Dax-Konzern sucht Vorstandsfrau
In den USA kommt es praktisch nicht mehr vor – in Deutschland aber schon: Neun Dax-Konzerne haben einen rein männlichen Vorstand. Sieben dieser Unternehmen müssen sich jetzt auf die Suche nach der ersten Frau für ihren Vorstand machen. So fordern es die geplanten neuen Regeln der Bundesregierung.cru Frankfurt – Die Vorstände von Adidas, Bayer, Delivery Hero, Deutsche Wohnen, Eon, Heidelberg Cement, Infineon, Linde und MTU haben ausweislich der Allbright-Studie eines gemeinsam. Zu keinem von ihnen zählt eine Frau. Bei einigen Unternehmen wird sich das jetzt wohl ändern. Künftig muss bei vier und mehr Vorstandsposten, die derzeit rein männlich besetzt sind, bei nächster Gelegenheit mindestens eine Frau berufen werden.Linde und Adidas sind dabei aus dem Schneider: Für Linde gelten die neuen Regeln nicht, weil das Dax-Unternehmen seinen Sitz in Dublin hat und in der Rechtsform der irischen plc agiert. Im sechsköpfigen Vorstand von Adidas wiederum wird mit Amanda Rajkumar als Personalvorständin ab Anfang 2021 wieder eine Frau vertreten sein. Also brauchen nur noch sieben Dax-Konzerne ihre erste Frau im Vorstand.Bisher hatten die Bestrebungen, mehr Frauen in die Vorstände zu bringen, wenig gefruchtet. Bei jedem dritten deutschen Börsenunternehmen ist “null Frauen im Vorstand” nicht nur der aktuelle Ist-Zustand, sondern auch explizit das Ambitionsniveau für die absehbare Zukunft. 55 von 160 Unternehmen im Dax 30, MDax und SDax in Deutschland haben sich einen Frauenanteil von 0 % im Vorstand zum Ziel gesetzt.Bei der Deutschen Wohnen etwa sind alle vier Vorstände Männer. Inzwischen wurde die Zielquote von 0 % Frauen angepasst und liegt aktuell bei 20 % bis zum Jahr 2025: “Wer in unserem Unternehmen Vorstandsmitglied wird, entscheidet ein sechsköpfiger Aufsichtsrat, zu dem aktuell zwei Frauen gehören. Als neuestes Mitglied kam im Juni 2020 Kerstin Günther hinzu.” Der Anteil weiblicher Führungskräfte bei der Deutschen Wohnen beträgt rund 48 %.Auch Infineon hat sich ein vergleichbares Ziel gesetzt: Bis Mitte 2022 sollen 20 % der Posten im derzeit vierköpfigen Vorstand mit Frauen besetzt sein. Und der Aufsichtsrat von Heidelberg Cement hat sich 2019 zum Ziel gesetzt, künftig mindestens ein weibliches Vorstandsmitglied zu berufen. “Insoweit wird sich durch die neue Regelung nichts ändern”, erklärte ein Sprecher. Bei Heidelberg Cement lag 2019 der Anteil der Frauen an der Gesamtbelegschaft im Konzern bei 13 %.Aktuell umfasst der Vorstand der MTU Aero Engines AG vier Männer, ein Handlungsbedarf wäre also zu einem bestimmten Zeitpunkt gegeben. “Um jedoch konkrete Folgen zu nennen, müssten wir die Ausgestaltung der Regelung kennen, unter anderem den Zeithorizont und die Frage von Nachbesetzungen”, erklärte ein Sprecher. Unterdessen hat Bayer-Aufsichtsratschef Norbert Winkeljohann angekündigt: “Wir wollen bis spätestens Anfang 2022 wieder eine Frau im Vorstand haben.”Der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Reiner Hofmann, hat die Einigung der Regierungskoalition auf eine Frauenquote in Vorständen als “überfällig” bezeichnet. “Es ist einfach nur noch peinlich, nach jahrelanger, offensichtlich wirkungsloser Selbstverpflichtung der Wirtschaft das Gegenteil zu behaupten”, teilte er am Montag mit. “Der Wirtschaftsflügel der Union sollte endlich die Herzen für eine zeitgemäße Politik öffnen.” Die schwarz-rote Koalition hatte sich am Freitagabend grundsätzlich auf eine verbindliche Frauenquote in Vorständen geeinigt. Der sogenannte Wirtschaftsflügel der CDU/CSU-Fraktion kündigte zuletzt Widerstand an: “Wir brauchen ein Stoppschild, um die freiheitlich-soziale Marktwirtschaft nicht durch noch mehr Überregulierung in Frage zu stellen. Deshalb werden wir alles dafür tun, um diese Vorstandsquote zu verhindern”, sagte der Vizechef des Parlamentskreises Mittelstand (PKM), Hans Michelbach (CSU).Der Einigung der Regierung zufolge muss in Vorständen börsennotierter und paritätisch mitbestimmter Unternehmen mit mehr als drei Mitgliedern spätestens ab einer Neubesetzung ein Mitglied eine Frau sein. Die Einigung soll in den kommenden Tagen den Koalitionsspitzen zur abschließenden Entscheidung vorgelegt werden. DGB-Chef Hofmann nannte das Ziel “bescheiden” und forderte: “Gerade in größeren Vorständen müssen Frauen mindestens gemäß ihrer Repräsentanz im Unternehmen vertreten sein.”Iris Plöger, Mitglied der BDI-Hauptgeschäftsführung, forderte die Bundesregierung auf, die Übergangsfristen für Unternehmen weitestmöglich auszudehnen. “Es muss eine Härtefallregelung für Konstellationen geben, in denen die Besetzung so praktisch nicht möglich war.”