DAS CFO-INTERVIEW - IM INTERVIEW: RALPH HEUWING

"Da muss niemand unruhig werden"

Der Finanzvorstand von Knorr-Bremse erklärt, warum die Entscheidung über einen Börsengang so lange dauert und wie er mit dem Eigentümer klarkommt

"Da muss niemand unruhig werden"

– Herr Heuwing, warum dauert es so lange, bis sich die Eigentümer von Knorr-Bremse, Heinz Hermann Thiele und seine Tochter, für oder gegen einen Börsengang entscheiden? Herr Thiele hat im vergangenen Herbst den Börsengang als eine von mehreren Optionen in Aussicht gestellt. Im folgenden halben Jahr hat sich seine Präferenz verdichtet, parallel wurde das Unternehmen kapitalmarktfähig aufgestellt. Das braucht seine Zeit. Die endgültige Entscheidung für einen IPO fällt ohnehin immer erst ungefähr zwei bis vier Wochen vor einer Platzierung. – In der Finanzbranche wird das Gerücht gestreut, dass im September 25 % der Anteile an der Frankfurter Börse platziert werden sollen. Was ist an der Sache dran?Sollte es zu einem IPO kommen, so wäre es plausibel, wenn die Familie zunächst die Kontrolle behielte und der Streubesitz entsprechend unter 50 % läge.- Bedeutet “zunächst”, dass der Streubesitz später mehr als die Hälfte ausmachen könnte? Es geht um den Übergang von einem Familienunternehmen mit 113-jähriger Geschichte in eine börsennotierte Gesellschaft. Damit verändern sich die Grundsätze zur Unternehmensführung, also die Corporate Governance. Mit einer Börsennotierung wird ein neuer Rahmen gesteckt, in dem sich Knorr-Bremse weiterentwickeln wird – auch unabhängig von einer Unternehmerfamilie.- Wann fällt denn die Entscheidung? Es ist geplant, eine Entscheidung nach der Sommerpause zu treffen.- Also nach den Ferien, die in Bayern am 10. September enden.Wenn alle wieder aus dem Urlaub zurück sind, wird das Unternehmen entscheiden, ob und wann ein Börsengang stattfindet. – Angeblich sind schon Banken mandatiert, die offensichtlich ungeduldig über die Medien einen Börsengang beschleunigen wollen: J.P. Morgan Chase und die Deutsche Bank als führende Emissionsbanken sowie Berenberg und die Commerzbank. Wir arbeiten mit verschiedenen Banken zusammen, die jedoch der Vertraulichkeit verpflichtet sind. Da muss niemand unruhig werden. Vielleicht streuen diejenigen Gerüchte, die nicht berücksichtigt werden. – Für einen Börsengang ist die Stimmung an den Aktienbörsen entscheidend. Wie schätzen Sie die aktuelle Lage ein? Auf der einen Seite sehen wir eine Menge Faktoren, die die Börsen potenziell destabilisieren können: politische Ereignisse, der eskalierende Handelskonflikt zwischen USA, China und Europa, Sanktionen gegen Russland und den Iran, die Stabilität der EU oder volatile Währungs- und Zinsentwicklungen. – Und auf der anderen Seite?Da zeigen sich die Börsen erstaunlich robust. Die Kurse sind zwar volatil, bewegen sich aber nach wie vor auf einem sehr ordentlichen Niveau. Der Grund liegt wahrscheinlich darin, dass viele Unternehmen weiterhin gute Gewinne und ein gesundes Wachstum erzielen. Die Realwirtschaft ist bislang relativ unbeeindruckt von den politischen Ereignissen. Aber wir alle wissen, dass das nicht so bleiben muss. – Seit kurzem ist Kathrin Dahnke, Finanzvorstand von Werhahn, im Aufsichtsrat von Knorr-Bremse. Ist das ein weiteres Indiz für einen Börsengang? Wir hatten noch eine Vakanz im Aufsichtsrat. Es wurde darauf geachtet, sie mit einem ausgewiesenen Finanzexperten