Dax-Konzerne im Governance-Ranking vorn
Für Union Investment zählt eine gute Corporate Governance zu den entscheidenden Kriterien für eine nachhaltige Performance von Unternehmen. Die Fondsgesellschaft sucht aktiv den Dialog mit Vorständen und Aufsichtsräten und lässt Rankings erstellen, um sich ein Bild zu verschaffen. Erstmals wurden die Konzerne aus dem Stoxx Europe 50 unter die Lupe genommen.Von Sabine Wadewitz, FrankfurtIn der Hauptversammlungssaison 2019 haben institutionelle Investoren aktiv Flagge gezeigt. Im Mittelpunkt standen Unternehmen, die derzeit mit großen Problemen zu kämpfen haben, wie Bayer oder Deutsche Bank. Aber auch andernorts haben sich Fonds in kritische Themen eingeschaltet und den Daumen gesenkt, wenn es um Entlastung, Vergütung oder Aufsichtsratswahlen ging. Die in den vergangenen Jahren viel bescholtene Passivität der Investoren ist offensichtlich überwunden.Aus Sicht von Jens Wilhelm, Vorstandsmitglied von Union Investment, hat eine Ära der “neuen, kritischen Aktionärsdemokratie” begonnen. Das Thema Corporate Governance gewinne für Anleger an Breite, und Unternehmen müssten sich dauerhaft auf einen intensiven Dialog einstellen. “Die Zeiten sozialistischer Abstimmungsergebnisse sind vorbei”, sagt Wilhelm, der Portfoliomanagement, Immobilienfondsgeschäft und das Segment IT-Infrastruktur verantwortet. Investoren seien gefordert, mehr Engagement zu zeigen – auch von regulatorischer Seite und auf Druck ihrer Kunden. “Die Diskussion über verantwortungsvolles Investieren nimmt spürbar zu”, sagt der Fondsvertreter. Es werde zunehmend deutlich, dass auf Hauptversammlungen Mehrheiten bewegt werden können.Auch die Diskussion rund um Nachhaltigkeit gewinne an Fahrt. Dazu gebe es zwar noch keinen eigenen Tagesordnungspunkt, Nachhaltigkeit war in der Generaldebatte bei zahlreichen Hauptversammlungen aber das dominierende Thema. So habe Klimaschutz bei BASF, RWE, Lufthansa, BMW und Daimler im Fokus gestanden. Von Unternehmen werde erwartet, dass sie ihre Gewinne verantwortungsvoll, also nicht auf Kosten von Umwelt und Gesellschaft erzielen, hebt Wilhelm hervor. Gesprächsbereitschaft wächstDie meisten großen Konzerne beugen sich unterdessen diesem Anliegen. “Die Gesprächsbereitschaft der Unternehmen steigt, sie suchen vor der Hauptversammlung aktiv Kontakt zu Investoren”, weiß Vanda Heinen, Analystin mit Schwerpunkt Corporate Governance bei der Fondsgesellschaft. Es gebe allerdings immer noch Aufsichtsratschefs im Dax, die hier sehr zurückhaltend seien.Dass vermehrt Aktivisten ins Rampenlicht treten, versucht die Fondsgesellschaft nicht für sich zu nutzen. “Wir haben andere Ziele als diese Gruppen, gleichwohl freuen wir uns über jeden, der uns unterstützt”, sagt Wilhelm.Union Investment stimmt weltweit jährlich auf 2 300 Hauptversammlungen ab und führt mehr als 4 000 Hintergrundgespräche mit Unternehmensvertretern. Auf 15 Aktionärstreffen von Dax- und MDax-Gesellschaften haben sich Mitarbeiter der Fondsgesellschaft zu Wort gemeldet. Union Investment folgt eigenen Abstimmungsrichtlinien, die sich an führenden nationalen und internationalen Standards orientieren. Die Fondsgesellschaft bilde sich ein eigenes Urteil und folge keinesfalls blind den Empfehlungen von Stimmrechtsberatern, wie oft kritisiert wird.Wilhelm und Heinen appellieren an die Emittenten, nicht bei Minimalanforderungen des Gesetzgebers Halt zu machen. So fordern Investoren zum Beispiel kürzere Wahlperioden für Aufsichtsräte, wogegen sich Unternehmen sträuben. Bei der Neuauflage des Deutschen Corporate