Das Pfeifen im Walde
Dass die Zahlen von Volkswagen und ihrer Tochter Audi fürs erste Quartal katastrophal ausfallen, war wegen der Coronakrise zu erwarten gewesen. In “normalen” Zeiten hätten die aus Wolfsburg gemeldeten Eckdaten womöglich einen Kursrutsch ausgelöst. Am Donnerstag war das Gegenteil der Fall: Trotz der schlechten Nachricht gewann die Aktie des Dax-Konzerns an Wert, ebenso die Titel der Wettbewerber BMW und Daimler.Die Reaktion der Anleger verdeutlicht, dass die Lage der Wirtschaft im Allgemeinen und der Autoindustrie im Besonderen derzeit alles andere als normal ist. Wie das Autotrio im deutschen Leitindex klammern sich die Investoren an die Aussicht einer möglichen Markterholung in der zweiten Jahreshälfte.Für die Führung von VW wie für die der beiden Konkurrenten aus Stuttgart und München gilt China dabei als Hoffnungsträger. Das bevölkerungsreichste Land der Welt befindet sich auf Anordnung Pekings auf dem Weg der Normalisierung des Alltagslebens nach der dort überwunden geglaubten Pandemie.Auf dieses Best-Case-Szenario weist VW in ihrer Ad-hoc-Meldung hin. Das wirkt wie das Pfeifen im Walde. Kaum vorstellbar, dass die Verbraucher scharenweise den Autohändlern die Türen einrennen, wenn die Behörden in den westlichen Industriestaaten ihre verhängten Kontakt- und Ausgangssperren wie in China wieder aufheben. Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit und eine allgemeine Verunsicherung halten die privaten Haushalte davon ab, sich einen Neuwagen anzuschaffen. Das Geld sitzt nicht mehr so locker.In diesem Umfeld werden sich der Preiskampf und Verdrängungswettbewerb unter den Autoherstellern verschärfen, wenn sie nach dem Ende der Produktionsstopps ihre Fertigungskapazitäten auf breiter Front wieder hochfahren. Das drückt ihre Margen zusätzlich, da dann ein wachsendes Angebot auf eine zurückhaltende Nachfrage trifft. Eine rasche Entwicklung der Absatzzahlen zurück auf das Rekordniveau vor Ausbruch der Coronaseuche ist vielleicht Wunschdenken mancher Anleger, aber aufgrund der tiefen Rezession unrealistisch.Sollte sich die Konjunktur in China tatsächlich wieder rasch stabilisieren, könnte der größte Einzelmarkt des Trios wenigstens dazu beitragen, die Geschäftseinbrüche in Europa und in den USA abzufedern. Schließlich macht das Land rund ein Drittel ihres Absatzes aus.So dramatisch die Lage auch ist, die deutschen Autohersteller sind aber dank ihrer umfangreichen Liquiditäts- und Kapitalpolster nicht auf Staatshilfen angewiesen – immerhin etwas Positives für sie.