im Gesetzgebungsverfahren die Möglichkeit geschaffen, dass Investoren den Erlass einer Unbedenklichkeitsbescheinigung beantragen können, die als erteilt gilt, wenn das Ministerium nicht innerhalb eines Monats nach Antragstellung in eine vertiefte Prüfung eintritt. Die Monatsfrist sollte einen weitgehenden Gleichlauf mit den deutschen und europäischen Fusionskontrollverfahren erreichen. Informelle Zusagen aus dem Ministerium, Unbedenklichkeitsbescheinigungen pragmatisch und zügig zu erteilen, wurden fast ausnahmslos eingehalten. Bis im Sommer 2016 die politische Stimmung kippte: Wirtschaftsminister Gabriel versuchte, die Übernahme von Kuka durch chinesische Investoren zu verhindern, bediente sich dabei freilich nicht der außenwirtschaftlichen Instrumente. Im Falle Aixtron wurde dann eine bereits erteilte Unbedenklichkeitsbescheinigung widerrufen und beim Verkauf des Osram-Lampengeschäfts trat das Ministerium in eine vertiefte Prüfung ein.Auch auf europäischer Ebene wurde das Ministerium aktiv: In einem gemeinsamen Schreiben mit den Wirtschaftsministerien in Paris und Rom fordert man von der EU-Kommission einen Vorschlag zu EU-Regelungen, um chinesische Investoren abzuwehren. Im Europäischen Parlament gibt es dafür Beifall. Gleichlauf unterbrochenNoch bevor die Kommission hier einen Entwurf erarbeitet hat, verschärft nun Deutschland die nationalen Regeln: Mit Kabinettsbeschluss vom vergangenen Mittwoch wird eine Meldepflicht eingeführt für besonders sicherheitsrelevante Bereiche. Diese sind weit gefasst; so fallen hierunter neben kritischer Infrastruktur auch Teile der medizinischen Versorgung, der Lebensmittelproduktion sowie des Finanz- und Versicherungswesens. Ferner wird die Einmonatsfrist für eine Unbedenklichkeitsbescheinigung auf zwei Monate verlängert und auch sonst werden die Prüfungsfristen großzügiger ausgestaltet. Der 2009 beabsichtigte Gleichlauf mit der kartellrechtlichen Fusionskontrolle ist damit dahin.Als wäre dies nicht Erschwernis genug, haben sich auch in Washington die Rahmenbedingungen für deutsche Transaktionen mit chinesischen Käufern verschlechtert. Die dortigen Regeln finden auch auf deutsche Transaktionen Anwendung, wenn das Zielunternehmen auch in den USA signifikant geschäftlich tätig ist. Dann kann das Committee on Foreign Investment in the United States (CFIUS) die Transaktion auf Gefährdung der nationalen Sicherheit der USA prüfen und dem Präsidenten die Untersagung empfehlen.Wie bisher in Deutschland ist die Anmeldung der Transaktion freiwillig, aber ratsam, um eine spätere Rückabwicklung zu vermeiden. Entscheidungen werden anhand des vermeintlichen Gefährdungspotenzials des Käufers und der “Verwundbarkeit” des Zielunternehmens getroffen. Chinesische Käufer gelten als Hochrisikokäufer. Die “Verwundbarkeit” des Zielunternehmens kann sich aus offensichtlichen Umständen ergeben, wie zum Beispiel militärischer Relevanz, aber den Vertragsparteien auch gänzlich verborgen sein, wie zum Beispiel die räumliche Nähe zu geheimdienstlich relevanten Liegenschaften.Bisher wurden sehr wenige Transaktionen vom Präsidenten auf CFIUS-Empfehlung untersagt, aber etliche aufgrund negativer Einschätzung durch CFIUS abgebrochen oder modifiziert. Die Zahl der Verfahren hat seit 2016 stark zugenommen. Daraus ergeben sich verlängerte Bearbeitungszeiten. Unsicherheiten und