Compugroup baut auf die zweite Jahreshälfte
Im Gespräch: Michael Rauch
Compugroup baut auf die zweite Jahreshälfte
Der CEO des Softwarekonzerns zu der Geschäftsentwicklung, dem Verzicht auf eine neue Mittelfristprognose und den Vorteilen eines Vollsortimenters
Von Helmut Kipp, Frankfurt
Nach dem schwachen Start in das laufende Geschäftsjahr setzt der Softwarekonzern Compugroup Medical auf eine Wachstumsbeschleunigung. Die zweite Jahreshälfte werde mehr Umsatz bringen als die erste, versichert CEO Michael Rauch. An der Prognose, im Gesamtjahr organisch um 4 bis 6% zu wachsen, hält das im SDax vertretene Unternehmen fest.
Verstetigung der Einnahmen aus Updates
Im ersten Quartal waren die Erlöse bereinigt um Einmaleffekte in der Telematik-Infrastruktur um 3% gestiegen, was unter dem Guidance-Korridor bleibt. Ausgewiesen wurde sogar ein Umsatzrückgang von 2%, weil in der Vergleichszeit Sondereinnahmen aus dem Austausch von Konnektoren anfielen. Auch das zweite Quartal dürfte mau aussehen, weil der Anbieter von Software für Ärzte, Krankenhäuser und Apotheken im Vergleichszeitraum von Einmalumsätzen aus einem Software-Update profitierte. Seit Juli 2023 werden Upgrades über eine Pauschale abgegolten. Das führt zu einer Verstetigung der Einnahmen.
„Wir hatten einen langsamen Start in das Jahr angekündigt, weil wir in der ersten Jahreshälfte gegen starke Vorjahreswerte anlaufen“, sagt Rauch im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. „Im zweiten Halbjahr werden wir stärker wachsen als im ersten.“ Am Kapitalmarkt stößt Compugroup allerdings auf Skepsis. Die seit längerem schwächelnde Aktie ist auf ein Neunjahrestief abgesackt. Lag der Kurs 2021 zeitweise noch jenseits von 80 Euro, sind es aktuell nur 25 Euro. Der Ausblick sei neblig, kritisiert Deutsche-Bank-Analyst Nicolas Herms.
Aktienkurs eingebrochen
CEO Rauch bringt die Kursschwäche mit der Rücknahme der Mittelfristziele in Verbindung. Compugroup hatte im September 2021 eine bereinigte Umsatzrendite vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda-Marge) von rund 27% im Jahr 2025 angekündigt. Es ist aber unrealistisch geworden, dieses Ziel zu erreichen. Denn 2023 erreichte die Marge erst 22,3%. Sie blieb klar unter dem damals genannten Zwischenziel von 25%.
Jetzt beschränken sich die Koblenzer wieder – wie in früheren Jahren – auf Prognosen für das jeweils laufende Geschäftsjahr. Künftig würden keine Mittelfristziele mehr veröffentlicht, sagt Rauch. „Intern setzten wir weiterhin Ziele für einen längerfristigen Zeithorizont. Aber diese Ambitionen werden nicht mehr nach außen kommuniziert.“
Das Verfehlen des 2025er Margenziels führt Rauch auf inflationsbedingte Gehaltskostensteigerungen, die in der personalintensiven Softwarebranche eine große Rolle spielen, und die Verteuerung eingekaufter Anwendungen und IT-Dienstleistungen etwa infolge höherer Aufwendungen für die Abwehr von Cyberattacken zurück. Den rasanten Anstieg der Inflationsraten und Zinsen habe niemand vorausgesehen. Zudem sei die Nachfrage in der Telemedizin hinter den hohen Annahmen zurückgeblieben.
Breite Aufstellung bleibt
Einer stärkeren Konzentration auf einzelne Geschäftsbereiche oder Regionen kann Rauch wenig abgewinnen: „Compugroup Medical bedient alle Marktsegmente im Gesundheitswesen und ist gerade deshalb hervorragend aufgestellt. Wir bieten Informationssysteme sowohl für Ärzte und Labore als auch für Kliniken und Apotheken an und verfügen außerdem über Plattformen, mit denen Patienten eigenständig Einsicht in ihre Krankheitsakten nehmen können.“
Digital und vernetzt
Die Medizin der Zukunft werde digital, datenbasiert und vernetzt sein. Die Leistungserbringer würden immer stärker zusammenwachsen, Daten wie beispielsweise Laborergebnisse müssten zeitnah verfügbar sein. Daher seien Vollsortimenter, die das ganze Spektrum der Vernetzung anbieten, im Vorteil. Regional sieht sich Compugroup als dominierender Player in Europa. Hier konzentriert sich das Geschäft auf die nordischen Staaten, Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien. Aus der Türkei hat sich Compugroup allerdings zurückgezogen. Dort war der Konzern vor allem im Versicherungsgeschäft tätig. In den USA sind die Koblenzer im Arztsegment vertreten, nicht aber im Klinikgeschäft, das die US-Player Epic und Oracle/Cerner dominieren.