zu besetzen. Mit ihrer Berufung haben wir auf der Seite der Anteilseigner nun eine Frauenquote von 30 %. Das ist ein weiteres Zeichen, dass sich Knorr-Bremse kapitalmarktgerecht aufstellen möchte. – Die Vakanz war 2016 entstanden, weil der frühere Bosch-Manager Bernd Bohr nicht einmal vier Monate lang Aufsichtsratsvorsitzender war. Zurück zum Börsengang: Ist das Motiv nur die Unternehmensnachfolge und das Vermeiden einer Erbschaftsteuer in Milliardenhöhe? Die Frage, mit der sich der Vorstand in diesem Rahmen beschäftigt, ist, wer die Interessen eines Eigentümers für dieses Unternehmen wahrnimmt. Es ist der Wunsch von Herrn Thiele, dass professionelle Investoren ein Mitspracherecht bekommen und die Zukunft unabhängig von einzelnen Personen ist. – Ihm wären also einige Ankerinvestoren am liebsten?Wir würden eine Mischung aus größeren Long-only-Investoren befürworten, die auch die langfristige Unternehmensentwicklung im Blick haben, und solchen, die Liquidität am Markt bereitstellen. Damit ein vernünftiger Handel der Aktie gewährleistet wäre, sollte ein erfolgreicher Börsengang stattgefunden haben. – Die weitere Unternehmensexpansion könnten Sie locker aus dem Cash-flow finanzieren. 2017 waren es fast 800 Mill. Euro. Dafür bräuchten Sie den Börsengang nicht. Das ist korrekt, wobei diese Zahl noch nach HGB ist. Knorr-Bremse hat eine sehr starke Cash Conversion. Außerdem haben wir erst unlängst eine Anleihe mit einem Volumen von 750 Mill. Euro platziert. Diese gibt uns den Spielraum, sowohl organisch als auch über Akquisitionen weiter zu wachsen. Falls es zum Börsengang kommt, wird es um einen Verkauf von Anteilen durch den heutigen Eigentümer gehen, also um eine reine Sekundärtransaktion und nicht um eine Kapitalerhöhung.- Hat sich das Streben nach der Eigenständigkeit herumgesprochen, oder machen Ihnen Investoren immer noch Avancen? Knorr-Bremse ist optimal aufgestellt, um an den gesellschaftlichen und technologischen Zukunftstrends wie Urbanisierung, Elektrifizierung oder autonomes Fahren zu partizipieren. Das Unternehmen soll eigenständig bleiben. Was nicht ausschließt, in Bezug auf große Technologiethemen weiterhin an Partnerschaften zu denken. – Welches sind die wichtigsten Aufgaben, um das Unternehmen auf einen möglichen Börsengang vorzubereiten? Das lässt sich in drei Felder gliedern. Das erste ist das Sicherstellen einer börsenfähigen Corporate Governance. Mit der Rechtsform als Aktiengesellschaft ist Knorr-Bremse schon seit langem gut aufgestellt. Es gab aber noch einige Aufgaben, zum Beispiel die Aktualisierung von Satzung und Geschäftsordnung. Zudem mussten Anforderungen an die Arbeit im Aufsichtsrat, zum Beispiel in Form von Ausschüssen, formal abgebildet werden. Das haben wir inzwischen erledigt.- Das zweite?Das zweite Feld war die Umstellung unserer Rechnungslegung von HGB auf IFRS – auch rückwirkend für die vergangenen drei Jahre. Das ist erfolgt und war eine erhebliche Anstrengung. Das dritte Feld ist der Aufbau einer Investor-Relations-Abteilung: personell und inhaltlich. Die Börse erwartet, dass wir künftig eine Guidance und eine Mittelfristprognose veröffentlichen. Außerdem haben wir ein Finanzmodell erarbeitet, um die Schätzungen von Analysten nachzuvollziehen. – Wie weit sind Sie damit?Wir haben die Vorbereitungen getroffen. Vermutlich werden wir einen Leiter für Investor Relations erst nach einem möglichen