Skepsis gegenüber chinesischen Käufern nehmen unter der Trump-Präsidentschaft zu. Freilich durchlaufen weiterhin die meisten Fälle das Verfahren erfolgreich.Die US-Verfahren dauern nun unter Umständen länger als die traditionell langwierigen chinesischen Verfahren. Dort ist anzumelden bei der National Development and Reform Commission (NDRC), Ministry of Commerce (Mofcom) und State Administration of Foreign Exchange (SAFE) sowie gegebenenfalls weiteren Stellen.Dabei bezieht sich die Prüfung sehr breit auf die Einhaltung chinesischer Rechtsvorschriften und den Einklang mit definierten politischen Zielen. Während in den vergangenen Jahren eine Tendenz festzustellen war, die Verfahren zu vereinfachen, werden die Verfahren nun seit Ende 2016 deutlich strenger geführt und bestimmte Transaktionstypen, die sich als geeignet dafür erwiesen haben, aus persönlichen Gründen Kapital außer Landes zu bringen, werden nur noch ausnahmsweise genehmigt.Zugleich scheint die chinesische Regierung weiterhin sehr daran interessiert, Transaktionen zügig zu genehmigen, welche ihr für die Erreichung ihrer wirtschaftspolitischen Ziele hilfreich erscheinen. Gerade diese aber sind einem erhöhten Risiko ausgesetzt, in Deutschland und den USA einer verschärften Prüfung unterzogen zu werden.Was bedeutet dies alles nun für Verkäufer deutscher Unternehmen? Chinesische Bieter werden weiterhin hohe Kaufpreise zahlen und bei guter Verhandlungsführung auch für die Verkäufer vorteilhafte Vertragsbedingungen akzeptieren, häufig einschließlich weitreichender Regelungen zum Schutz der Arbeitnehmer und des Unternehmens.Die Sicherheit, die Transaktion tatsächlich erfolgreich zum Abschluss zu bringen, ist aber angesichts des regulatorischen Umfelds eingeschränkt und selbst bei gutem Ausgang ist der Vollzug der Transaktion unter Umständen verzögert. Bei im Übrigen gleichwertigen Angeboten wird der Verkäufer daher in der Regel einen EU-Käufer vorziehen. Was aber, wenn der chinesische Bieter, wie oft, einen höheren Kaufpreis bietet als andere Interessenten? Dann gilt es, Verdachtsmomente für Kapitalflucht aus China einzuschätzen, Hintergründe des chinesischen Bieters sorgfältig zu analysieren, sich eine Meinung zur “Verwundbarkeit” des Zielunternehmens zu bilden und einzuschätzen, was das Ministerium als öffentliche Sicherheit und Ordnung ansieht. Druck auf den KaufpreisKommt man zu dem Schluss, die Risiken seien beherrschbar, so wird man sie dennoch vertraglich dem chinesischen Kaufinteressenten aufbürden und im Falle einer Untersagung zumindest eine substanzielle Zahlung vom chinesischen Käufer vereinnahmen wollen. Aber nicht jeder chinesische Bieter mag dies akzeptieren. Auch wird manch westlicher Bieter den chinesischen Wettbewerb wegen der regulatorischen Entwicklungen zu Recht als weniger bedenklich empfinden und daher weniger hoch bieten. Den Schaden aus der Regulierung haben Verkäufer deutscher Unternehmen daher nicht nur, wenn eine Transaktion an chinesische Käufer untersagt wird und dann deutlich billiger an einen anderen Käufer veräußert werden muss. Ob dieser Eingriff in das Eigentumsrecht der Anteilseigner gerechtfertigt ist? Die Begründung der Bundesregierung zur jüngsten Verschärfung der Außenwirtschaftsverordnung schweigt zu dieser Frage.—-*) Dr. Rainer Traugott ist Partner bei Latham & Watkins in München.