Noch viele weiße Flecken
Eine Expansion nach Lateinamerika und Asien sieht Rauch skeptisch, sie sei nur über einen großen Zukauf möglich. In den bestehenden Märkten gebe es genug Spielraum für Wachstum. So sei Compugroup Medical in etlichen europäischen Ländern nicht mit allen Geschäftssegmenten vertreten: „Die Karte der weißen Flecken ist noch ausgeprägt.“
Für Akquisitionen kämen alle Geschäftsbereiche und patientenorientierte Lösungen etwa für Datenextraktion oder Sprachsteuerung infrage, wobei der regionale Fokus auf Europa und den USA liege. Den Verschuldungsgrad will Rauch angesichts der gestiegenen Zinsen auf das 2,5- bis 3,5-Fache des Ebitda begrenzen statt wie früher auf das Vier- bis Fünffache. Den finanziellen Rahmen für eine Übernahme veranschlagt der ehemalige Finanzchef, je nach Target, auf 100 Mill. bis 300 Mill. Euro. Vom Kreditrahmen her könne man mehr als 1 Mrd. Euro finanzieren und gegebenenfalls auch neues Eigenkapital hereinholen.
ChatCGM entwickelt
Weiteres Wachstum verspricht sich Rauch durch KI-gestützte Anwendungen. In vielen Produkten sei bereits künstliche Intelligenz verbaut – etwa in Therafox, einem Tool, das dem Arzt bei Arzneimittelverschreibungen die Nebenwirkungen anzeigt, um Medikationsfehler zu vermeiden. „Wir haben ein eigenes Large-Language-Model, ChatCGM, entwickelt, das wir als Basis nutzen, um weitere KI-gestützte Lösungen in Produkte und Programme einzubringen“, sagt Rauch. Als Beispiel nennt er die digitalisierte Erstellung von Arztbriefen.
Die schwache Marge im Krankenhausgeschäft führt der Firmenchef auf Investitionen in KI-gestützte Lösungen und Aufwendungen für Großkundenprojekte wie die Ausstattung der Uniklinik Hamburg-Eppendorf zurück. 2022 und 2023 blieb die Klinik-Marge mit 9 bzw. 12% klar unter dem 2021er Niveau von 17%. Im laufenden Jahr soll sich aber auch die Umsatzrendite des Klinik-Segments laut Rauch weiter verbessern.
„Sprungfixe Anhebungen“
Die Verdoppelung der Dividende auf 1 Euro je Aktie will der CEO keinesfalls als Trostpflaster für den schwachen Aktienkurs verstanden wissen, auch wenn die Dividendenrendite von aktuell 4% für ein Softwareunternehmen ungewöhnlich hoch ausfällt. „Unsere Ausschüttungsstrategie sieht von Zeit zu Zeit sprungfixe Anhebungen vor“, erläutert Rauch. Das bedeutet: Auf einige Jahre mit konstanter Dividende folgt eine kräftige Erhöhung. Auf diesem Niveau bleibt die Ausschüttung dann fürs Erste. So zahlte Compugroup für die Jahre 2018 bis 2022 jeweils 0,50 Euro je Aktie. Zuvor waren es 0,35 Euro für 2012 bis 2017.
Der Softwarekonzern Compugroup Medical macht hohe Vorjahreswerte für den langsamen Start in das laufende Geschäftsjahr verantwortlich. „Im zweiten Halbjahr werden wir stärker wachsen als im ersten“, versichert CEO Michael Rauch. An der breiten Aufstellung des Unternehmens will der Firmenchef festhalten.
Zur Person
Michael Rauch kam im August 2019 als CFO zu Compugroup Medical. Ab Juni 2022 war er zusätzlich Sprecher der Geschäftsführenden Direktoren. Im Mai 2023 stieg Rauch zum CEO auf. Zuvor arbeitete der Diplom-Kaufmann für den Parfümeriekonzern Douglas und den Konsumgüterhersteller Henkel.