Börsengang an Bord nehmen. – Also kommen Sie insgesamt wie erwartet voran?Wir sind gut im Plan. – Machen Sie Urlaub in diesem Sommer?In diesem Jahr werden es wohl nur ein paar Tage. Es gibt momentan zu viel zu tun. – Das war auch eher eine rhetorische Frage. Gibt es eine Urlaubssperre? Wir haben keine offizielle Sperre verhängt. Stattdessen haben wir mit unseren Mitarbeitern die Abwesenheit wegen Urlaub bewusst geplant. Darüber hinaus sind die Aufgaben ja auch auf unterschiedliche Abteilungen verteilt, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten gefordert sind. – Wie viele Mitarbeiter sind beteiligt?Allein mit dem Halbjahresabschluss sind Hunderte von Mitarbeitern weltweit beschäftigt. Außerdem haben wir externe Hilfe für verschiedene Arbeitsbereiche engagiert.- Wann veröffentlichen Sie die Halbjahreszahlen?Wenn wir an die Börse gehen, würden wir vermutlich unsere Halbjahreszahlen im Prospekt veröffentlichen.- Welche Kapitalstruktur wäre für Knorr-Bremse optimal?Mit unserer Nettoverschuldung nahe null gewährleisten wir einerseits einen effizienten Einsatz unseres Eigenkapitals. Andererseits haben wir den Spielraum, uns bei Bedarf – etwa für Akquisitionen – zu verschulden. Wir könnten Schulden in Höhe vom Eineinhalb- bis Zweifachen des Ebitda aufnehmen. – Hätten Aktionäre im Fall einer Börsennotierung etwas vom starken Cash-flow?Wir würden auf jeden Fall eine attraktive Dividendenquote anstreben. Die Höhe hinge auch von unseren Wachstumschancen ab. Knorr-Bremse ist verglichen mit den Märkten ihrer Kunden überproportional gewachsen: seit 2010 jährlich um durchschnittlich mehr als 7% – knapp ein Drittel davon aufgrund von Akquisitionen. – Zum aktuellen Geschäft: Bleibt es bei der Prognose für dieses Jahr – also 6,4 bis 6,6 Mrd. Euro Umsatz und 17 bis 19 % Ebitda-Marge?Das ist ein technischer Punkt: Die Prognose im Frühjahr bezog sich auf HGB. Wir planen, die Geschäftszahlen künftig nach IFRS anzugeben. Insofern ist die Prognose per se nicht mehr gültig. Ich kann aber sagen, dass das Geschäft gut läuft. Das erste Halbjahr verlief gut, und wir erwarten auch ein gutes Gesamtjahr. – Sie sind seit acht Monaten in einem Unternehmen mit einem starken Eigentümer, der als Ehrenaufsichtsratsvorsitzender noch immer sehr aktiv ist. Wie ist Ihr Verhältnis zu Heinz Hermann Thiele? In der relativ kurzen Zeit, in der ich bei Knorr-Bremse bin, habe ich die Zusammenarbeit mit dem Eigentümer als vertrauensvoll und wertschätzend erlebt. Ich bringe zehn Jahre Erfahrung als CFO in einem börsennotierten Unternehmen mit, das sich sehr erfreulich entwickelt hat. Knorr-Bremse ist ein tolles Unternehmen, das strategisch, operativ und finanziell hervorragend aufgestellt ist. Und trotzdem gibt es noch jede Menge Potenzial zur weiteren Verbesserung der Ertragslage. – Dafür hat Herr Thiele immer ein offenes Ohr.Ich habe bisher nichts Gegenteiliges erlebt. Herr Thiele hat auf eine eindrucksvolle Weise über Jahrzehnte das Unternehmen auf Wachstum und Effizienz getrimmt. Es ist unsere Verantwortung, diese Erfolgsgeschichte weiterzuschreiben. – Wie oft haben Sie mit ihm zu tun?Für die aktuellen Aktivitäten gibt es viele Themen gemeinsam mit Vorstand und Eigentümer zu besprechen und abzustimmen. Es geht ja um die Zukunftssicherung des Unternehmens.- Wird Herr Thiele in den Aufsichtsrat zurückkehren?Das ist nicht geplant.—-Das Interview führte Joachim Herr.