GASTBEITRAG

Das richtige Maß an Relevanz und Transparenz

Börsen-Zeitung, 2.12.2015 Börsennotierte Unternehmen können ihre Quartalsberichterstattung künftig flexibler gestalten. Seit Ende November ist die bislang gültige gesetzliche Pflicht zur Abgabe von Zwischenmitteilungen nach § 37 WpHG ersatzlos...

Das richtige Maß an Relevanz und Transparenz

Börsennotierte Unternehmen können ihre Quartalsberichterstattung künftig flexibler gestalten. Seit Ende November ist die bislang gültige gesetzliche Pflicht zur Abgabe von Zwischenmitteilungen nach § 37 WpHG ersatzlos entfallen. Bereits einige Wochen zuvor hatte der Börsenrat der Frankfurter Wertpapierbörse in Ansehung dieser Gesetzesänderung beschlossen, die Börsenordnung anzupassen und Unternehmen im Prime Standard mehr Freiraum bei der Veröffentlichung von Quartalsergebnissen zu geben. Demnach sind diese im Qualitätssegment der Börse notierten Unternehmen künftig nicht mehr verpflichtet, einen vollumfänglichen Quartalsbericht, sondern eine deutlich konzentriertere Quartalsmitteilung zu veröffentlichen.Damit wird eine seit Jahren andauernde Diskussion beendet. Denn seit langem sprechen sich Emittenten aus dem Prime Standard für eine Entlastung aus und viele institutionelle wie private Investoren hinterfragen den Mehrwert eines Quartalsberichts, der nur wenige Wochen nach der Veröffentlichung des Geschäfts- oder Halbjahresberichts erfolgt. Stattdessen fordern sie: Mehr Qualität statt Quantität. Aufs Wesentliche konzentriertGemeinsam mit dem Fondsverband BVI hat der Deutsche Investor Relations Verband DIRK die Diskussion um die Flexibilisierung der Quartalsberichterstattung in den vergangenen Monaten federführend vorangetrieben und dabei Perspektiven unterschiedlichster Kapitalmarktakteure berücksichtigt. Im Sinne der Transparenz und des Vertrauens in den deutschen Kapitalmarkt sprach sich der DIRK explizit gegen eine vollständige Abschaffung der Berichterstattungspflicht im Prime Standard aus. Stattdessen empfahl er, den Halbjahresbericht in der bisherigen Form beizubehalten und vielmehr die Berichterstattungspflicht zum ersten und dritten Quartal zu flexibilisieren. Will heißen: Anleger sollen auch weiterhin quartalsweise über den Geschäftsverlauf eines Emittenten informiert werden – aber konzentriert auf das Wesentliche und in Form von Quartalsmitteilungen. Entsprechend müssen darin wesentliche Ereignisse und Geschäfte erläutert werden, die die Finanzlage und das Ergebnis beeinflussen.Außerdem muss auf die Guidance eingegangen werden, wenn sich diese gegenüber den ursprünglich formulierten Zielsetzungen wesentlich verändert hat (Prognoseveränderungsbericht). Mit der Entscheidung des Börsenrats zugunsten dieser Vorgehensweise ist ein großer Schritt in Richtung einer Finanzkommunikation erreicht, die sich durch Relevanz und Wesentlichkeit auszeichnet.Es liegt nun in der Verantwortung der Emittenten, die neu gewonnene Freiheit bestmöglich zu gestalten. Zu Recht fragen sie jedoch, wie eine auf wesentliche Informationen konzentrierte Quartalsmitteilung genau aussehen muss, um den Ansprüchen der Kapitalmarktteilnehmer gerecht zu werden. Auch diese Fragestellung wird der DIRK federführend begleiten. Denn im Sinne einer zielgruppengerechten Kommunikation ist es weder sinnvoll, bisherige Standards unbesehen und in vollem Umfang beizubehalten, noch sollten ausschließlich Mindestanforderungen erfüllt werden. Vielmehr geht es für jeden Emittenten darum, das richtige Maß an Relevanz und Transparenz zu finden, um das Interesse in seine Aktie zu fördern und das Vertrauen seiner Anleger zu stärken. Mehr als eine LösungDer DIRK macht es sich daher zur Aufgabe, bei der Erstellung von Best Practice Guidelines eine tragende Rolle einzunehmen. Um es vorwegzunehmen: Die eine, und für alle Emittenten passende Lösung wird es nicht geben. Vielmehr bestimmen Faktoren wie Branche, Indexzugehörigkeit und die Offenlegungspraktiken gelisteter (ausländischer) Wettbewerber, welche Kennzahlen und Informationen wesentlich sind und damit auch künftig in einer Quartalsmitteilung veröffentlicht werden sollten.Der DIRK hat unmittelbar nach der Entscheidung des Börsenrats erste Arbeitsgruppen ins Leben gerufen, die sich mit den vielschichtigen Fragen der Ausgestaltung von Quartalsmitteilungen auseinandersetzen und dabei die oben genannten Faktoren berücksichtigen werden. Darüber hinaus wird der Verband Erfahrungswerte aus den zahlreichen Zwischenberichten heranziehen, die in den letzten Jahren von im General Standard notierten Unternehmen veröffentlichten wurden. Bereits jetzt zeigt sich, dass die künftige Form der Berichterstattung von Emittenten intensiv diskutiert wird und dabei verschiedenste Optionen durchdacht werden. Diese reichen von Streichung der Imageseiten wie etwa dem Brief an die Aktionäre bis hin zur Eliminierung des Anhangs. Reduzierung des UmfangsDiskutiert wird auch die Verwendung grafischer Darstellungen nach Vorbild einiger ausländischer Emittenten. So veröffentlicht beispielsweise der US-Konzern GE seine wesentlichen Kennzahlen anhand von Schaubildern und Diagrammen. Noch sind die passenden Wege zu mehr Qualität und Wesentlichkeit nicht gefunden. Eines zeigt die aktuelle Debatte jedoch sehr deutlich: Emittenten zielen auf die Reduzierung von Umfang, jedoch nicht zu Lasten der Transparenz. Genau das ist richtig. Denn der Anspruch guter Investor Relations ist es nicht, Aktien lediglich zu vermarkten, sondern Anleger zu überzeugen – durch verlässlich kommunizierte Fakten und Argumente. Als Zwischenergebnis kann festgehalten werden: Auch Konsistenz und Form werden künftig ausschlaggebende Kriterien sein für die Glaubwürdigkeit eines Emittenten.Die Investor Relations in Deutschland genießen im internationalen Vergleich einen hervorragenden Ruf. Die nun gewonnene Freiheit zur flexibilisierten Quartalsberichterstattung erfordert daher verantwortungsvolles Handeln, bedeutet zugleich aber eine große Chance: Um neue Maßstäbe zu setzen und erneut dem Anspruch gerecht zu werden, zielgruppenorientierte und vor allem hochprofessionelle Kapitalmarktkommunikation zu betreiben.—-Kay Bommer, Geschäftsführer, DIRK – Deutscher Investor Relations Verband