IM GESPRÄCH: CHRISTIAN KLEIN

"Da müssen wir agiler werden"

Nach einer Reihe von Milliardenübernahmen richtet SAP jetzt auch die internen Geschäftsprozesse an der Cloud aus - Der neue COO treibt den Wandel an

"Da müssen wir agiler werden"

Knapp 20 Mrd. Dollar hat sich der Softwarekonzern SAP zwischen 2011 und 2014 die Akquise von fünf Cloud-Unternehmen kosten lassen. Jetzt steht die Integration im Fokus und dem neuen COO Christian Klein kommt dabei eine wichtige Rolle zu.Von Stefan Paravicini, WalldorfSucht man nach einem Motto, das die vergangenen fünf Jahre in der IT- und Softwarebranche auf den Begriff bringt, kommt man an einem Modewort nicht vorbei. Denn die sogenannte “Cloud”, das Angebot von IT-Leistungen aus großen Rechenzentren, auf die Firmen und Privatkunden über das Internet zugreifen, hat die Branche ziemlich umgekrempelt. Das gilt auch für den Walldorfer Softwarekonzern SAP, der zwischen 2011 und 2015 mit Success Factors, Ariba, Fieldglass, Hybris und Concur gleich fünf Milliardenübernahmen mit einem Gesamtvolumen von annähernd 20 Mrd. Dollar gestemmt hat, um in der Cloud den Anschluss an neue Herausforderer wie Salesforce, Workday oder die eben von Oracle übernommene Netsuite nicht zu verlieren. Erfahrung im Silicon ValleyChristian Klein, Chef-Controller und seit einem halben Jahr auch Chief Operating Officer (COO) des Dax-Konzerns, hat den damit verbundenen Wandel bei SAP von Beginn weg an exponierter Stelle miterlebt. Nach der Übernahme von Success Factors im Frühjahr 2012 wurde Klein aus der Firmenzentrale in Walldorf nach Kalifornien entsandt und dem Gründer, Lars Dalgaard, als CFO zur Seite gestellt. “Die Zeit war unheimlich wichtig, weil sie mir heute hilft, Dinge bei SAP auch mal in Frage zu stellen”, sagte Klein jüngst im Gespräch mit der Börsen-Zeitung über die Jahre im Silicon Valley. Dinge bei SAP in Frage zu stellen, das steht auch heute im Anforderungsprofil, denn zurück in Walldorf soll der COO die Geschäftsprozesse bei SAP jetzt durchgängig an den Anforderungen des neuen Geschäftsmodells ausrichten.Was das konkret bedeutet? Im Unterschied zum konventionellen Verkauf von Softwarelizenzen und den zugehörigen Wartungsverträgen, mit denen SAP immer noch das Gros ihrer Erlöse erzielt, ist die Cloud ein Volumengeschäft, das sich vornehmlich in Bereitstellung und Betrieb der Software unterscheidet. Um dieses Geschäft effizient abwickeln zu können, müsse SAP verstärkt auf neue Vertriebskanäle setzen, erklärt Klein. Seit zwei Jahren kann man bei SAP Lösungen über das Internet bestellen, inklusive der dazugehörigen Zahlungsabwicklung. Doch das ist erst der Anfang. “Wie können wir das größere Volumen intern schneller administrieren? Wie werden Verträge schneller prozessiert? Da müssen wir agiler werden und zum Beispiel die Zahl der Genehmigungsstufen reduzieren”, beschreibt Klein die Aufgabe. Im Vergleich zum angestammten Geschäftsmodell seien mit dem Vertrieb von Software über die Cloud mehr interne Prozesse verbunden, die neu gestaltet und automatisiert werden müssen.Doch SAP will nicht nur die Prozesse zum Endkunden mit Blick auf das Cloud-Geschäft optimieren. “Wir wollen auch unsere interne Systemlandschaft stärker in die Cloud migrieren und dabei unsere Akquisitionen nutzen.” Neben der Personalmanagement-Software von Success Factors sind die Walldorfer auch dabei, ihre drei Geschäftsnetzwerke Ariba, Concur und Fieldglass für das Management von Bestellungen, Geschäftsreisen und temporären Arbeitskräften in die internen Prozesse einzubinden. Gerade