CO2-Ziele sind größte Belastung für Autobauer
Die Autoindustrie hat viele Baustellen: der Wandel zu E-Mobilität, die Folgen des Abgasskandals und eine sinkende Nachfrage. Gleichzeitig drohen ein harter Brexit und US-Zölle. Für den Kreditversicherer Euler Hermes sind jedoch die künftigen CO2-Grenzwerte der EU die größte Bedrohung für die Autohersteller. igo Stuttgart – Der Kreditversicherer Euler Hermes glaubt nicht daran, dass die europäischen Autohersteller die künftig geltenden Grenzwerte für den Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) vollumfänglich erreichen werden. Mit “fast sicherer Gewissheit”, schreibt die Allianz-Tochter in einer aktuellen Studie, werden drohende Geldbußen die Hersteller finanziell stark belasten und steigende Produktionskosten zu Absatzrückgängen und Arbeitsplatzverlusten in der Industrie führen.Ende 2018 einigten sich die EU-Gesetzgeber auf eine Verschärfung der CO2-Emissionsgrenzen für Autohersteller. Demnach müssen die Pkw-Hersteller den Ausstoß ihrer Neuwagenflotte bis 2025 um 15 % und bis 2030 um 37,5 % senken. Ausgangsbasis ist das Emissionsziel für 2021 von im Schnitt 95 Gramm CO2 je Kilometer. De facto gelten für 2021 aber unterschiedliche Grenzwerte, da die EU bei der Grenzwertfestlegung flottenspezifische Eigenheiten beachtet hat. So liegt etwa der Wert für BMW und Daimler, die überproportional viele große und schwere Autos verkaufen, zwischen 100 und 105 Gramm je Kilometer. “Das wird ein Wettlauf mit der Zeit, den die Autobauer sehr wahrscheinlich verlieren werden”, so Ludovic Subran, Chefvolkswirt von Euler Hermes.Die Studienautoren gehen davon aus, dass die Hersteller auch mit schnellen Anpassungen “voraussichtlich maximal ein Drittel der Ziele erreichen” werden. Positiv sei, dass sämtliche Hersteller durch die Boom-Jahre seit 2010 über Kapitalpuffer verfügten. Nun, erwarten die Autoren, müssten diese Puffer durch Sparmaßnahmen gestützt werden. In der Tat kündigten zuletzt etwa Ford, VW oder BMW Kostenprogramme an, teilweise mit Stellenstreichungen. Bei Daimler arbeitet der Vorstand derzeit konkrete Maßnahmen aus und will dabei unter anderem wenig nachgefragte Modell- und Antriebsvarianten aus dem Portfolio streichen. Auch Partnerschaftsverträge, die Euler Hermes als weitere Maßnahme nennt, wurden bereits geschlossen. So zahlt Fiat Chrysler (FCA) künftig Geld an Tesla, um die Flotten beider Hersteller zu bündeln und so von Teslas gesetzlich als Nullemissionsauto gewerteten E-Autos profitieren zu können (vgl. BZ vom 9. April). Zudem können die Hersteller auf sogenannte Super Credits zurückgreifen. Dabei werden die Autos mit den geringsten Emissionen stärker gewichtet als die umweltschädlichsten Modelle.Doch selbst mit diesen Maßnahmen fürchtet Euler Hermes Zielverfehlungen, da derzeit kein Hersteller die geforderten Abgasnormen erfülle (siehe Grafik). Für jedes Gramm CO2 über dem Grenzwert will die EU ein Bußgeld von 95 Euro erheben, multipliziert mit dem EU-weiten Jahresabsatz des jeweiligen Herstellers. Ausgehend von den Zahlen 2018 wären das industrieweit 30 Mrd. Euro, so die Studie. Das entspricht rund 45 % des branchenweiten Nettogewinns von 67 Mrd. Euro im vergangenen Geschäftsjahr. Absatzrückgang fordert JobsWeil ein schnelles Hochfahren der E-Mobilität nötig ist, um die Zielverfehlung zumindest gering zu halten, rechnet Euler Hermes mit einem Anstieg der Produktionskosten. “Wir erwarten daher bis Ende 2020 einen Anstieg der durchschnittlichen Pkw-Preise um etwa 2,6 % und in der Folge einen Rückgang der Neuzulassungen um 3,1 %”, so Ron van het Hof, CEO von Euler Hermes in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Der Rückgang auf weniger als 14,7 Millionen verkaufte Fahrzeuge, so folgern die Studienautoren, dürfte beim Absatz zu einem Minus von 2,9 Mrd. Euro führen und 60 000 Arbeitsplätze bei den Herstellern gefährden.