65. IAA NUTZFAHRZEUGE - 25. SEPTEMBER - 2. OKTOBER 2014 - HANNOVER - SERIE: NUTZFAHRZEUGE AUF GLOBALEM KURS (1)

Daimler greift in Schwellenländern an

Der Stuttgarter Weltmarktführer mit dem Stern sieht die Hauptkonkurrenten der Zukunft in Asien

Daimler greift in Schwellenländern an

Wie bei Pkw wird auch das Nutzfahrzeuggeschäft internationaler. Für den Stuttgarter Daimler-Konzern ist das nichts Neues. Der Weltmarktführer ist mit seinen Lkw und Bussen schon länger mit Produktion global aufgestellt als mit seinen Pkw. Dabei beobachten die Stuttgarter die Entwicklungen genau. Besonders neue Player aus Schwellenländern wie China und Indien hat Daimler im Blick.Von Gerhard Bläske, StuttgartNutzfahrzeug-Weltmarktführer Daimler ist auf Kurs. Im ersten Halbjahr stiegen der Absatz um 4 % auf 234 595 Einheiten, der Umsatz leicht auf 15,1 (i.V. 15) Mrd. Euro und die Rendite verbesserte sich im zweiten Quartal auf 5,7 (5,4) %. Im Gesamtjahr könnten die erst für 2015 angepeilten Verkaufszahlen von 500 000 (i.V. 484 000) Einheiten erreicht werden.Doch es sind dunkle Wolken aufgezogen. Die Ukraine-Krise bremst die Verkäufe in Russland deutlich. Zwar werden im größten Land der Welt nur wenige Premiumfahrzeuge abgesetzt. Doch Daimler baut dort Lkw und Vans sowie Kabinen in Lizenz mit Partner Kamaz, an dem die Stuttgarter auch mit 15 % beteiligt sind. Die Aufstockung des Anteils ist kürzlich abgesagt worden.Die Krise beeinträchtigt aber vor allem das ohnehin eingetrübte konjunkturelle Umfeld. Erhebliche Vorzieheffekte vor der Einführung der Euro-6-Abgasnorm in Europa sorgten zwar für einen Boom 2013, hatten jedoch Rückgänge in Westeuropa in der ersten Jahreshälfte zur Folge. Auch das Geschäft in Brasilien und Argentinien läuft in diesem Jahr schlecht. Und der indische Markt ist ebenfalls ein Trauerspiel. Immerhin kann Daimler aus der dortigen Fertigung Low-cost-Fahrzeuge nach Afrika und in den Nahen Osten exportieren. Zum Glück für Daimler sorgt der boomende nordamerikanische Markt für einen Ausgleich und hilft auch, etwa die Aggregatefertigung im deutschen Gaggenau auszulasten. BaukastenstrategieAls Weltmarktführer ist Daimler in allen wichtigen Märkten dieser Welt vertreten. Anders als im Pkw-Bereich sind die Produkte jedoch höchst unterschiedlich, selbst in den Triade-Märkten Europa, Nordamerika und Japan. Fahrzeuge der Amerika-Tochter Freightliner haben kaum etwas gemein mit den europäischen. Um Synergien zu heben und Kosten zu sparen, setzt Daimler auf eine Baukasten- und Gleichteilestrategie innerhalb des Konzerns. In Schwellen- und Entwicklungsländern werden maßgeschneiderte Produkte mit lokalen Partnern entwickelt, die auf die dortigen Bedürfnisse zugeschnitten sind.Anders als im Pkw-Bereich, wo auch das Bauchgefühl eine wichtige Rolle spielt, rechnen die Käufer von Nutzfahrzeugen mit dem spitzen Bleistift. Da sind die Betriebskosten der entscheidende Faktor. Der Konkurrenzkampf wird zunehmend härter. Hauptverfolger von Daimler, der seit Jahren mit dem Partner Foton auch in China fertigt, ist Volvo. Die Schweden drängen auf den chinesischen Markt. Als neuer Wettbewerber etabliert sich die Volkswagen-Gruppe mit den VW-Kleinlastern sowie MAN und Scania. Noch bekriegen sich die beiden Marken stark. Doch mit dem früheren Daimler-Nutzfahrzeugchef Andreas Renschler hoffen die Wolfsburger Synergien zu heben und endlich ein vernünftiges Miteinander zu erreichen.Daimler-Nutzfahrzeugchef Wolfgang Bernhard nimmt den Konkurrenten ernst. Er glaubt zu wissen, dass VW die bestehende Schwäche in Nordamerika ausmerzen und den Hersteller Paccar übernehmen will. Das wäre zwar einerseits wichtig, um eine bessere regionale Verteilung zu erreichen, doch die Kosten wären sehr hoch und ob es sinnvoll ist, angesichts der großen Herausforderungen mit MAN und Scania jetzt einen weiteren Hersteller zu integrieren, ist ebenfalls fraglich.Doch die eigentlichen Wettbewerber der Zukunft sieht der breit aufgestellte Daimler-Konzern, der in allen Segmenten des Nutzfahrzeugsektors vertreten ist, in den Schwellenländern. Allein der chinesische Markt ist größer als alle anderen Märkte zusammen. Lokale Hersteller wie Dongfeng, Bejing Automotive oder FAW, aber auch die indische Tata werden dereinst auch nach Europa oder Nordamerika drängen. In Indien ist Daimler mit Bharat Benz selbst vertreten. Der Markt mit jährlich 300 000 Einheiten aber ist schwierig und deshalb montiert die Tochter auch Fahrzeuge mit Technik der japanischen Daimler-Sparte Fuso aus Auslastungsgründen auch für den Export nach Afrika. Tata beherrscht den indischen Markt zu 65 %, Ashok Leyland kommt auf 21 % von Volvo-Eicher auf rund 10 %. “Wer in den Schwellenländern nicht vorne mitspielt, wird auch in den Industrieländern auf Dauer nicht mehr vorn sein”, sagt Bernhard, der darauf dringt, dass “im Rahmen unserer Plattformstrategie jetzt die Entscheidungen für 2020 getroffen werden”. Er fürchtet, dass “die Chinesen auch in unseren Stammmärkten angreifen, wenn wir jetzt nicht handeln”.Die Erhöhung der lokalen Fertigungen ist auch aus Wechselkursgründen wichtig. Negative Währungseffekte belasten den Daimler-Konzern in diesem Jahr mit etwa 1 Mrd. Euro. Ein Drittel davon entfällt auf den Nutzfahrzeugsektor. Der Ausbau der lokalen Wertschöpfung steht vor allem in der Türkei, in Brasilien, Indien und in den USA im Fokus des Konzerns. Zielrendite weit wegDoch jenseits der Position in diesen Ländern muss Daimler auch im Premiumsegment aktiv werden. Die Zielrendite von 8 % ist noch längst nicht greifbar, Wettbewerber wie Scania sind da deutlich besser. Es geht um Kosteneinsparungen und Synergien, etwa durch Bündelungen und Zusammenlegungen gerade auch in den europäischen Werken.