Corona rückt CEO-Nachfolgeplan ins Zentrum

SAP, Royal Mail und Hertz fallen in der Krise mit überstürzten Chefwechseln auf - Zusätzliche Verwirrung in Ausnahmesituation

Corona rückt CEO-Nachfolgeplan ins Zentrum

Krisen bringen Prozesse in Schwung, die unter normalen Umständen langsamer, anders oder gar nicht abgelaufen wären. Das gilt auch für die CEO-Nachfolge, wie die Chefwechsel bei SAP, Royal Mail und Hertz zeigen. Allerdings sorgen überstürzte CEO-Abgänge in der Krise für zusätzliche Verwirrung.Von Daniel Schauber, FrankfurtDie Corona-Pandemie hat offensichtlich dafür gesorgt, dass mehrere CEOs ihren Job schneller an den Nagel hängen mussten als geplant. SAP-Co-Chefin Jennifer Morgan, deren überraschender Abgang auf der Hauptversammlung des deutschen Software-Konzerns erneut diskutiert wurde (siehe Bericht Seite 9), ist kein Einzelfall. Auch die jüngsten CEO-Abtritte beim britischen Postdienstleister Royal Mail sowie beim US-amerikanischen Autovermieter Hertz zeigen, dass Unternehmen an der Spitze beherzt durchgreifen, wenn die Lage krisenbedingt aus dem Ruder zu laufen droht.Solche Wechsel mitten in einer Ausnahmesituation sorgen allerdings für zusätzliche Verwirrung unter Beschäftigten, Kunden und Aktionären. “Bei CEO-Wechseln in Notfällen oder unter anderen unerwarteten Umständen besteht große Unsicherheit darüber, ob der Board den besten oder nur den besten derzeit verfügbaren Chef auswählt”, heißt es in einer Studie der Managementberatung Russell Reynolds und der Forschungsgruppe The Conference Board. Weiter heißt es in der Studie mit dem Titel “Is Your CEO Succession Plan Crisis-Era Ready?”, der Ersatz durch einen schlecht gewählten CEO mit kurzer Verweildauer führe zu hohen Einbußen beim Aktionärsvermögen sowie zu einem Vertrauensverlust. Ursache oder Vorwand?Letzteres war definitiv bei dem SAP-Führungswechsel der Fall. Die US-amerikanische SAP-Co-Chefin Jennifer Morgan (49) musste vor einem Monat Knall auf Fall und nach lediglich sechs Monaten im Amt als Co-Chefin gehen und dem Deutschen Christian Klein (40) allein das Feld überlassen, was für große Unsicherheit über die künftige Machtbalance in dem Konzern sorgte. Kurz zuvor hatten die Walldorfer eine Gewinnwarnung geschickt. SAP begründete den Wechsel seinerzeit mit den Auswirkungen der Coronakrise, indem der Konzern erklärte, die Entscheidung “zurück zum Modell eines alleinigen Vorstandssprechers” sei “früher als geplant” gefallen, “um in dieser beispiellosen Krise eine starke, eindeutige Führungsverantwortung sicherzustellen”. Zugleich legten die Umstände des Wechsels sowie jüngste Aussagen von SAP-Aufsichtsratschef Hasso Plattner (76) nahe, dass die Coronakrise möglicherweise nur den Anlass oder gar einen Vorwand lieferte, Morgan so schnell wie möglich aus dem Amt zu befördern.Völlig überstürzt wirkte auch der Chefwechsel beim britischen Post- und Paketkonzern Royal Mail. Der deutschstämmige CEO Rico Back (66) musste am 15. Mai mit sofortiger Wirkung nach gerade einmal zwei Jahren im Amt gehen und wurde interimistisch von Chairman Keith Williams (63) ersetzt, der zuvor CEO von British Airways war. Royal Mail, zu der der DHL-Konkurrent GLS gehört, kämpft seit der Einführung der Coronavirus-Sperre in Großbritannien mit einem starken Rückgang des Briefvolumens. CEO Back stand zudem wegen seines Krisenmanagements schwer unter Beschuss. Das Unternehmen wurde von den Beschäftigten kritisiert, die sagten, dass es an Handschuhen, Masken und Handdesinfektionsmitteln zum Schutz vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus mangele. Für Unmut sorgte auch, dass Back während des Coronavirus-Ausbruchs in seinem Wohnsitzland Schweiz blieb.Eine offensichtliche Notoperation war auch der Chefwechsel beim Autovermieter Hertz. CEO Kathy Marinello (63) musste am 16. Mai per sofort nach weniger als dreieinhalb Jahren im Amt den Platz räumen und den Chefsessel an Paul Stone (50) übergeben – einen internen Nachfolger, denn Stone hatte für Hertz das Privatkundengeschäft in Nordamerika geleitet. Hertz, an der der aktivistische Investor Carl Icahn beteiligt ist, wurde extrem stark von der Coronakrise getroffen. Der Chefwechsel kam, während schon Berichte kursierten, Hertz steuere auf eine Flucht in den Gläubigerschutz zu. Hohes Ansehen reicht nicht”Obwohl es im Moment viele Dinge gibt, die um die Aufmerksamkeit des Boards konkurrieren, ist es sehr ratsam, dass die Nachfolgeplanung für CEOs ganz oben auf der Tagesordnung steht, selbst wenn der amtierende CEO ein hohes Ansehen hat”, heißt es in der Studie von Russell Reynolds und The Conference Board. Das Risiko eines unvorhergesehenen CEO-Wechsels sei gerade jetzt aufgrund der außergewöhnlichen Herausforderung, in dieser Zeit zu führen, des erhöhten Stresses, dem alle Führungskräfte ausgesetzt seien, und der Gesundheitsrisiken durch das Virus erhöht. “Und angesichts der sich rasch verändernden Markt- und Wettbewerbsdynamik ist es sehr wahrscheinlich, dass die bestehende Nachfolgeregelung eines Unternehmens nicht mehr die beste Person für diese Aufgabe vorsieht, da die Spezifikation in besseren Zeiten geschrieben wurde und die Zukunft zunehmend dynamisch und schwierig zu werden scheint”, heißt es weiter. Der potenzielle Verlust an Aktionärswert durch einen ungeplanten Chefwechsel, kombiniert mit dem erhöhten Risiko, dass der CEO erkranke oder einen Burnout erleide, mache die Nachfolgeplanung wichtiger denn je.