von Concur, der bisher letzten und mit rund 8 Mrd. Dollar auch größten Akquisition in der Firmengeschichte, erwarte man sich große Synergien, sagt Klein. Die stärkere Einbindung der Cloud-Lösungen in die internen Abläufe bringe auch für Endkunden von SAP Vorteile, weil zusätzliche Schnittstellen in die bestehende SAP-Systemlandschaft etabliert werden und die Bedienbarkeit der Software weiter vereinfacht wird. Steuerung in EchtzeitParallel dazu verlagert SAP alle Kerngeschäftsprozesse auf eine neue Suite, die neben einer Vereinfachung der Prozesse auch die Steuerung des Unternehmens in Echtzeit ermöglichen wird. Die damit verbundenen Möglichkeiten der Verarbeitung von Millionen Datensätzen in Echtzeit will Klein im ganzen Unternehmen nutzen. “Wie groß wird in drei Monaten das Kundeninteresse nach Cloud-Produkten in einem bestimmten Land sein? Welche Skills werden dann im Support vor Ort benötigt und für welche Branche?”, beschreibt der COO den Blick, den Echtzeitdaten SAP künftig auch auf das eigene Geschäft freigeben sollen. Mit Hilfe von intelligenten Echtzeitanalysen und Simulationen soll die Steuerung des Konzerns über die gesamte Wertschöpfungskette optimiert werden.Auf einen Zeitpunkt, zu dem alle diese Umbauarbeiten abgeschlossen sein werden, legt sich Klein, der im Vorstand an CFO Luka Mucic berichtet, nicht fest. Die meisten Themen seien als kontinuierliche Verbesserungsprozesse angelegt. Einen konkreten Beitrag, den die verstärkte Ausrichtung der Geschäftsprozesse an der Cloud zu den Ergebniszielen des Konzerns leisten soll, möchte er nicht nennen. Nur so viel: “Ich glaube, wir liegen ganz gut im Rennen. Vor allem für die Größe des Unternehmens haben wir den Wandel gut geschafft.” Das gelte ausdrücklich auch für die Veränderungen der Unternehmenskultur, die spätestens mit der Übernahme von Success Factors angestoßen wurden. Damals war in Walldorf in Verbindung mit der Übernahme explizit vom Erwerb der nötigen “Cloud-DNA” die Rede. “Auch wenn es den einen oder anderen Prozess gibt, den wir durchaus noch stärker an der Cloud ausrichten müssen. Aber der kulturelle Wandel ist geschafft.”Der SAP-Vorstand um CEO Bill McDermott sieht das ganz ähnlich. Die Perspektiven für das Produktportfolio in der Cloud bewertet der Konzern so positiv, dass sich der Konzern bis 2020 locker eine Verdreifachung dieses Geschäfts auf 7,5 bis 8 (2015: 2,3) Mrd. Euro zutraut. Der Gesamtumsatz soll bis dahin auf 26 bis 28 (21) Mrd. Euro klettern. Das Betriebsergebnis wird dann in der Größenordnung von 8 bis 9 (6,3) Mrd. Euro erwartet. All das wird wohl nicht reichen, Salesforce in der Cloud als Nummer 1 im Geschäft mit Firmensoftware abzulösen. Der ganz auf dieses neue Geschäftsmodell spezialisierte US-Herausforderer, der zuletzt in Sachen M & A deutlich aktiver als die Walldorfer zu Werke ging (siehe Grafik und Kasten), tönt bereits, den Walldorfern ihren Rang als führender Anbieter von Unternehmenssoftware bald zur Gänze streitig zu machen. Spitze im LeitindexKlein hält dagegen, dass SAP gerade durch die Fähigkeit der Integration von On Premise und Cloud, von Software auf Kundenservern und in Rechenzentren, einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil hat gegenüber den reinen Cloud-Anbietern. Investoren trauen SAP ebenfalls eine Menge zu. Mit einer Marktkapitalisierung von knapp 100 Mrd. Euro steht das Unternehmen derzeit an der Spitze im deutschen Leitindex. Der neue COO soll sicherstellen, dass dem Börsenschwergewicht der Wandel zum Cloud-Konzern möglichst leichtfüßig gelingt.