Countdown für Nord Stream 2 läuft
Der Streit um die 10 Mrd. Euro teure Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2 eskaliert. Der Druck auf die Bundesregierung wächst, auf die Sanktionen der USA zu reagieren – zuletzt die Drohung “finanzieller Vernichtung” gegen den Fährhafen Sassnitz. Die Außenminister von Deutschland und Russland treffen sich heute.cru Frankfurt – Der Druck auf die Bundesregierung wächst, die US-Sanktionen gegen europäische Unternehmen, die am Bau der russischen Gaspipeline Nord Stream 2 beteiligt sind, mit angemessenen Mitteln zu beantworten. Außenminister Heiko Maas wird am heutigen Dienstag (11. August) zu einer Tagesreise nach Moskau und Sankt Petersburg aufbrechen, um seinen russischen Amtskollegen Sergej Lawrow zu treffen. Nach Informationen aus Branchenkreisen wird dann auch der Streit mit den USA um Nord Stream 2 ein Thema sein. Denkbar sind Gegensanktionen wie etwa ein Verbot von US-Frackinggas-Importen in die EU.Maas hat sich bei seinem US-Amtskollegen Mike Pompeo über die jüngste Sanktionsdrohung gegen Nord Stream 2 beschwert. In einem Telefonat mit Pompeo habe er sein “Befremden” über den Brief dreier US-Senatoren an den Fährhafen Sassnitz auf Rügen zum Ausdruck gebracht, sagte Maas am Montag in Berlin. Dem Fährhafen Sassnitz in Mecklenburg-Vorpommern werden in dem Schreiben “finanzielle Vernichtung” und Einreisesperren für die Manager angedroht. Der Brief liegt der Börsen-Zeitung vor. Ministerpräsidentin Manuela Schwesig verlangt von der Bundesregierung, entschiedener Widerstand gegen Drohungen aus den USA zu leisten. Ein ähnliches Drohschreiben war vor einigen Monaten bereits an den Schweizer Rohrverlegeschiffbetreiber Allseas gegangen.Es geht um Milliardensummen: Die deutschen Energiekonzerne Uniper und Wintershall haben ebenso wie OMV aus Österreich, Engie aus Frankreich und der britische Ölkonzern Shell jeweils 1 Mrd. Euro in das Projekt investiert, und rund 1 000 Unternehmen aus 25 Ländern haben sich dafür eingesetzt, dass das Projekt abgeschlossen wird. Etliche dieser Unternehmen wenden sich nun schon von dem Projekt aufgrund der angedrohten Sanktionen ab – oder haben sich bereits abgewendet wie Allseas. Nur 150 von 2 460 Kilometern Pipeline fehlen noch. 120 Firmen direkt betroffen”US-Sanktionen, sofern sie verhängt würden, könnten über 120 Unternehmen aus mehr als zwölf europäischen Ländern direkt treffen. Sie würden Investitionen zur Fertigstellung der Pipeline in Höhe von rund 700 Mill. Euro verhindern – und das in wirtschaftlich schwierigen Zeiten”, sagte ein Sprecher der Betreibergesellschaft Nord Stream 2 AG der Börsen-Zeitung. Das Unternehmen ist eine Tochter des russischen Staatskonzerns Gazprom und hat seinen Sitz in der Schweiz.”Darüber hinaus würden diese Sanktionen auch Investitionen in Höhe von rund 12 Mrd. Euro in die Energieinfrastruktur der EU untergraben”, warnt der Pipeline-Betreiber. “Dazu zählen die in Nord Stream 2 investierten rund 8 Mrd. Euro sowie weitere 3 Mrd. Euro an Investitionen europäischer Unternehmen in die nachgelagerte Infrastruktur in Deutschland und 750 Mill. Euro für Infrastruktur in der Tschechischen Republik. Diese Infrastruktur wurde errichtet, um das über die Nord-Stream-2-Pipeline gelieferte Erdgas in den europäischen Markt weiterzutransportieren.”Die beiden Kammern des US-Kongresses arbeiten in diesen Tagen an einem gemeinsamen Sanktionsgesetz, das im Dezember von Präsident Donald Trump unterzeichnet werden könnte. Als besonders großer Affront gilt die Ankündigung von US-Außenminister Mike Pompeo, Nord Stream 2 falle nun unter die Bestimmungen des CAATSA-Gesetzes (Countering America’s Adversaries Through Sanctions), mit dem auch Firmen international sanktioniert werden, die etwa mit dem Iran oder Nordkorea Geschäfte machen. Der US-Regierung wird nachgesagt, sie treibe die Sanktionen voran, um im Wahlkampf nicht als Russland-beeinflusst angegriffen zu werden – und um der heimischen, finanziell angeschlagenen Frackinggas-Industrie Exportmöglichkeiten über Flüssiggastanker (LNG) nach Europa zu verschaffen.”Die Bemühungen, dieses Vorhaben zu behindern, zeigen eine klare Missachtung der europäischen Verbraucher, die Milliarden mehr für Erdgas zahlen werden, wenn diese Pipeline nicht fertiggestellt wird”, urteilt Nord Stream 2. “Ebenfalls wird das Recht der EU missachtet, ihre eigene Energiezukunft zu bestimmen. Die Entscheidungen über die Energiepolitik der Europäischen Union sollten Europa selbst überlassen werden.” Ablehnung in Europa wächstTatsächlich gibt es eine zunehmende Ablehnung exterritorialer US-Sanktionen durch europäische Regierungen, die Europäische Union und Wirtschaftsverbände, die sich in diversen Aussagen widerspiegelt. Bundeskanzlerin Angela Merkel betonte in einem Statement im Deutschen Bundestag am 1. Juli: “Wir glauben allerdings, dass die Art der exterritorialen Sanktionen, wie sie von den Vereinigten Staaten von Amerika verhängt werden, nicht unserem Rechtsverständnis entspricht. Dennoch muss man zugestehen, dass sich dadurch der Bauverlauf erschwert. Wir glauben trotzdem, dass es richtig ist, dieses Projekt fertigzustellen, und in diesem Sinne agieren wir.”