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Corona-Pandemie schwächt Japans Autoindustrie

Von Martin Fritz, Tokio Börsen-Zeitung, 5.5.2020 Vor sieben Wochen versprach Toyota-Chef Akio Toyoda in seiner Eigenschaft als Verbandspräsident der japanischen Autohersteller (Jama), dass "unsere Produktionsaktivitäten niemals stoppen" werden....

Corona-Pandemie schwächt Japans Autoindustrie

Von Martin Fritz, TokioVor sieben Wochen versprach Toyota-Chef Akio Toyoda in seiner Eigenschaft als Verbandspräsident der japanischen Autohersteller (Jama), dass “unsere Produktionsaktivitäten niemals stoppen” werden. Seitdem konnten die Jama-Mitglieder ihr Versprechen nur gerade eben halten. An vielen April- und Maitagen standen in Japan, Nord- und Südamerika, Asien und Europa fast alle Bänder der sieben großen japanischen Autobauer still. Aber wenigstens in China und inzwischen auch in Europa ist die Fertigung teilweise wieder angelaufen. Dennoch beschrieb Toyoda in einer zweiten Rede am 10. April die Lage der Industrie als “extrem hart”. Jama kündigte einen Unterstützungsfonds für 20 000 zwangsbeurlaubte Mitarbeiter an, um sich ihr Know-how zu erhalten.Verbandspräsident Toyoda weiß, wovon er spricht: Japans Autoindustrie ist die weltweite Nummer 1, so dass die Coronarezession für sie besonders heftig ausfallen wird. In Japan beschäftigt die Branche 5,5 Millionen Menschen, über 8 % aller Erwerbstätigen. Auf ihr Konto gehen mindestens 3 % der Wirtschaftsleistung. Die sechs größten Unternehmen – die Toyota-Gruppe mit Daihatsu und Hino, Nissan, Honda, Suzuki, Mazda und Mitsubishi – fertigten im vergangenen Jahr weltweit 27,2 Millionen Pkw, Vans und leichte Nutzfahrzeuge, davon nur 4,4 Millionen Stück für den Heimatmarkt. 36 % aller weltweit gebauten Autos stammten aus japanischen Fabriken, wenn man die Renault-Beteiligungen Nissan und Mitsubishi mitrechnet. Damit ist Japans Autoindustrie im Absatzvolumen über zwei Drittel größer als die drei deutschen Hersteller VW, BMW und Daimler, bei einem ähnlich hohen Gesamtumsatz.Wie gut kann Japans Autoindustrie also den Corona-Abschwung verkraften, wenn sie derart abhängig von margenarmen Massenmodellen ist? Die Ratingagentur Moody’s zeigte sich bereits Ende März skeptisch. Der Autosektor werde vom Covid-Schock besonders betroffen sein, meinte Moody’s und senkte das Langfrist-Rating von “Aa3” für Toyota auf “A1”, von “A2” für Honda auf “A3” und von “Baa1” für Nissan auf “Baa3”. Das Fachblatt “Just Auto” sagt für das Gesamtjahr 2020 einen globalen Absatzrückgang um 16 % von knapp 90 Millionen auf 75 Millionen Einheiten sowie einen Umsatzverlust von 131 Mrd. Dollar vorher. Zum Vergleich: Bei der Finanzkrise schrumpfte die weltweite Verkaufszahl um 9,6 % von 66,6 Millionen auf 60,2 Millionen Einheiten, jedoch innerhalb von zwei Jahren.Für die japanischen Hersteller entspräche diese Prognose einer eher L-förmigen Erholung einem Verlust von 4,4 Millionen Einheiten und 47 Mrd. Dollar Einnahmen. Der Großteil wird auf ihren Hauptmärkten USA und China stattfinden. Denn Japans Autobauer waren 2019 mit 5,5 Millionen Autos (34,2 % der 17 größten Marken im Markt) besonders stark von den USA abhängig, dicht gefolgt von China mit 5,1 Millionen Stück (32,3 %). Die hohe Arbeitslosigkeit in den USA wird die Nachfrage erheblich belasten. Toyota, Honda und Nissan selbst beurlaubten dort fast 32 000 Beschäftigte. In China erwartet Mizuho-Analyst Tang Jin ein Gesamtmarktminus von 10 %. Dagegen spielt Westeuropa mit 1,8 Millionen verkauften Fahrzeugen (13 %) nur eine relativ geringe Rolle. Für den japanischen Heimatmarkt mit über 90 % Marktanteil verzichtete Jama auf die Jahresprognose.Japans Autorezession wird laut Analysten die ohnehin laufende Konsolidierung der Branche durch Digitalisierung und E-Mobilität beschleunigen. Bei der Ebit-Marge haben Toyota (8,5 %), Suzuki (6,5 %) und Honda (4,8 %) den größten Puffer. Toyota und Honda dürften mehr unter dem schwachen US-Markt leiden. Die von Mazda und Toyota gemeinsam geplante neue Fabrik für 1,6 Mrd. Dollar wird nun erst im zweiten Halbjahr 2021 eröffnet. Suzuki kämpft mit schwachen Geschäften auf ihren Absatzmärkten Japan und Indien. Dagegen dürften Mazda (Ebit-Marge 1,6 %), Mitsubishi (1,3 %) und Nissan (0,6 %) ins Schleudern kommen und schnell einen negativen freien Cash-flow aufweisen. Nissan schrieb bereits im abgelaufenen Quartal tiefrote Zahlen, die Produktion ist bei Weitem nicht ausgelastet. Das neue Sanierungsprogramm soll Ende Mai vorliegen und die Kostenbremse schärfer anziehen. Manch klamme KasseDie Teilung der Branche spiegelt sich auch in den Cash-Polstern wider: Mit Stand Ende 2019 lagen Toyota (30,8 Mrd. Euro) und Honda (20 Mrd. Euro) weit vor Nissan (9,9 Mrd. Euro), Suzuki (4,8 Mrd. Euro), Mazda (4,7 Mrd. Euro) und Mitsubishi (3 Mrd. Euro). Die Herausforderung besteht für die Hersteller nun darin, ihre oft finanzschwachen Zulieferer mit Vorschüssen über Wasser zu halten. Hier sollen frische Kreditlinien von 1 Bill. Yen (8,5 Mrd. Euro) bei Toyota sowie 500 Mrd. Yen (4,2 Mrd. Euro) bei Nissan helfen. Früher galt: Holt sich Toyota einen Schnupfen, dann geht es Japans Wirtschaft schlecht. Doch Toyota-Chef Toyoda, der Enkel des Unternehmensgründers, hatte sich nach der Finanzkrise geschworen, dass sein Unternehmen nie wieder rote Zahlen schreibt, egal wie groß eine Katastrophe sein mag.