Dax-Konzerne holen in der Governance auf
Die im Dax 30 geführten Unternehmen machen aus Investorensicht Fortschritte in der Corporate Governance. Nach einer Analyse der DVFA, dem Berufsverband der Investment Professionals, orientieren sich große Unternehmen zunehmend an den Best-Practice-Vorgaben der institutionellen Anleger und füllen die Kodex-Vorgaben aus. Im MDax gibt es noch Nachholbedarf. swa Frankfurt – Der Investorenverband DVFA hat zum vierten Mal die Corporate Governance großer deutscher Konzerne bewertet und einem Ranking in einer Scorecard unterzogen. Dabei wurden in der Auswertung für 2019 Unternehmen berücksichtigt, die Ende September dem Dax 30 oder MDax angehörten. Die Mid-Cap-Gesellschaften sind das erste Mal einbezogen worden.Ziel der DVFA-Analyse ist es, den Investoren ein differenziertes Bild über die Governance-Qualität deutscher börsennotierter Unternehmen zu geben. In der Struktur folgt die Auswertung den Kapiteln des Corporate Governance Kodex in der noch nicht reformierten Form – für die endgültige Neufassung des Regelwerks für gute Unternehmensführung muss noch die Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie im Gesetz ARUG II vollendet werden. Volkswagen ist SchlusslichtIn ihrem Urteil schaut die DVFA nicht nur, ob die Kodex-Vorgaben anerkannt werden, sondern wie sie umgesetzt werden. “Die reine Akzeptanz des Kodex reicht Investoren nicht aus”, erklärt Michael Schmidt von Lloyd Fonds, Leiter der DVFA-Kommission Governance & Stewardship. In die Bewertung fließen zudem internationale Best-Practice-Erwartungen der Investoren ein. Der Verband hat eigens den Fachbeirat DVFA-Scorecard for Corporate Governance gegründet. Er wird geleitet von Aufsichtsratsberater Alexander Juschus, der die Analyse erstellt hat.In den Bewertungskriterien setzt die Scorecard auf Kontinuität. In der jüngsten Analyse habe man allerdings einen etwas stärkeren Fokus auf die Unabhängigkeit der Aufsichtsräte gelegt, erläutert Hendrik Schmidt, Governance-Experte des Vermögensverwalters DWS Investment. Dabei habe man die von der DVFA in einem Positionspapier etablierte Einordnung zugrunde gelegt. So gelten zum Beispiel Gremienmitglieder, die länger als zehn Jahre an Bord sind, nicht mehr als unabhängig. Diese Einschätzung wird von vielen Unternehmen nicht geteilt.Im Ergebnis der Analyse hat sich die Governance der Dax-30-Konzerne verbessert. “Die Unternehmen haben gelernt”, sagt Juschus. Es sei zu erkennen, dass die Konzerne die in der Scorecard gestellten Fragen in ihren Governance-Berichten oder an anderer Stelle beantworten. Generell sei die Transparenz gestiegen. Das betreffe Angaben zur Besetzung des Aufsichtsrats. Relevante Informationen zu den Lebensläufen würden gegeben, die Unternehmen äußern sich zur Sitzungsteilnahme der Gremienmitglieder und zu möglichen Interessenkonflikten. Auch die Kompetenzprofile würden veröffentlicht. Positiv wird von der DVFA zudem vermerkt, dass ein Fünftel der Unternehmen keine Pensionsversorgung mehr für Vorstände anbietet.Sehr unterschiedliche Auffassungen lassen die Unternehmen beim Thema Hauptversammlung erkennen – der Erfüllungsgrad reiche von 0 bis 100 %. Aus Investorensicht sollten zum Beispiel Stimmrechtsweisungen frühestens 24 Stunden vor Beginn des Aktionärstreffens an die Gesellschaft weitergegeben werden, womit sich manches Unternehmen nicht anfreunden kann.Klassenprimus ist wie im Vorjahr die Deutsche Börse, die sich 2019 von der Kategorie “sehr gut” in das Feld “hervorragend” hochgearbeitet hat. Im Ranking des vergangenen Jahres hatte kein Unternehmen das Gütesiegel “hervorragend” angeheftet bekommen, in diesem Jahr haben es sechs Unternehmen erreicht. Notwendig ist dafür eine Punktzahl von mehr als 90 %. Die Note “sehr gut” haben 14 Gesellschaften erlangt. Hierfür müssen mehr als 80 % der Vorgaben erfüllt sein. Schlusslicht im Dax ist Volkswagen, wobei der Automobilkonzern immer noch mit befriedigend eingestuft ist. Vordere Plätze neu verteiltUnterhalb der Deutschen Börse sind die Plätze neu verteilt worden, So haben sich RWE, Munich Re und Siemens nach oben geschoben, während 2018 Covestro, Continental und Deutsche Post die Plätze zwei bis vier einnahmen. In der Auswertung 2018 hatte die DVFA nur die Top-4-Unternehmen veröffentlicht.Deutlich schlechter sieht es im MDax aus, wo es sechs mit “sehr gut” benotete Vorreiter gibt – darunter aus dem Dax abgestiegene Unternehmen wie ProSiebenSat.1, Thyssenkrupp oder Commerzbank. In Kreis der Mid-Caps gibt es sechs Vertreter, denen die DVFA eine mangelhafte Governance bescheinigt. Auf dem letzten Platz steht die Optikerkette Fielmann. Das Familienunternehmen veröffentlicht keine Lebensläufe der Aufsichtsräte und begründet das mit dem “Schutz der individuellen Privatsphäre”. Der Aufsichtsrat verzichtet auch auf die Einrichtung eines Prüfungsausschusses sowie auf die Aufstellung eines Kompetenzprofils für das Gremium.Zu den Minuspunkten im MDax aus Investorensicht zählt es, dass wenige Unternehmen darüber informieren, inwieweit sie die Anregungen des Kodex umsetzen. Auch die Vergütungsberichte seien oft unterdurchschnittlich in ihrer Qualität. Zudem hätten zahlreiche Unternehmen in den vergangenen fünf Jahren auf der Hauptversammlung nicht über die Vorstandsvergütung abstimmen lassen.