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Das Postfach der Kodex-Kommission quillt über

Von Sabine Wadewitz, Frankfurt Börsen-Zeitung, 21.2.2019 Die Reform des Deutschen Corporate Governance Kodex hat eine Flut an Stellungnahmen ausgelöst. In mehr als hundert Kommentaren äußern sich Unternehmen, Investoren, Stimmrechtsberater,...

Das Postfach der Kodex-Kommission quillt über

Von Sabine Wadewitz, FrankfurtDie Reform des Deutschen Corporate Governance Kodex hat eine Flut an Stellungnahmen ausgelöst. In mehr als hundert Kommentaren äußern sich Unternehmen, Investoren, Stimmrechtsberater, Gewerkschaften und Kanzleien zu den geplanten Anpassungen. Dabei prallen die Meinungen aufeinander. Während sich Unternehmensvertreter an den neuen Vorgaben zur Erläuterung der Governance-Praxis stoßen, wird das vorgeschlagene “Apply and Explain” von Anlegervertretern überwiegend positiv aufgenommen. Das Gleiche gilt für Amtszeiten von Aufsichtsräten, Unabhängigkeitskriterien oder die Begrenzung der Mandatszahl. Viel Kritik wird an den Vorschlägen zur Vorstandsvergütung laut.In das reformierte Regelwerk hat die Kodex-Kommission eine neue Kategorie von Grundsätzen integriert, abgeleitet aus rechtlichen Vorgaben und Standards verantwortungsvoller Unternehmensführung. Sie sollen es allen Stakeholdern ermöglichen, sich ein umfassendes Bild über die gelebte Corporate Governance im Unternehmen zu bilden. Nach dem Motto “Apply and Explain” sollen sich die Konzerne zur Anwendung dieser neuen Grundsätze äußern. Diese Angaben ergänzen das bisherige “Comply and Explain”, bei dem die Unternehmen mitteilen, welche Kodex-Empfehlungen sie akzeptieren und wo sie abweichen.Der Münchner Technologiekonzern Siemens hält den neuen Ansatz des “Apply and Explain” mit Blick auf das Ziel einer erhöhten Transparenz für “problematisch” und befürchtet eine Überdosis an Informationen. “Eine ausführliche Darstellung, wie ein Unternehmen sämtlichen Empfehlungen und Anregungen des Kodex folgt, konterkariert durch die damit verbundene Informationsfülle das Ziel, den Investoren eine bessere Beurteilung der Corporate Governance der Unternehmen zu ermöglichen”, heißt es in der Stellungnahme von Aufsichtsratschef Jim Hagemann Snabe und CEO Joe Kaeser.Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) kann ebenfalls nicht erkennen, welchen Mehrwert der Apply-and-Explain-Ansatz bringen soll. Die neu formulierten Grundsätze “enthalten viele Selbstverständlichkeiten”, merkt der Verband an. Die verlangten Erläuterungen brächten einen hohen bürokratischen Aufwand für die Unternehmen mit sich.Investorenvertreter sehen die erweiterten Informationsanforderungen weniger kritisch. Hans-Christoph Hirt von Hermes Equity Ownership Services aus London begrüßt den neuen Ansatz, fordert die Kodex-Kommission aber auf, zusätzliche Hinweise für die Umsetzung zu geben. DWS Investment unterstützt ebenfalls die Erweiterung, hält die Formulierung von Grundsätzen, die nur die Gesetzeslage wiedergeben, aber für nicht zielführend. Der Vermögensverwalter schlägt vor, dass sich Unternehmen ausführlicher zur Umsetzung der Kodex-Empfehlungen äußern. So würde für Investoren deutlich, “wie ein Unternehmen die Governance-Erwartungen erfüllt”. Gegen kurze Mandatszeiten Investorenvertreter lehnen einige Streichungen zur Verschlankung des Kodex ab. So plädiert DWS Investment dafür, den Grundsatz “One share – one vote” beizubehalten. Festhalten sollte man aus Sicht des Assetmanagers auch am Gebot, im Falle eines Übernahmeangebots eine außerordentliche Hauptversammlung einzuberufen. Auch Stimmrechtsberater Glass Lewis spricht sich dafür aus, dies im Kodex zu belassen.Auf unterschiedliche Resonanz stößt der Vorschlag, die Amtszeit von Aufsichtsräten auf drei Jahre zu begrenzen. Investoren unterstützen das Anliegen mit Blick auf internationale Usancen. BlackRock sieht die Neuregelung als vernünftigen Kompromiss auf der Reise weg von der bisherigen Fünfjahresperiode. Unternehmen lehnen dagegen eine kürzere Bestelldauer ab, weil personelle Kontinuität für Qualität sorge. “Die aus dem angelsächsischen Bereich stammende kurz laufende Mandatsperiode von Aufsichtsratsmitgliedern wird dem deutschen System nicht gerecht”, meinen die Aufsichtsratsvorsitzenden Michael Diekmann (Allianz), Paul Achleitner (Deutsche Bank) und Jim Hagemann Snabe (Siemens) in einer gemeinsamen Stellungnahme. Auch unterschiedliche Mandatszeiten von Anteilseigner- und Arbeitnehmerbank werden kritisch gesehen.Auf wenig Gegenliebe stoßen die neuen Regelungen zur Vorstandsvergütung. Aus Firmensicht sind die Vorgaben zu starr und unflexibel. Unternehmen würden in “ein spezifisches Vergütungssystem” gedrängt, “ohne dass hier der Anspruch erhoben werden könnte, dass es sich um ein allgemein überlegenes System handelt”, meinen CEO und CFO der Deutschen Börse.Breite Kritik wird zum Vorschlag laut, die langfristige variable Vergütung ausschließlich in Aktien mit vierjähriger Haltepflicht zu gewähren. Das geht auch Investoren zu weit. BlackRock fordert, die variable Entlohnung an eine nachhaltige Performance über mehrere Jahre zu koppeln. Auch DWS hält die ausschließliche Verknüpfung der Langfristvergütung mit dem Aktienkurs nicht für angemessen. Der Vermögensverwalter plädiert indes dafür, an den Mustertabellen zur Darstellung der Vorstandsgehälter festzuhalten. Das hält auch das Bundesfinanzministerium für richtig: Die Tabellen seien für die Vergleichbarkeit der Vergütungen sehr nützlich.