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Coronakrise trifft Containerschifffahrt hart

Von Carsten Steevens, Hamburg Börsen-Zeitung, 27.5.2020 Steuert die Containerschifffahrt als Folge der Coronavirus-Pandemie auf eine neue Konsolidierungswelle mit Fusionen, Übernahmen und Pleiten zu? Zu einer Bereinigung wie in den Jahren von 2014...

Coronakrise trifft Containerschifffahrt hart

Von Carsten Steevens, HamburgSteuert die Containerschifffahrt als Folge der Coronavirus-Pandemie auf eine neue Konsolidierungswelle mit Fusionen, Übernahmen und Pleiten zu? Zu einer Bereinigung wie in den Jahren von 2014 bis 2018 mag es in der Branche nicht kommen, doch die Unsicherheit ist derzeit groß. Die Reedereien bewegten sich in einer Nebelwand, so eine Einschätzung aus Industriekreisen. Hoffnungen ruhen darauf, dass der Rückgang der Nachfrage nach Transportkapazitäten im zweiten Quartal einen Boden erreichen und das zweite Halbjahr bereits eine Erholung bringen wird. Welche Folgen die signifikanten Handelsrückgänge für die Seefrachtbranche nach sich ziehen werden, die für einen Großteil der weltweiten Gütertransporte verantwortlich ist, wird wesentlich davon abhängen, ob es bei einer Pandemiewelle bleibt, wie diese eingedämmt werden kann und wie schnell sich Weltwirtschaft und Welthandel von ihrem Einbruch erholen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) geht von einer epochalen Rezession aus, die Branchenexperten des Analysehauses Clarksons rechnen derzeit im Gesamtjahr 2020 mit einem Rückgang des Containertransportvolumens von 10,6 % – nach einem zumindest noch leichten Wachstum des Ladungsaufkommens um geschätzt 0,8 % im vergangenen Jahr.Reedereien reagieren mit einer Verringerung der eingesetzten Schiffskapazitäten, mit einer zeitweiligen Aussetzung von Diensten, auf den Nachfragerückgang. Branchenbeobachter erwarten, dass die drei großen Reeder-Allianzen im Mai und Juni ihre Kapazitäten auf den wichtigen Routen von und nach Asien um mindestens 20 % zurückfahren. Investitionen, etwa in die Erneuerung der eigenen Flotte, werden verschoben, zusätzliche Programme zur Ergebnissicherung aufgelegt. Hapag-Lloyd etwa hat sich infolge der Pandemie zum Ziel gesetzt, die Kosten für Handling und Transport von Containern, für das Equipment sowie für Schiffssysteme und Verwaltung in mittlerer dreistelliger Mill.-Dollar-Höhe zu reduzieren. Staatliche Hilfen Staatliche Unterstützung nimmt die größte deutsche Containerreederei, die anders als der dänische Weltmarktführer A. P. Møller-Mærsk ihre Jahresprognose in Anbetracht der Pandemie noch nicht kassiert hat, bislang nicht in Anspruch. Auszuschließen sind solche Maßnahmen aufgrund erheblicher Schuldenlasten einzelner Branchenunternehmen jedoch nicht – erst recht dann nicht, sollte sich die Coronakrise in die Länge ziehen und verschärfen. Südkorea hat den Schifffahrtsgesellschaften des Landes, darunter mit HMM einer der Partner von Hapag-Lloyd im Reederbündnis “The Alliance”, bereits rund 1 Mrd. Dollar zugesichert. Die Finanzhilfen, die von Kreditinstituten wie der Korea Development Bank (KDB) bereitgestellt werden, sollen unter anderem dazu dienen, fällig werdende HMM-Verbindlichkeiten zurückzuzahlen. Mit der “HMM Algeciras” wurde im April das nun mit einer Stellplatzkapazität von fast 24 000 Standardcontainern (TEU) größte Containerschiff der Welt in Dienst genommen. Sie ist das erste von insgesamt zwölf Schiffen der sogenannten HMM-Megamax-Klasse, die 2018 in Auftrag gegeben wurden.Auch die zuletzt defizitäre französische Reederei CMA CGM, vor Hapag-Lloyd die weltweite Nummer 4 der Branche, hat – um die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie zu bewältigen und die Liquidität zu sichern – von einem Bankenkonsortium ein Milliardendarlehen erhalten, für dessen Rückzahlung zum Großteil der französische Staat bürgt.Die Unsicherheiten in der Branche resultieren aus dem drastischen Rückgang der Nachfrage nach Containertransportleistungen. Reedereien hätten aufgrund der stark gefallenen Nachfrage mehr als 250 geplante Schiffsabfahrten im zweiten Quartal gestrichen, stellte der maritime Branchendienst Alphaliner fest. Nicht benötigt würden 3 Millionen TEU oder fast 13 % der weltweiten Containerschiffflotte von über 23 Millionen TEU. Zum Vergleich: In der Finanzkrise vor gut einer Dekade belief sich die aufliegende, das heißt beschäftigungslose Flotte auf 11,7 % der globalen Transportkapazitäten von damals rund 13 Millionen TEU. Als 2016 die größte koreanische Reederei Hanjin Shipping insolvent wurde, waren von dem Bankrott der Nummer 7 der Schifffahrtsbranche 1,59 Millionen TEU oder 7,6 % der weltweiten Kapazitäten betroffen. Fragile Bilanzen Der Druck für die Reedereien nimmt zu, was sich auch an Einschätzungen von Bonitätsprüfern erkennen lässt. Seit Ende März hat die Ratingagentur Moody’s den Ausblick für die Kreditwürdigkeit von Hapag-Lloyd, Mærsk, MOL und NYK auf “negativ” herabgesetzt, bei CMA CGM wird eine Ratingherabstufung geprüft. Alphaliner kommentierte zur Lage der Branche in diesem Frühjahr, die beispiellose Verringerung der Kapazitäten werde den operativen Cash-flows schaden und fragile Bilanzen weiter schwächen. Der Branchendienst verweist auf ein erhöhtes Insolvenzrisiko. Das dänische Analysehaus Sea Intelligence warnte vor einem Verlust in der Containerschifffahrt von mehr als 23 Mrd. Dollar in diesem Jahr, sollten die Reedereien nicht in der Lage sein, einen deutlichen Rückgang der Frachtraten zu verhindern.