Dätwyler investiert in Großbritannien

Schweizer zeigen keine Angst vor Brexit - Akquisition des Elektronikgroßhändlers Farnell für 1 Mrd. sfr

Dätwyler investiert in Großbritannien

Brexit hin oder her – der mittelgroße Schweizer Industriekonzern Dätwyler legt gut 1 Mrd. sfr für den Kauf des britischen Elektronikgroßhändlers Farnell auf den Tisch.dz Zürich – Eine Woche vor der Abstimmung der Briten über den Verbleib in der EU wagt der Schweizer Industriezulieferer Dätwyler auf der Insel den größten Einkauf seiner 101-jährigen Firmengeschichte. Die Eidgenossen mit Sitz in Altdorf, dem Hauptort des Bergkantons Uri am Fuß des Gotthards, legen knapp 1,1 Mrd. sfr oder 792 Mill. Pfund auf den Tisch und gelangen damit in den Besitz des in Leeds ansässigen Elektronikhändlers Farnell, der 2016 einen bereinigten Umsatz von 904 Mill. Pfund oder gut 1,2 Mrd. sfr erwirtschaftet hatte. Farnell ist an der Londoner Börse notiert. Die Offerte der Schweizer von 165 Pence je Aktie beinhaltet eine Prämie von 51 % auf den letzten Kurs vor Bekanntgabe des Angebots. Der Verwaltungsrat von Farnell empfiehlt den Aktionären, das Angebot anzunehmen. Die Papiere sind breit gestreut.Dätwyler wird von einer Stiftung kontrolliert, in welche die Söhne des Unternehmensgründers 1986 ihre Aktien eingebracht haben. Das Unternehmen ist an der Schweizer Börse notiert. Marktakteure monierten zunächst den hohen Kaufpreis, der etwa dem neunfachen Ebitda entspricht. Hinzuzurechnen sind noch die Schulden. Die Titel gaben im Vergleich zum Vortagesschlusskurs zunächst über 6 % nach, erholten sich aber im Verlauf. Konzernchef Paul Hälg (der auch als Verwaltungsratspräsident von Sika agiert) sprach von einem attraktiven Preis, zumal Farnell schon lange auf der Wunschliste von Dätwyler gestanden habe.Die Briten handeln mit elektronischen Bauteilen und Fertigprodukten und sind auch Lizenznehmer des mehrfach ausgezeichneten britischen Computers Raspberry Pi – ein superbilliges Einsteigermodell für Bastler und Technikfans, das schon über sieben Millionen Mal verkauft worden ist. Die Handelsgeschäfte von Dätwyler und Farnell seien sowohl in Bezug auf die jeweiligen Sortimente als auch auf die Geografien komplementär, erklärten die Schweizer. Aus der Kombination entsteht ein Anbieter im internationalen Elektronikhandel mit 1,8 Mrd. sfr Umsatz. Dätwyler habe zuletzt eher unter der kritischen Größe gewirtschaftet, erklärte ein Sprecher.Der Kauf hat transformatorischen Charakter für den Industriezulieferer. Der Personalbestand nimmt um ein Drittel auf rund 11 000 Personen zu, und der Handel wird künftig mit einem Anteil von 75 % am Konzernumsatz deutlich größer sein als das bisher dominierende Geschäft mit speziellen Dichtungslösungen. Zur Finanzierung des Kaufpreises führt Dätwyler eine Kapitalerhöhung durch. Der Verschuldungsgrad wird sich dennoch auf etwa das 2,5fache des künftigen Ebitda erhöhen, soll aber zügig wieder abgebaut werden.