RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: ANNE GREWLICH

Comeback der in der Krise tot geglaubten Second-Lien-Kredite

In Kombination mit Senior-Darlehen sind höhere Finanzierungen möglich

Comeback der in der Krise tot geglaubten Second-Lien-Kredite

– Frau Grewlich, die seit der Finanzkrise tot geglaubten Second-Lien-Kredite erleben ein Comeback. Worum geht es dabei?Second-Lien-Kredite (SL) werden zusammen mit vorrangigen (Senior-) Krediten zwar unter separatem Vertrag, aber in einem einheitlichen Paket ausgereicht. Beide werden durch dieselben Vermögenswerte besichert, wobei der Nachrang der SL-Kredite gegenüber Senior in einer Intercreditor-Vereinbarung (ICA) geregelt wird. Vor 2008 wurden SL-Kredite sehr großzügig in Akquisitionsfinanzierungen vergeben. Nach Ausbruch der Krise verschwanden sie vom Markt. Aktuell erleben sie ein Comeback – der Boom ist besonders auf dem US-Markt zu beobachten.- Wieso?Die Kreditfonds, die mit weit freieren Vergabekriterien agieren können als traditionelle Finanzinstitute, müssen wegen höheren Renditedrucks alternative Investmentmöglichkeiten suchen. Der Markt der syndizierten Senior-Kredite ist ein Darlehensnehmermarkt. Dabei gilt es, neben den inzwischen etablierten Unitranche-Strukturen den Blick auf andere Möglichkeiten zu lenken. Als Alternative können sich die SL-Kredite der zweiten Nachkrisengeneration anbieten. Diese bieten höhere Zinserträge. Zudem liegen die vertraglich bestimmten Untergrenzen, unter welchen die fallenden Referenzzinssätze keine weitere Berücksichtigung finden sollen, in der Regel zwischen 0,5 und 1 Punkten.- Was ist charakteristisch für europäische Second-Lien-Kredite?In jedem Einzelfall gibt es Bedarf, Bestimmungen individuell mit Senior-Kreditgebern zu verhandeln. Die LMA-Standarddokumentation bietet dabei eine rudimentäre, keineswegs aber umfassende Dokumentationsgrundlage. Der Nachrang zur Senior-Tranche wird vertraglich durch die Bestimmungen zur Rangfolge der Verteilung der Zahlungen vom Darlehensnehmer und der Erlöse aus der Sicherheitenverwertung geregelt.- Und wer führt?Zusätzlich zu dem Vorrang übernehmen Senior-Kreditgeber die führende Rolle bei der Einleitung von Verwertungsmaßnahmen und ihre Ausgestaltung im Einzelnen. Laut den ICA-Bestimmungen bleiben sie in der Regel in dieser Führungsrolle. Die SL-Kreditgeber sind auf den Erfolg solcher Maßnahmen angewiesen. Es gibt nur wenige Schutzmechanismen, auf die sich die SL-Kreditgeber im vom Senior-Kreditgeber vorbestimmten Prozess verlassen können. Für diese schwächere Position und das höhere Investmentrisiko erhalten sie eine bessere Vergütung.- Wie sieht die Besicherung aus?In der Besicherung funktionieren SL-, Unitranche- und Senior-Kredite gleich. Sie werden durch dieselben Vermögenswerte besichert, und der gleiche Kreis der Gruppengesellschaften stellt Garantien.- Welche Vorteile bieten Second-Lien-Kredite Darlehensnehmern?Sie können durch Kombination von Senior- und SL-Krediten einen höheren Finanzierungsbedarf mit einem preislich immer noch attraktiven Paket stemmen. Trotz der gemischten Form sind die Wege zu den jeweiligen Darlehensgebern kürzer, die Entscheidungen über Änderungen und Vertragsanpassungen können schneller herbeigeführt werden.- Und welche Vorteile bieten sie Darlehensgebern?Die traditionell nur im Senior-Segment tätigen Darlehensgeber, die manchmal nicht in der Lage sind, hohe Volumina allein anzubieten, bekommen mit einheitlichem Kreis der SL-Kreditgeber verlässliche Partner und mit einem besser entwickelten Grad der ICA ein Umfeld mit verlässlichem Regelwerk. Für Debt-Fonds ist die Beteiligung eine willkommene Alternative zur Unitranche, die diese sinnvoll ergänzt.- Und was sind die Nachteile?Die höhere Zinsbelastung erfordert sicher für den Darlehensnehmer eine genaue Planung. Wenn er im heutigen Marktumfeld in der Lage ist, seinen Finanzierungsbedarf durch reine Senior-Gestaltung zu decken, können natürlich weder kombinierte Unitranche-Partnerschaften noch Senior-/SL-Kombinationen mithalten. Die SL-Kreditgeber lassen sich sicher auf ein gegenüber Senior riskanteres Investment ein, aber dafür können sie höhere Erträge erzielen.—-Anne Grewlich ist Partnerin bei Ashurst. Die Fragen stellte Walther Becker.