NOTIERT IN MADRID

Das "centro comercial" ist wieder da

Neben der Suche nach dem Sinn des Lebens und der inneren Ruhe mussten sich Pilger auf dem Jakobsweg während der Ostertage auch auf der Suche nach Unterkünften gegen gehörig viele Mitbewerber durchsetzen. Der wohl beliebteste Wanderweg der Welt zum...

Das "centro comercial" ist wieder da

Neben der Suche nach dem Sinn des Lebens und der inneren Ruhe mussten sich Pilger auf dem Jakobsweg während der Ostertage auch auf der Suche nach Unterkünften gegen gehörig viele Mitbewerber durchsetzen. Der wohl beliebteste Wanderweg der Welt zum Grab des Apostels in Santiago de Compostela erfreut sich eines enormen Zulaufs. Auch abseits der historischen Route waren die meisten Hotels in Galizien, im Nordwesten Spaniens, über die Feiertage ausgebucht. Und im Rest des Landes sah es ähnlich aus, wie aus der Branche zu hören ist. Spanien verzeichnet Monat für Monat neue Rekorde im so wichtigen Tourismusgeschäft. Dabei profitiert man nicht zuletzt von Problemen anderer populärer Ferienziele, wo innenpolitische Konflikte Urlauber fernhalten, wie zuletzt in Tunesien nach den Terroranschlägen. Der schwächelnde Euro zieht derweil immer mehr Besucher aus Nordamerika an. Und auch die Spanier selbst verreisen wieder deutlich mehr in ihrem Heimatland, seit sich die konjunkturelle Lage aufgehellt hat. Zwar liegt die Arbeitslosigkeit nach wie vor auf einem hohen Stand von 23 %, doch viele Menschen haben nun offenbar das Gefühl, dass es wieder besser, zumindest aber nicht mehr schlechter laufen wird. Der Index des Verbrauchervertrauens lag im März erstmals seit dem Ende der Immobilienblase wieder leicht im positiven Bereich. *Diese Trendwende ist auch in den pompösen Einkaufszentren zu spüren, die während des Booms zu Beginn des Jahrtausends zu Hunderten aus dem Boden schossen. Konsumenten bummeln nicht mehr nur von Schaufenster zu Schaufenster – sie kaufen auch wieder mehr ein. Weitsichtige und risikobereite Investoren hatten darauf schon vor einem Jahr gesetzt und ihr Geld verstärkt in spanische Shopping Malls angelegt. Die “centros comerciales” sind der absolute Hit auf dem nach langer Durststrecke wiederbelebten Immobilienmarkt. Im vergangenen Jahr wechselten laut des Verbandes der Einkaufszentren AECC Objekte im Gesamtwert von 2,5 Mrd. Euro den Besitzer. Die Käufer sind fast ausschließlich Finanzinvestoren, davon 70 % aus dem Ausland, hauptsächlich Fonds aus den USA und Großbritannien. Und ihr Hunger ist längst nicht gestillt. Mitte März erwarb die französische Klépierre, spezialisiert auf Shopping Malls, für 375 Mill. Euro das Plenilunio, eines der größten Madrider Einkaufszentren.Diese nach US-Vorbild geprägten Konsumtempel sind in Spanien erfolgreicher als in den meisten anderen Ländern Europas – zur Überraschung des ein oder anderen Soziologen. In den vielen Trabantenstädten, die in den vergangenen Jahrzehnten und besonders während des Baubooms im letzten Jahrzehnt in den Himmel wuchsen, ist das “centro comercial” zugleich Zentrum des gesellschaftlichen Lebens, so wie einst der Marktplatz des Heimatdorfes. Hier trifft man sich zum Essen oder auf ein Bier in den Bars und Restaurants, die fast ausschließlich Ketten gehören. Maßgeblich für den Erfolg einer Mall ist der gebotene Erlebniswert: ein Kino ist das Minimum. Denn was den reinen Einkauf betrifft, vollzieht sich in spanischen Städten – wie überall in Europa – eine Entwicklung im umgekehrten Sinn. Konzerne wie Carrefour haben zuletzt zahlreiche kleine Stadtteil-Supermärkte eröffnet, da die Konsumenten seltener wie früher ihre monatlichen Großeinkäufe in Megastores am Stadtrand tätigen.Die Vorliebe für die “centros comerciales” schmälert das nicht, was die Investoren beflügelt. Branchenkenner erwarten, dass auch 2015 wieder Objekte für bis zu 3 Mrd. Euro verkauft werden könnten. Nur werden die besonders lukrativen und prestigeträchtigen Anlagen mittlerweile knapp und Investoren müssen sich mit zweitrangigen und eventuell weniger rentablen Malls zufriedengeben. Da liegt es nahe, neue und noch modernere Zentren zu bauen. Einige Projekte sind bereits im Bau, andere in Planung. Wang Jianlin, Chef der chinesischen Dailian Wanda-Gruppe, möchte im Süden Madrids ein riesiges Freizeit- und Einkaufsparadies errichten. Angst vor Übersättigung scheint nicht zu bestehen, doch so mancher Spanier fühlt sich bereits an noch nicht allzu lang vergangene Tage des Booms erinnert.