BRAUEREIFUSION

Das große Fressen

Megadeals erreichen dieses Jahr Rekordniveau - Treiber USA - Boom querbeet mit Ausnahme von Energieversorgern - Deutsche Unternehmen stehen an der Seitenlinie

Das große Fressen

Von Walther Becker, FrankfurtErst der mit 67 Mrd. Dollar größte Technologie-Deal aller Zeiten, jetzt eine Übernahme, wie sie die Welt in der Nahrungs- und Genussbranche noch nicht gesehen hat. Und wer sprengt morgen den Rahmen? Während der Markt für Börsengänge die deutlich gestiegene Volatilität zu spüren bekommt, beeinflussen die Sorge um die Konjunkturabkühlung in China, niedrige Öl- und andere Rohstoffpreise, die Zinspolitik der US-Notenbank oder der VW-Skandal die M & A-Akteure bisher offenbar nicht. Das große Fressen ist in vollem Gang.Die Zuversicht, mit cashreichen Bilanzen und günstigen Finanzierungsmöglichkeiten neue Imperien zu bilden, ist allenthalben vorhanden – fast überall. Nicht in Deutschland, wo die Fusionstätigkeit am Boden liegt. Ob wirklich Wachstumschancen entgehen, wie M & A-Berater gerne einreden, ist fraglich – schließlich vernichten mehr als 50 % aller Transaktionen Wert. Auch der Druck von Aktionärsaktivisten ist hier weniger spürbar als in den USA.Angekündigt wurden in den ersten neun Monaten Deals im Volumen von 3,41 Mrd. Bill. Dollar, zählt Dealogic. Das sind nur gerade 5 % weniger als im Rekordjahr 2007. Allein das dritte Quartal, also vor allem der urlaubsgeprägte Sommer, brachte es infolge der überschäumenden Aktivitäten in den USA auf 1,22 Bill. Dollar. Nun setzt AB Inbev – sieben Jahre nachdem Inbev Anheuser-Busch (AB) für 60 Mrd. Dollar 2008 im größten M & A-Deal in Europa geschluckt hatte – noch einen drauf. Und bei dem Volumen von 122 Mrd. Dollar sichert sich AB Inbev ab: mit einem “pre-conditional scheme of arrangement”; die Offerte soll es erst geben, wenn alle regulatorischen Genehmigungen vorliegen. Es handelt sich um die größte Übernahme in Großbritannien, höher bewertet als die im April von Shell angekündigte Akquisition der BG Group. Die Deals werden komplexer, wie Dell zeigt: EMC-Aktionäre sollen zum einen 24,05 Dollar in bar bekommen, zum anderen ein Papier, das den Wert der wachsenden EMC-Tochter VM Ware widerspiegeln soll. Und der Mix aus Cash und Barem steigt: 2015 sind laut Dealogic 30 % der Deals derart strukturiert, 55 % sind rein cash- und 15 % pur aktienbasiert – Papiergeraschel.Die aktivste Branche ist nach wie vor Gesundheit, wo es zahlreiche Megadeals (jenseits von 10 Mrd. Dollar) gibt, mit bislang 528 Mrd. Dollar. Auf Platz 2 schob sich dieses Jahr Technologie mit 519 Mrd. Dollar vor Immobilien (349 Mrd.) sowie Öl & Gas. Telekommunikation liegt an fünfter Stelle vor Lebensmittel & Getränke mit 247 Mrd. Dollar. Die einzige Branche, in der die Aktivitäten einbrachen, ist Energieversorgung mit Übernahmen von 166 (i.V. 269) Mrd. Dollar. Zurückgezogen wurden 740 (i.V. 710) Deals mit den Geboten von Teva für Mylan (49,6 Mrd. Dollar) und Monsanto für Syngenta (48 Mrd.) an der Spitze.Die Erfahrung zeigt, dass nach den florierenden M & A-Märkten von 1997 bis 2000 und 2005 bis 2008 ein scharfer Einbruch und negative Reaktion folgten. Seit 2013 zieht der Markt deutlich an. Trotz der Liquiditätsschwemme und des Hungers nach Rendite sind die Quellen nicht unerschöpflich. Diese Erfahrung musste jüngst der französische Telekomkonzern Altice machen, der auf Teufel komm raus in Europa und den USA zukauft. Wurden die Schulden bisher mit 4 % bedient, sind für die jüngste Emission über 8,6 Mrd. Euro zur Akquisitionsfinanzierung 7,6 % abzudrücken. Über längere Zeit haben Investoren unterstützt und die Kurse der Bieters getrieben. Dies sieht zuletzt in einigen Fällen anders aus. Bei AB Inbev/SABMiller notiert die Aktie der Zielgesellschaft gar um 11 % unter der Offerte – ein ungewöhnlicher Discount, der an Kartellbefürchtungen liegen dürfte.