START-UPS DEUTSCHLAND

Corporate-Fonds wechseln den Fokus

Strategischer Nutzen von Start-ups wichtiger als finanzieller Return - Banken bevorzugen Later Stage

Corporate-Fonds wechseln den Fokus

Von Heidi Rohde, FrankfurtCorporate Venture Capital ist auch in Deutschland auf Expansionskurs – jedenfalls wenn man die nackte Zahl der von Unternehmen aufgelegten Fonds betrachtet, die in Start-ups investieren. Diese hat sich nach Angaben des BVK (Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften) in den vergangenen zehn Jahren von 14 auf 34 mehr als verdoppelt. Allerdings steckt dahinter nicht automatisch eine Erfolgsgeschichte.Denn die Investitionen insgesamt zeigen kaum positive Dynamik (siehe Grafik), und das ist nicht verwunderlich, weil die Venture-Aktivitäten der meisten (Groß-)Unternehmen die in sie gesetzten Hoffnungen mehr schlecht als recht erfüllt haben. “Corporate Venture Capital hat jahrelang ebenso wie andere Wagniskapitalgeber versucht, einen rein finanziellen Return aus der Beteiligung zu ziehen. Das hat aber überhaupt nicht geklappt”, befindet Michael Brigl, Partner bei Boston Consulting Group (BCG), im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.Die Renditen blieben oft kümmerlich; nur ganz selten gelang es, ein Portfolio-Unternehmen bis zur Börsenreife zu unterstützen, der zwischenzeitliche sogenannte Tradesale (Verkauf an einen weiteren privaten Geldgeber) war weniger ertragreich. Eine erste herausragende Ausnahme bildeten die IPOs des Online-Händlers Zalando sowie von dessen Mutter Rocket Internet im vergangenen Herbst. Erstmals landeten zwei von deutschen Corporate-Venture-Fonds – Holtzbrinck, Tengelmann, United Internet – maßgeblich mitfinanzierte Start-ups an der Börse, und das gleich mit einer milliardenschweren Bewertung. Allerdings haben die Kapitalgeber bisher nicht Kasse gemacht, sondern einen Exit nach hinten verschoben. Der tatsächliche Return ist also offen. Ausgewogener AnsatzÜberdies hat United-Internet-Chef Ralph Dommermuth, der selbst ein Start-up zum TecDax-Schwergewicht formte, wissen lassen, dass er als Investor bei Rocket Internet nicht an einen Verkauf, sondern vielmehr sogar an eine Aufstockung denkt. Der Internetkonzern steht damit für einen Perspektivwechsel bei Corporate Venture Capital in Deutschland. Die Unternehmen verfolgen laut Brigl inzwischen einen “deutlich ausgewogeneren Investmentansatz”. Neben klar definierte finanzielle Ziele tritt “eine strategische Komponente”. Das Start-up soll im Idealfall einen innovativen Beitrag zum Kerngeschäft leisten, meist “technologischen Input liefern und Teil der Wachstumsstrategie des Mutterunternehmens werden”.Auch diese Idee ist allerdings nicht neu. Ex-Telekomlenker René Obermann hat die hauseigene Gesellschaft T-Venture konsequent auf einen strategischen Nutzen der Beteiligungen für die Telekom ausgerichtet und dem Fonds erhebliche Mittel zur Verfügung gestellt. Zuletzt war das Volumen des größten Fonds seiner Art im Dax auf 450 Mill. Euro angeschwollen. Während Obermanns Vorgabe zunächst lautete, die Schlagzahl zu erhöhen, also sowohl die Zahl der Beteiligungen als auch die Beteiligungshöhe, sah sich das T-Venture-Management damit zunehmend überfordert. Patrick Meisberger, der seit 2009 an der Spitze von T-Venture stand und Mitte vergangenen Jahres zur Commerzbank wechselte, erklärte auf der Hausmesse T-Venture Open im Juni noch kurz vor seinem Wechsel, “mehr Geld” werde keinesfalls benötigt. Vielmehr mangele es dem Fonds an interessanten Anlagemöglichkeiten. Qualität fehltDiese Einschätzung teilt auch Brigl. Es fehle in der bereits seit längerem anhaltenden Liquiditätsschwemme “überhaupt nicht an Geld, sondern an der Qualität der Start-ups”. Allerdings habe sich dabei in jüngster Zeit einiges getan. Hinzu komme, dass die erfolgreiche Entwicklung von jungen Firmen unter dem Dach eines großen Konzerns oft daran scheitere, “dass die operative Unternehmensführung und die Venture-Einheit überhaupt nicht verzahnt sind”. Venture-Fonds führten allzu oft ein Eigenleben außerhalb des Radarschirms des Managements. Dies mag ein Grund gewesen sein, dass sich Obermanns Nachfolger Timotheus Höttges mit den Aktivitäten von T-Venture unzufrieden zeigte, nachdem er sich anlässlich der Hausmesse erstmals näher damit befasst hatte. Ergebnis war eine “Neuordnung” dieser Geschäfte. T-Venture ging in der zu Jahresbeginn neu formierten Deutsche Telekom Capital Partners auf, die nun als Private-Equity-Arm des Bonner Konzerns mit VC-Anhängsel aufgestellt ist. Während der Altfonds zum Jahresende geschlossen wurde, ist für den neuen ein deutliches kleineres Volumen vorgesehen, nämlich maximal 250 Mill. Euro – eingedenk der Erfahrung, dass es an attraktiven Anlagemöglichkeiten eher mangelt.Dennoch hat Corporate Venture Capital hierzulande an Dynamik gewonnen. Und dies verdankt sich vor allem auch dem Finanzsektor. Die Banken, die sich von den Folgen der Digitalisierung und Großkalibern aus dem Nichtbankensektor wie Paypal oder Apple überrollt sehen, bedürfen dringend der Zusammenarbeit mit jungen innovativen Firmen, um ihrerseits den Wandel in ihren Kundenbeziehungen mitzugestalten, der ansonsten schnell existenzbedrohende Züge annimmt. “Die Finanzdienstleister habe eigentlich alle erkannt, dass ihnen die Zeit davonläuft. Sie müssen handeln”, so Brigl. Ausnahme CommerzbankDabei beschreiten die Institute jedoch unterschiedliche Wege. Eine Ausnahmestellung hat die Commerzbank bezogen. Sie betreibt neben CommerzVentures den Main Incubator, eine Brutstätte für sogenannte Fintec-Unternehmen im Frühstadium. Dagegen konzentrieren sich die meisten Banken auf “Later-Stage Investments”, also junge Unternehmen, die mindestens ein marktreifes Produkt, oft auch schon Umsatz vorweisen können. Sie liefern technischen Input und neue Geschäftsmöglichkeiten für den Corporate Investor und nutzen dessen geschäftliche Reichweite, um im Idealfall eine Skalierung ihres eigenen Geschäfts zu erhalten.In diesem Fall gelingt die “operative Verzahnung und Zusammenarbeit mit dem Management in der Regel auch besser als bei Frühphasen-Investitionen”, betont Brigl.