Governance Kodex wurde deshalb auch jüngst der Vorschlag wieder kassiert, die Amtszeit in Kontrollgremien auf drei Jahre zu begrenzen. Die Deutsche Börse gilt als einziges Dax-Unternehmen, das nicht mehr für fünf Jahre, sondern für drei wählen lässt. Wilhelm hält kürzere Amtszeiten für sehr sinnvoll. Das schließe ja nicht aus, dass qualifizierte Aufsichtsräte für eine längere Zeit an Bord bleiben. “Unternehmen können sich innerhalb von fünf Jahren stark ändern”, gibt Heinen zu bedenken.Um sich ein detailliertes Bild zu verschaffen, hat die Fondsgesellschaft schon zwei Mal mit Hilfe des Stimmrechtsberaters Ivox Glass Lewis die Corporate Governance der Dax-Unternehmen analysiert und ein Ranking erstellt (vgl. BZ vom 7. Februar). Als Klassenbeste ging zuletzt Munich Re hervor. Erstmals wurden 2018 (Stichtag 31. August) die Konzerne des Stoxx Europe 50 dem Test unterzogen. Das Ranking basiert auf 96 Governance-Kriterien. Im Vordergrund stehen: Gleichbehandlung der Aktionäre, Besetzung und Vergütung von Vorstand und Aufsichtsrat bzw. Executives und Non-Executives sowie Transparenz. Analysiert wird auf Basis öffentlich zugänglicher Daten. Die erzielbaren Punkte werden in ein Schulnotensystem übertragen (siehe Tabelle).Union Investment nutzt das Ranking vor allem als Basis für Gespräche mit den Aufsichtsrats- und Verwaltungsratsvorsitzenden und für das Engagement der Fondsvertreter auf den Hauptversammlungen. Es gehe aber auch darum, einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess in Gang zu bringen. Eine gute Note im Ranking bedeute allerdings nicht, dass dem Unternehmen auch eine gute Unternehmensführung bescheinigt werden kann, mahnt Wilhelm. Entscheidend sei, wie Corporate Governance im Unternehmen gelebt werde. “Ein gutes Abschneiden im Ranking zeigt die Stabilität des Fundaments, aber noch nicht die Festigkeit der Dachziegel”, sagt Wilhelm.An der Spitze des Rankings der Stoxx-Europe-50-Konzerne stehen Allianz, BASF und Siemens, also drei deutsche Konzerne. Aber auch niederländische Unternehmen wie ASML und Royal Dutch Shell schneiden überdurchschnittlich gut ab. Schlusslichter sind die französischen Konzerne LVMH und Vinci sowie die spanische Telefónica auf dem drittletzten Platz. Neuralgische Punkte sind die Personalunion von CEO und Chairman, die mangelnde Transparenz der Vergütung, Ämterhäufung und die fehlende Veröffentlichung von Altersgrenzen, erläutert Heinen. Die Personalunion von CEO und Chairman führe vor allem bei französischen Unternehmen zu Abstufungen. Positiv schneiden die Stoxx-50-Unternehmen im Vergleich zum Dax in den Themen Diversity und Unabhängigkeit der Verwaltungsräte ab. Schlechterer SchnittInsgesamt fällt die Durchschnittsnote im Stoxx Europe 50 mit 2,3 etwas schlechter aus als im Dax. Wilhelm führt das auch darauf zurück, dass sich die Dax-Konzerne nach dem ersten Ranking 2016 angestrengt und ihren Schnitt von 2,7 auf 2,1 verbessert haben. Das Schlusslicht im Dax, Volkswagen, liegt aber hinter dem Schlusslicht im Stoxx, LVMH.Union Investment räumt ein, dass das Ranking in mancherlei Hinsicht eine deutsche Perspektive einnimmt, insbesondere was die Personalunion von CEO und Chairman betrifft sowie die Vergütungstransparenz – eine individualisierte Offenlegung der Managergehälter ist nicht in allen Ländern gesetzlich geregelt. Doch für Investoren seien das wichtige Governance-Kriterien. Grundsätzlich sei das im Stoxx erreichte Ergebnis akzeptabel, allerdings habe kein Unternehmen die Note “sehr gut” erreicht. Es gebe somit Luft nach oben, meint Wilhelm.