Continental-AR billigt Einschnitte
Der Autozulieferer Continental hat die Schließung und Umstrukturierung mehrerer Standorte beschlossen. Insgesamt sind 30 000 Mitarbeiter von den Maßnahmen, die jährliche Kosteneinsparungen von mehr als 1 Mrd. Euro bis 2023 bringen sollen, betroffen. Arbeitnehmervertreter zeigten sich enttäuscht und forderten Perspektiven für die betroffenen Kollegen.scd Frankfurt – Continental wendet einen Milliardenbetrag auf, um sich von Zehntausenden Mitarbeitern zu trennen und mehrere Standorte zu schließen. Der Aufsichtsrat des Autozulieferers stimmte am Mittwoch für alle im Rahmen des Sparprogramms vorgesehenen Strukturanpassungen. Dies schließt unter anderem das seit Wochen debattierte Produktionsende im Reifenwerk in Aachen (bis Ende 2021) und die Schließung des Automobilelektronik-Werks in Karben (bis Ende 2024) ein. Eine Umstrukturierung in Regensburg soll dort 2 100 von 7 600 Mitarbeitern betreffen. Global seien 200 von 595 Standorten in die Maßnahmen einbezogen. Ausgenommen seien derweil mögliche Veräußerungen von Unternehmensteilen. “Wenn wir Veräußerungen eines Geschäftsbereichs vornehmen würden, dann bräuchte das die Zustimmung des Aufsichtsrats”, stellte der Vorstandsvorsitzende Elmar Degenhart klar. Von den bereits beschlossenen Maßnahmen seien weltweit 30 000 Mitarbeiter betroffen – rund 13 000 davon in Deutschland. 1,8 Mrd. Euro EinmalkostenDurch die Einschnitte hofft der Zulieferer auf eine jährliche Ersparnis von mehr als 1 Mrd. Euro ab 2023. Rund 60 % davon sollen im Bereich Automotive Technologies erzielt werden, der etwa Fahrassistenz- und Sicherheitstechnologien umfasst. Hier war der Umsatz im zweiten Quartal um fast die Hälfte eingebrochen. Weitere 25 % der Einsparungen sollen die Reifensparte (Rubber Technologies) und 15 % die Antriebstechnologie (Powertrain Technologies) beitragen. Die Einmalkosten der Einsparungen bezifferte Continental auf ungefähr 1,8 Mrd. Euro. Im vergangenen Jahr seien davon bereits 665 Mill. Euro verbucht worden. Weiter rund 1,2 Mrd. Euro sollen 2020 und 2021 ergebniswirksam werden (siehe Grafik). Das Gros des Mittelabflusses wird derweil für die Jahre 2021 bis 2024 prognostiziert.”Der tiefgreifende Strukturwandel in der Automobilindustrie sowie die Herausforderungen im Konjunktur- und Marktumfeld waren nie größer”, befand der Aufsichtsratsvorsitzende Wolfgang Reitzle. “Mit den heute im Aufsichtsrat gefassten Beschlüssen sind die wesentlichen Weichen für die notwendige Transformation von Continental gestellt.” Das sei ein schmerzhafter Prozess. Gleichzeitig eröffneten sich darin aber auch neue, profitable Wachstumschancen.”In den vergangenen 70 Jahren war keine Krise in unseren Industrien größer und schärfer als die jetzige”, betonte Degenhart die Notwendigkeit der tiefen Einschnitte. Man habe mit Arbeitnehmervertretern und der Politik gesprochen, habe aber keine Alternative gesehen. Investitionen in profitable Wachstumsfelder sollen die Trendwende auf der Erlösseite bringen. Details zur Unternehmensstrategie hebt sich der Continental-Chef indes für die Kapitalmarkttage im Dezember auf.Degenhart versprach, die harten Auswirkungen der Sparpläne auf das absolut Notwendige zu beschränken und dabei so gut wie möglich sozialverträglich und fair zu gestalten. Dass 30 000 Arbeitsplätze weltweit betroffen seien, bedeute nicht automatisch 30 000 Kündigungen. “Denn Entlassungen sind für uns immer das allerletzte Mittel.” Er werde gemeinsam mit den Arbeitnehmervertretern Lösungen suchen, versprach er.Diese hielten derweil ihre Enttäuschung nicht zurück. “Der Continental-Aufsichtsrat hat alle Proteste und Appelle der Kolleginnen und Kollegen ebenso ignoriert wie die Kritik aus Politik und Regierungen”, klagte der Konzernbetriebsratsvorsitzende Hasan Allak. Er nahm auch Personalvorstand Ariane Reinhart in die Pflicht. Diese habe stets betont, “wie wichtig ihr Qualifizierung ist”. Nun müsse es darum gehen, gemeinsam “ein großes Paket mit Qualifizierungsprogrammen” zu schnüren, damit die betroffenen Menschen von Arbeit in Arbeit kämen. Noch kritischer äußerte sich Michael Vassiliadis, Vorsitzender der IG BCE. Continental habe die Unternehmenskultur beschädigt und “die betriebliche Mitbestimmung mit Füßen getreten”. Für die anstehenden Verhandlungen sei das eine schwere Bürde.Reinhart räumte am Mittwoch ein, dass Continental gezwungen sei, einige Arbeitsplätze nach Osteuropa zu verlagern und appellierte an die Politik, kreative Ansätze zu entwickeln, um den Industriestandort attraktiver zu machen. Als Beispiel nannte sie die steuerliche Förderung von Forschung und Entwicklung in Frankreich.